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Messi-Sündenbock und "vier Jahre Depressionen": Ex-Star des FC Barcelona kämpft um seine Karriere

Der OSC Lille schreibt in dieser Saison bemerkenswerte Geschichten. Im vergangenen Oktober etwa schlug man Real Madrid, das zuvor 37 Champions-League-Spiele in Folge nicht verloren hatte. Im Januar hüpfte man durch einen 6:1-Erfolg über Feyenoord Rotterdam von Platz zwölf aus als einziger französischer Klub direkt ins CL-Achtelfinale. Kurz darauf ging man im Coupe de France gegen USL Dunkerque baden, nachdem dem Zweitligisten ein irres Comeback gelang.

Und nun, am Sonntagabend, erzielte der kurz zuvor eingewechselte Nabil Bentaleb rund neun Monate nach einem erlittenen Herzstillstand den späten Führungstreffer beim 2:0-Auswärtssieg in Rennes. Der war wichtig, schließlich befindet sich das aktuell fünftplatzierte Lille in der Ligue 1 noch mitten im Rennen um die neuerliche Qualifikation zur Königsklasse.

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    Samuel Umtiti hat seit 13 Monaten nicht mehr gespielt

    Womöglich folgt in den nächsten Wochen abseits sportlicher Resultate eine weitere Episode, die lange nicht für möglich gehalten wurde. Samuel Umtiti ist nämlich kürzlich wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen.

    "Seine Fitness entwickelt sich gut. Es müssen noch einige Schritte unternommen und bestätigt werden, bevor wir ihn bei uns spielen sehen können, aber er scheint auf dem richtigen Weg zu sein", hatte LOSC-Trainer Bruno Genesio über den 31-Jährigen gesagt.

    Umtiti, Weltmeister von 2018 mit Frankreich, hat den unsteten vergangenen Jahren seiner Karriere auch in Lille ein weiteres schmerzhaftes Kapitel hinzugefügt. Letztmals stand er für die Doggen am 21. Januar 2024 in einem Pokalspiel auf dem Feld. Dort verletzte er sich am Knie - wie so oft in seiner von Blessuren nur so übersäten Laufbahn.

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    Samuel Umtiti dachte offenbar ans Karriereende

    In diesen fast 13 Monaten, in denen er zweimal operiert wurde, soll sich Umtiti mit Gedanken an ein vorzeitiges Karriereende herumgeplagt haben. Auch der Verein hatte offenbar überlegt, seinen Kontrakt vorzeitig aufzulösen. Nun könnte der Innenverteidiger tatsächlich in dieser Saison ein unverhofftes Comeback feiern, wenngleich wohl Kurzeinsätze das Höchste der Gefühle sein dürften.

    "Er hat sich sofort mit unserem Projekt identifiziert. Mit seiner Erfahrung, seinem unbändigen Siegeswillen und seinem Erfahrungsschatz wird Samuel auf und neben dem Platz viel bewirken", hatte Lilles Präsident Olivier Létang im Juli 2023 gesagt, als Umtiti nach seiner Vertragsauflösung beim FC Barcelona ablösefrei in Frankreichs Norden wechselte.

    Daraus wurde nicht im Ansatz etwas. Umtiti bestritt seither lediglich 13 Pflichtspiele über 710 Minuten. Dabei hatte in den Monaten vor seinem Transfer eigentlich alles gut ausgesehen. Umtiti war erstmals nach langer, langer Zeit wieder konstant fit und zeigte ordentliche Leistungen.

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    Samuel Umtiti wurde in Barcelona sofort Leistungsträger

    Dies tat er damals im Trikot des italienischen Erstligisten US Lecce, an den ihn Barcelona im Sommer 2022 auslieh. Für die Süditaliener absolvierte Umtiti 25 Spiele. 24-mal davon stand er in der Startelf, es war im Grunde seine erste volle und verletzungsfreie Spielzeit seit vier Jahren. Umtiti trug gerade im finalen Saisondrittel entscheidend dazu bei, dass die Apulier in der Serie A blieben.

    Bei Lecce war immer wieder zu sehen, was Umtiti einst so wertvoll für Barcelona und zu einem der besten Abwehrspieler Europas gemacht hat. Er bewies ein gutes Aufbauspiel, eine starke Physis und strahlte enorme Ruhe aus. Umtiti bestach seit jeher durch eine gewisse Schlichtheit in seinem Verteidigungsverhalten. Er brachte die vielzitierten Basics stets auf den Platz und konnte eine Abwehr gut organisieren.

    Als er 2016 nach vier Jahren bei Olympique Lyon für 25 Millionen Euro zu Barca ging, schaffte es Umtiti mit diesen Fähigkeiten ohne große Anpassungsschwierigkeiten in die Startelf der Katalanen. An der Seite von Gerard Piqué überzeugte er zwei Jahre lang und war aus Barcelonas Defensive nicht wegzudenken. 83 Pflichtspiele, davon 81 von Beginn an, kamen so für ihn bis dato zustande.

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    Samuel Umtiti bei Barcelona "einer der besten Verteidiger der Welt"

    Seinen Karrierehöhepunkt hatte Umtiti im Anschluss an die Saison 2017/18. Mit der Equipe Tricolore wurde er in Russland Weltmeister. In sechs von sieben Spielen stand er die kompletten 90 Minuten auf dem Platz, im Halbfinale gegen Belgien hatte er Frankreich ins Endspiel geköpft. Barcelona verlängerte seinen Vertrag bis 2023, die Ausstiegsklausel wurde auf 500 Millionen Euro erhöht. Der Klub bezeichnete Umtiti als "französische Mauer für die Gegenwart und die Zukunft" und als "einen der besten Verteidiger der Welt".

    Doch mehr oder weniger unmittelbar danach ging es mit ihm steil bergab. In den folgenden vier (!) Spielzeiten kam Umtiti auf insgesamt nur noch 50 Partien. Beinahe 20 Verletzungen musste er in dieser Phase verkraften, rund ein Viertel davon setzten ihn länger als zwei Monate außer Gefecht. Sehr häufig waren seine Knie betroffen.

    Parallel zu dieser nicht enden wollenden Leidenszeit wandelte sich die Wahrnehmung von Umtiti deutlich. Der anfängliche Publikumsliebling fiel in Ungnade, da er trotz zahlreicher Versuche seitens des Vereins nicht willens war, den Klub zu verlassen. Knapp über zwölf Millionen Euro soll Umtiti jährlich eingestrichen haben.

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    Samuel Umtiti wurde zum Sündenbock auserkoren

    "Ich kann mir nicht vorstellen, für einen anderen Verein zu spielen. Nein, das ist unmöglich", hatte er im Oktober 2021 verkündet. "Ich liebe diesen Verein und sehe mich hier. Ich warte auf meinen Moment." Doch der kam nicht, gleich mehrere Trainer setzten nicht auf den verletzungsanfälligen Spieler.

    Kurz zuvor wurde Umtiti gar von den eigenen Fans ausgepfiffen. Als er beim 3:0-Sieg gegen Juventus Turin im Joan-Gamper-Pokal eingewechselt wurde, bekam er die volle Breitseite ab. Umtiti ließ die Pokalübergabe sausen und meldete sich später auf Instagram zu Wort: "Manchmal ist es besser, nichts zu sagen und die Stille die Dinge regeln zu lassen." In spanischen Medien wurde Umtiti als Sündenbock ausgemacht, da er sich wohl weigerte, den finanziell klammen Katalanen mit einem Gehaltsverzicht entgegen zu kommen und somit eine Vertragsverlängerung von Lionel Messi vielleicht doch noch möglich zu machen.

    Nachdem Umtitis Wunschszenario, dass ein in der Champions League spielender Klub ihn verpflichtet, nicht eintrat, half er Barca im Januar 2022 doch noch. Der Dauerreservist verlängerte überraschend bis 2026 und verzichtete auf einen Teil seines Gehalts, wodurch es Barcelona möglich wurde, Neuzugang Ferran Torres bei der Liga zu registrieren.

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    "Vier Jahre lang mit Depressionen": Samuel Umtiti attackierte Barca

    Statt Königsklasse wurde es für Umtiti dann kurz darauf Klassenkampf in der Serie A. Während seiner Leihe zu Lecce lederte er gegen seinen eigentlichen Arbeitgeber: "Alles, was ich wollte, war es, mich wertgeschätzt, nützlich und respektiert zu fühlen. Aber in Katalonien hatte ich vier Jahre lang mit Depressionen zu kämpfen. Nicht nur im sportlichen Sinne, sondern auch im Alltag."

    Ob Umtitis Karriere nun noch einmal eine positive Wendung nehmen wird, zeigen die nächsten Wochen und Monate. Trainer Genesio hatte zuletzt mehrfach moniert, dass die Abgänge von Rafael Fernandes und Ousmane Touré nicht kompensiert wurden und er deshalb einen Innenverteidiger benötige.

    Umtiti, der kürzlich Vater geworden ist, könnte das fehlende Puzzleteil sein. Am Saisonende läuft sein Vertrag in Lille aus.

  • Samuel Umtiti: Seine Karriere im Überblick

    Zeitraum

    Verein

    Pflichtspiele

    Tore

    Vorlagen

    2011-2016

    Olympique Lyon

    170

    5

    3

    2016-2023

    FC Barcelona

    Union 133

    2

    1

    2022-2023

    US Lecce (Leihe)

    25

    -

    -

    seit 2023

    OSC Lille

    13

    -

    -

0