Nico Schlotterbeck Borussia Dortmund 2025Imago

Warum eigentlich nicht Nico Schlotterbeck? Die komplizierte Lage in der Innenverteidigung des FC Bayern

Aufgrund der angespannten Weltlage wird in Europa plötzlich allerorts massiv in die Verteidigung investiert. Beim FC Bayern war man diesem Trend lange voraus: Anders als bei den meisten Klubs (Stürmer!) fließen in München schon seit Jahren große Teile der Ausgaben in die Abwehr (wenig effizient, aber immerhin).

Ja, 100-Millionen-Euro-Stürmer Harry Kane ist der kostspieligste Transfer der Klubgeschichte. Aber vier der acht teuersten Neuzugänge waren Innenverteidiger. Lucas Hernández (80 Millionen Euro, 2019) und Matthijs de Ligt (67 Millionen Euro, 2022) sind längst wieder weg. Min-Jae Kim (50 Millionen Euro, 2023) und Dayot Upamecano (42,5 Millionen, 2021) könnten sich auch bald verabschieden. Deutlich zu billig oder gar gratis abgegebene Leistungsträger wie Jérôme Boateng, David Alaba oder Benjamin Pavard wurden dennoch nie adäquat ersetzt. Im Sommer könnte es beim FC Bayern einmal mehr zu einem Umbruch in der Innenverteidigung kommen. Die Lage ist durchaus unübersichtlich. Sowohl in München, als auch auf dem Transfermarkt ganz generell.

  • FC Bayern: Die aktuelle Situation in der Innenverteidigung

    Upamecano spielte eine starke Saison, bis er sich Ende März einen Knorpelschaden zuzog. Grundsätzlich strebt der FC Bayern eine Verlängerung seines 2026 auslaufenden Vertrags an. Mit Blick auf Gehaltsaufbesserungen und Boni seiner Kollegen scheint der 26-jährige Franzose aber hoch zu pokern. Womöglich zu hoch für die klammen Münchner unter den wachsamen Augen des mächtigen Aufsichtsrats um Uli Hoeneß.

    Upamecanos nomineller Nebenmann Kim zählt zu den meistbelasteten Spielern seiner Mannschaft (und Europas). Trotz anhaltender Achillessehnenprobleme spielte Kim immer weiter. Die Quittung: Nach vielen stabilen Auftritten patzte der 28-jährige Südkoreaner in den Champions-League-Viertelfinals gegen Inter Mailand folgenschwer - und gilt deshalb trotz Vertrags bis 2028 als Verkaufskandidat. Er selbst denkt aber nicht an einen Abschied. "Für mich gibt es keinen Grund zu gehen", sagte Kim der Sport Bild.

    Seit Upamecanos Verletzung verteidigte an Kims Seite Eric Dier. Eigentlich deutete vieles auf eine Vertragsverlängerung hin, nun scheint Dier München aber doch ablösefrei zu verlassen und zwar zur AS Monaco. Für den FC Bayern ist das ein bitterer Verlust. Der 31-jährige Engländer erwies sich schließlich als tadelloser Ersatzmann - höchst verlässlich, beliebt in der Mannschaft, verhältnismäßig billig.

    Bleiben Stand jetzt noch zwei arrivierte Spieler für die Innenverteidigung: Die beiden flexibel einsetzbaren Hiroki Ito (25) und Josip Stanisic (25). Ito erlitt Ende März seinen zweiten Mittelfußbruch dieser Saison und wird erst zur neuen Saison zurückkehren. Er kann auch links verteidigen, Stanisic ist für alle Positionen in der Viererkette eine Option. Aufgrund der Verletzungen von Ito und Alphonso Davies (24) und der Formschwäche von Raphael Guerreiro (31) verteidigte er zuletzt links. Rechts ist Konrad Laimer (27) gesetzt, als Backup steht Sacha Boey (24) zur Verfügung. Genau wie Guerreiro gilt auch Boey als Verkaufskandidat.

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  • kim(C)Getty Images

    FC Bayern: Quantitativ okay - aber qualitativ?

    Was nun? Sofern sich abgesehen von Dier kein weiterer Verteidiger mehr verabschiedet, braucht es rein quantitativ nicht zwingend einen Neuzugang. Der hochtalentierte Linksverteidiger Adam Aznou (18) soll von seiner Leihe zu Real Valladolid zurückkehren und könnte in der kommenden Saison nominell den ersten Davies-Stellvertreter geben. "Es bringt nichts, wenn solche Talente auf ihrer Position nur Nummer 3 oder 4 sind", sagte Sportdirektor Christoph Freund im Interview mit SPOX. "Sie brauchen realistische Chancen auf Spielminuten bei den Profis."

    Die vier Innenverteidiger-Posten könnten Upamecano, Kim, Ito und Stanisic übernehmen. Bis zu Davies' Genesung müssten Ito und Stanisic auch links hinten aushelfen. Eigengewächs Tarek Buchmann (20) galt mal als großer Hoffnungsträger, ist seit fast zwei Jahren aber dauerverletzt. Ansonsten drängt sich kein Innenverteidiger-Talent aus der eigenen Jugend auf.

    Ob diese Besetzung aber auch qualitativ für die höchsten Ziele reicht, ist eine ganz andere Frage. Grundsätzlich würde die Verpflichtung eines hochkarätigen Innenverteidigers Sinn ergeben. Sie ist mit Blick auf den Sparzwang aber wohl nur dann realistisch, wenn gleichzeitig Transfer-Einnahmen generiert werden - zumal die Münchner unnachgiebig um Florian Wirtz buhlen.

    Boey oder Guerreiro könnten ein bisschen Geld bringen. Vor allem aber Kim: Er will zwar eigentlich nicht wechseln, für ihn dürfte es aber einen entsprechenden Markt geben. Dem Vernehmen nach sind der FC Chelsea, Newcastle United, Juventus Turin sowie Klubs aus Saudi-Arabien an Kim interessiert. Sollte sich bei Upamecano ein Scheitern der Vertragsverhandlungen anbahnen, bestünde diesen Sommer letztmals die Chance auf eine ordentliche Ablösesumme.

  • Dean Huijsen Bournemouth 2025Getty Images

    Huijsen, Tah, Araujo, Thiaw: Innenverteidiger-Kandidaten beim FC Bayern

    Interessante Nachfolger-Optionen gibt es immerhin reichlich. Die Entwicklungen auf dem Transfermarkt sind aber schwer absehbar, da gleich mehrere Topklubs Innenverteidiger abgeben wollen - und suchen. Wann fällt der erste Dominostein?

    Der womöglich spannendste Spieler auf dem Markt ist Dean Huijsen vom AFC Bournemouth. Der 20-jährige Spanier verfügt über eine Ausstiegsklausel in Höhe von 58 Millionen Euro, die laut Sky in drei Tranchen gezahlt werden kann. Dem Vernehmen nach gab es sogar schon einen Austausch zwischen dem FC Bayern und Huijsens Management. Auch der FC Liverpool, Chelsea und Real Madrid sollen interessiert sein.

    Real ist in der Abwehr von einer ähnlichen Verletzungsserie wie der FC Bayern geplagt. Zuletzt fielen innerhalb kürzester Zeit auch noch Antonio Rüdiger, David Alaba und Ferland Mendy aus. Éder Militão und Dani Carvajal fehlen schon länger mit Kreuzbandrissen. Sofern Chelsea bei Huijsen zuschlägt, fielen die Blues als möglicher Kim-Abnehmer we.

    Nachdem ein Transfer vergangenen Sommer knapp gescheitert war, gilt Jonathan Tah mittlerweile wieder als Kandidat beim FC Bayern. Nun wäre er ablösefrei, aber auch Inter Mailand und der FC Barcelona sind dran. Sofern es Tah nach Barcelona zieht, würde das wiederum einen Wechsel von Ronald Araujo wahrscheinlicher machen. Den 26-jährigen Uruguayer wollte Thomas Tuchel schon 2023 zum FC Bayern lotsen. Erst diesen Januar verlängerte er seinen Vertrag in Barcelona, ist mittlerweile aber nicht mehr unumstrittener Stammspieler. Araujo hat eine festgeschriebene Ablösesumme in Höhe von 65 Millionen Euro.

    Neben Huijsen, Tah und Araujo gilt Malick Thiaw als vierter Kandidat. Der 23-jährige Ex-Nationalspieler von der AC Milan wird aber auch in Leverkusen gehandelt - als möglicher Nachfolger von Tah.

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    Warum eigentlich nicht Nico Schlotterbeck?

    Der womöglich offensichtlichste Kandidat wurde aber noch gar nicht mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht: Nico Schlotterbeck. Nach einer überzeugenden Saison mit Borussia Dortmund könnte er mit 25 Jahren den nächsten Karriereschritt wagen. Zuletzt wurde Schlotterbeck bei Newcastle, Liverpool und Paris Saint-Germain gehandelt. Der BVB kämpft unterdessen vehement um eine Vertragsverlängerung.

    Als etablierter Nationalspieler würde Schlotterbeck (wie Wirtz) zum ewigen Münchner Bestreben vom FC Bayern Deutschland passen. Gerade in Dortmund bedient sich der FC Bayern traditionell ganz besonders gerne. Zudem ist Schlotterbeck - im Gegensatz zu den vier anderen Kandidaten - Linksfuß. Mit Ito verfügt der FC Bayern aktuell nur über einen linksfüßigen Innenverteidiger. Das große Problem bei Schlotterbeck: Aufgrund eines Meniskusrisses fällt er vermutlich bis Oktober aus. Neben Ito, Kim/Upamecano und Davies wäre er somit ein weiterer Verteidiger mit gesundheitlichen Fragezeichen.

    Fragen würde zudem Schlotterbecks Tempo aufwerfen, diese Problematik besteht aber auch bei allen anderen Kandidaten. Aufgrund seiner riskanter Spielweise mit hochstehender, mannorientierter Abwehr präferiert Trainer Vincent Kompany schnelle Innenverteidiger. Deshalb behielt der FC Bayern vergangenen Sommer Upamecano und Kim, während Matthijs de Ligt verkauft wurde.

    Mit ihrem jeweiligen Höchstgeschwindigkeiten zählen Upamecano und Kim in der aktuellen Champions-League-Saison tatsächlich zu den schnellsten Innenverteidigern Europas. Upamecano kam auf 34,6 km/h, Kim auf 34,5. Zum Vergleich: Tah (33,8), Araujo (33,2), Schlotterbeck, (32,9) und Thiaw (32,8) sind (teils deutlich) langsamer. Huijsen spielte mit Bournemouth nicht international, die Premier League veröffentlicht keine Höchstgeschwindigkeiten. Als ausgewiesener Sprinter gilt der 1,97 Meter große Schlaks jedenfalls nicht. Auch das allerhöchste Tempo schützt aber bekanntlich nicht vor schwerwiegenden Fehlern.