Tiefer Fall nach Hochphasen: Wie nachhaltig ist die Formstärke von Karim Adeyemi beim BVB?

Nun sind ein paar weitere Monate vergangen, eine Niederlage gab es seit Adeyemis Aussage nicht mehr für den BVB. Das Traktieren des Allerwertesten scheint also weiter Bestand zu haben und zum Erfolg zu verhelfen. Doch vielmehr scheint es, als habe Adeyemi damals vor allem von sich selbst gesprochen.

"Ich mag seine Art sehr", hatte er damals über Kovac gesagt und angesichts dessen spezieller "Behandlung" geschlussfolgert: "Das hat mich stärker gemacht - und das will ich nun zeigen." Das gelingt Adeyemi seitdem derart gut, dass Sportdirektor Sebastian Kehl kürzlich sogar regelrecht schwärmte: "Im Moment ist er wohl der beste Adeyemi, den wir hier bis dato gesehen haben."

Was das Gesamtpaket angeht, das Adeyemi derzeit auf den Rasen bringt, ist Kehls Einschätzung richtig. Starke Phasen hatte der Flügelstürmer in seinen bislang drei Spielzeiten in Dortmund immer wieder, doch es war seine mangelnde Konstanz, die letztlich stets die Oberhand behielt. Adeyemi kickte zu häufig phlegmatisch, mit schwacher Körpersprache, manches Mal schlicht unseriös.

Unter Kovac tat er das so gut wie noch nie, in der laufenden Saison beweist Adeyemi eher in Regelmäßigkeit das Gegenteil. Er bringt viel Energie ins Spiel ein, geht weite Wege in die Defensive, bleibt dann unerbittlich an seinen Gegenspielern dran und glänzt in der Offensive mit vielen klugen Entscheidungen sowie wichtigen Torbeteiligungen.

Beim 4:1 am Mittwochabend gegen Bilbao stellte Adeyemi mit seiner Vorlage zum 1:0 gar einen persönlichen Rekord auf. Mit drei Treffern und nun drei Vorlagen war er erstmals für Dortmund in fünf Pflichtspielen in Folge an mindestens einem Tor direkt beteiligt. Seine Bilanz unter Kovac: Zehn Buden und acht Assists in 32 Partien.

Die Arschtritte des Trainers erfolgen ähnlich konstant, wie Adeyemi derzeit seine Leistung bringt. Für allzu große Jubelarien sorgt seine Entwicklung bei Kovac jedoch noch nicht. "Ich rede mit Karim am häufigsten, weil ich von seinen Qualitäten sehr, sehr überzeugt bin. Er hat so viel in sich", sagte der Coach zuletzt, schränkte aber auch weiter ein: "Er muss verstehen, dass Fußball nicht nur in eine Richtung funktioniert, sondern auch in die andere. Da bin ich pausenlos dran, ihn zu bearbeiten. Ich sehe, dass er Fortschritte macht, aber als Trainer ist man nie zufrieden."

Die Fortschritte lassen sich auch an anderen Statistiken ablesen. Alle 68,5 Minuten ist Adeyemi momentan an einem Tor beteiligt. Nach fünf Bundesligaspieltagen steht er nun bei zwei eigenen Treffern - für das jeweils dritte Saisontor brauchte er bislang in Dortmund 21, 27 und zuletzt 24 Partien.

Adeyemi bekommt von Kovac einen Reifeprozess verordnet, der notwendig war und erst am Anfang steht. Es ist ein gutes Zeichen, dass der Spieler das selbst ähnlich sieht. "Ich habe jetzt fünf Spiele ganz gut gespielt", sagte Adeyemi vor ein paar Tagen. "Da kann man aber noch nicht sagen, das ist konstant."

Dem neunfachen deutschen Nationalspieler kommt natürlich auch zugute, dass es beim BVB nun ziemlich gut läuft. Glänzt das Team, glänzen auch Einzelne - allen voran Akteure mit solch großem Potenzial wie der pfeilschnelle, abschlussstarke Adeyemi.

"Das Einzige, was ich brauche, ist, mich gut zu fühlen. Mein Spiel beruht auf Vertrauen und Selbstbewusstsein von den Mitspielern und vom Trainer - das spüre ich. Der Trainer erwartet von mir, dass ich defensiv mitmache. Ich glaube, das mache ich relativ gut", sagte er und verriet auch, weshalb derzeit auch die eigene Torquote wie die eines Offensivspielers aussieht: "Vorne versuche ich, meine Sachen zu machen. Wenn mir da niemand reinredet, läuft es bei mir besser."

Kovac scheint bei Adeyemi also eine gute Balance zu finden zwischen nötiger Ansprache und auch dem bewusstem Schweigen, um den Feingeist im vorderen Drittel seine fußballerische Intuition ausleben zu lassen. In diesem Einklang "muss es weitergehen", weiß Adeyemi. Zu oft hat er im Dortmunder Trikot eben wieder schneller enttäuscht als ihm lieb war.

"Karim kann sich steigern und er muss sich steigern. Auch in seiner persönlichen Entwicklung wird er weiterkommen müssen," forderte Kehl zuletzt noch Anfang März. Adeyemi hatte zuvor mal wieder ein schwaches erstes Halbjahr hinter sich und lieferte Schlagzeilen außerhalb des Platzes. "Die ganze Hinrunde war turbulent, nicht nur fußballerisch. Ich stand zu oft im Mittelpunkt wegen Sachen, die dort eigentlich nicht hingehören. Es waren schwierige Zeiten", bekannte er damals.

Nachdem er in seinen ersten zwei Spielzeiten bei der Borussia beide Male so gut wie denselben Saisonverlauf durchlebte - vereinfacht gesagt: Erst schlecht, dann besser und teils richtig gut, dennoch auch da mit groben Ausreißern nach unten -, fand Adeyemi bereits in der Vorsaison gut hinein. Fünf Tore und vier Vorlagen standen zum mit heute vergleichbaren Zeitpunkt auf dem Konto, dann riss er sich am 1. Oktober nach einem Dreierpack in der CL gegen Celtic die Muskelfasern.

Auch in dieser Hinsicht benötigt er künftig eine größere Stabilität, bislang fiel Adeyemi in jeder seiner BVB-Spielzeiten für längere Zeit aus. Bleibt er nun vielleicht auch mal eine gesamte Saison über verletzungsfrei und auf dem Platz an "seinen" Themen dran, ist mit Blick auf die WM im kommenden Jahr auch eine prominentere Rolle in der Nationalelf drin.

Genauso wie ein lukrativerer Vertrag in Dortmund. Der aktuelle ist noch bis 2027 datiert, zuletzt lagen Adeyemi regelmäßig Offerten aus dem Ausland vor. "Wir werden uns natürlich strecken müssen, um solche Spieler zu halten", kommentierte Kehl zuletzt recht allgemein die Lage. Erste Gespräche mit Adeyemi soll es bereits gegeben haben.

Doch zu vorschnell sollten die Verantwortlichen auch nicht handeln. Schließlich befindet sich Adeyemi gewissermaßen in der Bringschuld, seine positive Entwicklung in den nächsten Monaten auch zu verstetigen. Nach jeder seiner Hochphasen kam bislang stets ein tiefer Fall. Kovac wird wohl noch ein paar Mal zutreten müssen.