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"Trainer verboten": Palmeiras produziert Supertalente am Fließband - und verdient damit Unsummen

Estêvão forderte am rechten Flügel jeden Ball, Estêvão zog wieder und wieder ins Zentrum und suchte den Abschluss. Estêvão animierte die Fans mit wilden Handbewegungen zu mehr Anfeuerungen und seine bisweilen etwas lethargischen Kollegen zu mehr Einsatz. Estêvão hier, Estêvão dort. Ohne Zweifel war er der auffälligste Spieler auf dem Platz.

Doch es nutzte alles nichts: Palmeiras verlor am letzten Spieltag der brasilianischen Liga überraschend mit 0:1 gegen Fluminense und somit auch das Fernduell um den Meistertitel mit Botafogo. Weil der Klub aus Rio de Janeiro zeitgleich gegen den FC São Paulo gewann, hätte Palmeiras bei drei Punkten Rückstand aber auch ein Sieg nicht zum Titel gereicht.

Dass Palmeiras überhaupt noch Chancen hatte, lag übrigens an: Estêvão. Am vorletzten Spieltag schoss er seine Mannschaft in der letzten Minute per direktem Freistoß zum Sieg. In diesem hochspannenden Meisterschaftsfinale zeigte sich ganz offensichtlich, welch herausragenden Stellenwert das Supertalent trotz seiner erst 17 Jahre bei Palmeiras bereits hat.

Die prägenden Auftritte Estêvãos symbolisieren Palmeiras' Entwicklung ganz wunderbar: Der Klub aus São Paulo avancierte in jüngerer Vergangenheit mit zwei Copa-Libertadores-Triumphen (2020, 2021) und zwei Meistertiteln (2022, 2023) nämlich nicht nur zu Brasiliens dominierendem Klub - sondern vor allem auch zu einer der weltbesten Talentschmieden.

  • Vitor ReisGetty

    Nach Endrick und Estêvão: Europas Top-Klubs buhlen um Reis

    Die vorletzte Saison gehörte Endrick, der sich mit elf Scorerpunkten für einen Wechsel zu Real Madrid empfahl. 47 Millionen Euro zahlten die Königlichen im Sommer für den 18-jährigen Stürmer. In Madrid kam er bis dato aber noch nicht über Kurzeinsätze hinaus. Gleichzeitig wechselte der gleichaltrige Luis Guilherme für 23 Millionen Euro zu West Ham United.

    Daraufhin übernahm Estêvão und überbot seine Vorgänger sogar deutlich: Seine 22 Scorerpunkte sind ein neuer Bestwert für einen U18-Spieler in der brasilianischen Meisterschaft - vorheriger Rekordhalter war ein gewisser Neymar. Estêvão wird kommenden Sommer für 34 Millionen Euro zum FC Chelsea wechseln, der Transfer ist schon seit Wochen fix. Endrick, Guilherme und Estêvão sind die drei teuersten Abgänge aus der brasilianischen Liga der vergangenen zwei Jahre.

    Mit Vitor Reis, der das abschließende Saisonspiel wegen einer Gelbsperre verpasste, hat Palmeiras noch einen heiß umworbenen Spieler im Angebot. In Brasilien wird der 18-jährige Innenverteidiger bereits als neuer Marquinhos gehandelt. Laut The Athletic sind Real Madrid, Barcelona, Arsenal, Chelsea und Liverpool an ihm interessiert.

    Erst vergangenen Sommer verlängerte Reis bis 2028 bei Palmeiras. Dem Vernehmen nach beinhaltet sein Vertrag eine Ausstiegsklausel in Höhe von 100 Millionen Euro. Womöglich bringt Reis noch mehr Geld ein als alle bisherigen Abgänge. Nach eigener Auskunft will er aber noch mindestens bis zur Klub-WM im kommenden Sommer bei Palmeiras bleiben. Auch Estêvão verabschiedet sich erst nach dem Turnier zu Chelsea.

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  • Gabriel Jesus - Palmeiras x Figueirense 3006Cesar Greco / Fotoarena

    João Paulo Sampaio formte Palmeiras' Talentschmiede

    Historisch gesehen zählt Palmeiras' Akademie nicht zu den ertragreichsten Brasiliens. Sogar die beiden großen Lokalrivalen Corinthians und FC São Paulo brachten in der Vergangenheit mehr Stars hervor. Der FC Santos aus der nahen Hafenstadt sowieso, er ist die Heimat von Pelé und Neymar.

    Als Wendepunkt gilt die Verpflichtung von Jugendkoordinator João Paulo Sampaio im Jahr 2015. Er ist der Architekt hinter Palmeiras' Talentschmiede. Sampaio erhöhte die Anzahl an Trainern und Scouts eklatant, professionalisierte die Strukturen, forcierte Teilnahmen der Jugendmannschaften an internationalen Turnieren und glänzt vor allem mit kreativen Ideen. Unter anderem ließ er an der Akademie einen staubigen Hartplatz errichten und davor zwei Schilder aufstellen. "Trainer verboten" und "Raum der Freiheit, Improvisation und Autonomie". Ohne Anleitung und Regeln sollen sich die Talente hier ausleben.

    Palmeiras' Ausgaben für den Nachwuchsbereich verdoppelten sich seit Sampaios Ankunft auf rund fünf Millionen Euro. Möglich war das auch dank des finanziellen Engagements der Bank Crefisa, die Palmeiras seit 2015 sponsert und mit Leila Pereira die amtierende Klubpräsidentin stellt.

    Der neue Fokus auf die Förderung des Nachwuchses sollte sich schnell auszahlen. 2017 verkaufte Palmeiras den 19-jährigen Gabriel Jesus für 32 Millionen Euro an Manchester City, mittlerweile spielt er für den FC Arsenal. Seitdem folgten fast jährlich lukrative Transfers.

  • Estevao Willian MessinhoGetty

    Palmeiras "Milliarden-Generation": Drei sind schon verkauft

    Zu Palmeiras' Erfolgsrezept gehört auch, dass die hauseigenen Talente früh Einsatzchancen bei den Profis bekommen. 2020 bot der damalige Trainer Vanderlei Luxemburgo in einem Spiel sieben Eigengewächse gleichzeitig auf. Sein Nachfolger Abel Ferreira führte die jetzt schon legendäre "Milliarden-Generation" an die Profimannschaft heran.

    Endrick und Estêvão spielten 2022 gemeinsam mit den Mittelfeldspielern Guilherme und Thalys sowie Innenverteidiger Fellipe Jack für Palmeiras' U17. Bereits damals galten die fünf Linksfüßer als große Hoffnungsträger. "Wenn wir nicht mindestens 200 Millionen Euro mit diesen U17-Linksfüßern verdienen, kann man uns wegschicken, weil wir inkompetent sind", sagte Sampaio. 200 Millionen Euro entsprachen zu diesem Zeitpunkt in etwa einer Milliarde brasilianischer Real.

    Endrick, Estêvão und Guilherme brachten zusammen bereits 102,5 Millionen Euro ein. Jack spielt aktuell per Leihe bei Como Calcio und sammelte dort schon erste Einsatzminuten in der italienischen Serie A. Thalys führte Palmeiras U20 gerade zum zweiten brasilianischen U20-Meistertitel innerhalb von drei Jahren. An der Seite des 18-jährigen Stürmers Luighi, der sogar schon bei den Profis debütiert hat.

    Umworben sind aber längst nicht mehr nur Palmeiras' Talente, umworben ist auch der Architekt hinter ihrem Aufstieg: João Paulo Sampaio. Dem Vernehmen nach wollte ihn der Lokalrivale Corinthians schon mehrmals abwerben. Zuletzt soll sich auch der größte Klub Brasiliens Flamengo Rio de Janeiro um ihn bemüht haben. Anders als seine Zöglinge widerstand Sampaio bisher aber allen Avancen.

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