Der legendäre Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt hadert mit seinem leisen Ende beim FC Bayern München. Nach insgesamt 43 Jahren verließ der heute 82-Jährige den deutschen Rekordmeister 2020 ohne große Verabschiedung.
Getty Images"Tief getroffen": Legendärer Mannschaftsarzt Müller-Wohlfahrt tritt gegen den FC Bayern München nach
WAS WURDE GESAGT?
"Wissen Sie, wie oft ich von Bayernmitgliedern die Frage gehört habe, warum es keine Standing Ovations, keine Blasmusik, kein Abschiedsgeschenk, kein Essen, keine Geste gegeben habe? Meine Reaktion darauf: Die Antwort kann nur der Verein geben", sagte Müller-Wohlfahrt in einem Interview mit dem Münchner Merkur.
Müller Wohlfahrt bestätigte, nach seinem Abschied vom FC Bayern in ein Loch gefallen zu sein. "Tief getroffen haben mich menschliche Enttäuschungen", sagte er. Er betonte aber auch, dass "zu Uli (Hoeneß) und einigen anderen nach wie vor ein freundschaftliches Verhältnis besteht".
Imago ImagesWAS IST DER HINTERGRUND?
Müller-Wohlfahrt begann seine Tätigkeit beim FC Bayern im April 1977 und fungierte zunächst bis 2015 als Mannschaftsarzt. Nach einer Auseinandersetzung mit dem damaligen Trainer Pep Guardiola kam es zur ersten Trennung - ausgerechnet während sein großer Fürsprecher Hoeneß eine Haftstrafe abbüßte.
"Unter Jürgen Klinsmann wollte ich schon mal hinschmeißen, da hat Uli Hoeneß gesagt: 'Kommt gar nicht infrage! Halt dich vorübergehend etwas zurück, aber Du bleibst bei uns'", berichtete Müller-Wohlfahrt. "Unter Guardiola aber musste ich handeln, Uli war nicht verfügbar. Der fürchterliche Eklat in Porto hat mich tief getroffen. Von der anwesenden Vereinsführung hätte ich mir aufgrund meiner Verdienste Rückendeckung erwartet. Ich hätte Schuld an der Niederlage, lautete der Vorwurf. Das ist doch absurd! Das konnte ich nicht akzeptieren."
2016 verließ Guardiola den FC Bayern, kurz darauf kehrte Müller-Wohlfahrt zurück. "Als Pep verabschiedet war, flehte man mich nach eineinhalb Jahren an zurückzukommen und wieder Ordnung in die medizinische Abteilung zu bringen. Eigentlich war ich da schon an einem Punkt, an dem ich offen für Neues war, für Amerika, für andere Sportarten", erzählte er. "Aber Uli und Brazzo (Sportvorstand Hasan Salihamidzic) kamen und sagten: 'Der Verein braucht Dich, die Mannschaft braucht Dich, bitte hilf uns!' Da bin ich schwach geworden." Drei weitere Jahre später verließ Müller-Wohlfahrt den FC Bayern für immer.
Aus der Ferne fremdelt er mit seinem langjährigen Arbeitgeber. "Wenn ich mir die Mannschaft heute ansehe, fehlt mir die Identifikation zahlreicher Spieler mit dem Verein. Es ist ein Gefühl! Der FC Bayern war eine Familie, heute ist er aber mehr und mehr zu einem Großunternehmen geworden. Die Spieler rangieren auf einer Werteskala je nach Ablösesumme." Auch der legendäre Slogan "Mia san mia" gehört für ihn "eher der Vergangenheit an. Ich glaube: Nur noch wenige Spieler spüren dieses Gefühl."

