Paul NebelGetty Images

Sein Trainer kündigte bereits einen "80-Millionen-Euro"-Transfer im kommenden Sommer an: Ein deutscher Nationalspieler ist das Gesicht einer großen Krise

Die erste Enttäuschung dieser bisher völlig verkorksten Saison konnte Paul Nebel vermutlich noch ganz gut wegstecken. Zum Bundesliga-Auftakt hatte er mit Mainz 05 eine überraschende 0:1-Heimniederlage gegen Aufsteiger Köln kassiert, war zu allem Überfluss wegen einer Notbremse nach einer Stunde auch noch mit Rot vom Platz geflogen. Doch drei Tage nach dem Fehlstart durfte sich Nebel dann über ein ganz besonderes Highlight freuen.

Bundestrainer Julian Nagelsmann nominierte den Mittelfeld-Wirbler für die WM-Qualifikationsspiele Anfang September erstmals für die deutsche A-Nationalmannschaft. "Paul Nebel ist einer der auffälligsten Offensivspieler der vergangenen Spielzeit, in Mainz hat er eine sehr gute Saison gespielt mit einer guten Quote", lobte Nagelsmann und schob nach: "Er ist auch ein guter Spieler für unsere Trainingseinheiten, weil er eine gewisse Unbekümmertheit mitbringt."

Von jener Leichtigkeit, die Nebel in den erlauchten Kreis der besten deutschen Spieler gebracht hat, ist seither aber nicht viel übrig geblieben. Stattdessen gehen ihm Unbekümmertheit und Spielwitz allzu häufig vollkommen ab in einer Spielzeit, deren beinharte Realität aktuell heißt: Abstiegskampf, Tabellenletzter, Ernüchterung statt Euphorie. Und Nebel ist eines der Gesichter der großen Mainzer Krise.

  • Bis vor einigen Monaten sah das für Spieler und Verein noch gänzlich anders aus. Denn vergangene Saison war Nebel noch eines der Gesichter des Erfolges bei den 05ern. 

    Zwei Leihjahre beim Karlsruher SC in der 2. Liga hatten dem Mainzer Eigengewächs in seiner Entwicklung enorm gut getan. Nebel kehrte im Sommer 2024 zurück, erarbeitete sich nach und nach einen Stammplatz, trug das Mainzer Offensivspiel mit seiner Wendigkeit, seinem erstklassigen Dribbling und seiner Kreativität auf engem Raum entscheidend mit.

    "Paul kam in die Mannschaft, als hätte er in den vergangenen fünf Jahren in der Bundesliga gespielt", lobte Mainz-Torwart Robin Zentner den Durchstarter im Aktuellen Sportstudio des ZDF. Nach und nach wurde Nebel auch immer effektiver, machte Tore und bereitete vor. Zehn Treffer und sechs Assists standen am Ende der Spielzeit 2024/25 zu Buche, während derer die Rheinhessen zwischenzeitlich sogar von der Champions League träumen durften und sich letztlich für die Conference League qualifizierten.

    Spätestens, als sich Nebel bei der U21-EM im Sommer dann auch auf internationaler Bühne ins Schaufenster stellte, galt er als Kandidat, möglicherweise Brajan Gruda (2024 für 31,5 Millionen Euro Ablöse zu Brighton & Hove Albion gewechselt) als Rekordtransfer der Mainzer abzulösen. 

    Ebenso wie im Verein wirbelte Nebel bei der EM auch für die DFB-Junioren, erreichte mit ihnen das Finale. Dort glänzte der 1,69-Meter-Mann gegen England mit wunderbarer Vorarbeit für den 1:2-Anschlusstreffer durch Klubkollege Nelson Weiper, später traf er sehenswert selbst zum zwischenzeitlichen 2:2. Für den EM-Titel reichte es zwar nicht, da die Engländer in der Verlängerung zum 3:2-Endstand trafen - doch Nebel hatte sich beim Turnier in der Slowakei ganz sicher in den Notizblock so mancher Topklubs gespielt.

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  • Paul Nebel of 1.FSV Mainz 05 controls the bGetty Images

    Paul Nebel? "Können ihn nächstes Jahr für 80 Millionen Euro verkaufen"

    "Ich bin ja jetzt erst wieder ein Jahr wieder zurück, habe einen Vertrag unterschrieben und fühle mich pudelwohl. Ich bin Mainz-05-Spieler. Und ich bin sehr zufrieden", hatte sich Nebel, dessen Kontrakt bis 2027 datiert ist, schon zuvor gegenüber der Allgemeinen Zeitung zu seinem Arbeitgeber bekannt. 

    Mainz-Trainer Bo Henriksen schlug da im Sommer schon forschere Töne an - und ließ sich zu einer Aussage hinreißen, die aktuell ziemlich schlecht gealtert erscheint: "Es ist sehr wichtig für Paul, noch mehr zu spielen, sich noch ein Jahr hier bei uns weiterzuentwickeln – und dann können wir ihn nächstes Jahr für 80 Millionen verkaufen", tönte Henriksen bei einer Medienrunde und fügte an, dass sein Edeltechniker sogar 100 Millionen Euro wert wäre, wenn er bei einem Verein der Größenordnung Borussia Dortmund oder VfB Stuttgart spielen würde.

    Von einem 80-Millionen-Transfer ist Nebel inzwischen aber weit entfernt, ebenso wie von einer weiteren Berufung in die deutsche Nationalmannschaft. Zu seinem Länderspieldebüt war er im September nicht gekommen, sowohl beim 0:2 in der Slowakei als auch beim 3:1 gegen Nordirland saß er jeweils 90 Minuten lang auf der Bank. Im Oktober und November nominierte Nagelsmann Nebel dann nicht erneut, was aufgrund der negativen Entwicklung der zurückliegenden Monate auch keineswegs verwundert.

    Natürlich ist die Gesamtsituation für Nebel äußerst undankbar: In einer völlig verunsicherten Mainzer Mannschaft, für die 2025/26 zumindest auf nationaler Ebene noch überhaupt nichts zusammen läuft, der die Doppelbelastung zusetzt und die mit gerade einmal sechs Punkten aus den ersten zwölf Spielen Tabellenschlusslicht ist, fällt es eben schwer zu glänzen. Nebel muss sich derweil ankreiden lassen, dass er momentan nicht dazu in der Lage ist, der Unterschiedsspieler zu sein, der er vergangenen Saison so häufig war. Das Erfrischende seines Auftretens ist verschwunden, Dynamik und Durchschlagskraft sind dem Beinahe-Nationalspieler abhanden gekommen.

  • Paul Nebel sammelte in der laufenden Spielzeit mehr Platzverweise als Scorer

    "Paul Nebel ist in einer sehr, sehr guten Form. Er kann den Unterschied ausmachen", hoffte Henriksen noch Mitte September, als Nebel nach seiner Rotsperre zurückkehrte und den Rheinhessen endlich die Wende nach nur einem Punkt aus den ersten drei Spielen bringen sollte. Kurzzeitig erfüllte sich diese Hoffnung sogar, bei Nebels Rückkehr feierten die Mainzer mit dem 4:1 in Augsburg ihren ersten und bisher einzigen Saisonsieg in der Bundesliga.

    Nebel traf dabei zum zwischenzeitlichen 3:0, die 05er schienen auch dank ihm mit leichter Verspätung in der Saison angekommen. Doch der Treffer gegen Augsburg ist bis dato Nebels einzige direkte Torbeteiligung in dieser Bundesligaspielzeit, hinzu kommt wettbewerbsübergreifend lediglich noch ein Assist in der Conference-League-Qualifikation gegen Rosenborg Trondheim Ende August. Seit knapp zweieinhalb Monaten war der 23-Jährige also an keinem einzigen Treffer mehr direkt beteiligt.

    Vorläufiger Tiefpunkt der unglücklichen Lage war der Bärendienst, den Nebel seiner Mannschaft beim 0:4 in Freiburg am vergangenen Sonntag erwies. Schon nach knapp einer halben Stunde sah er nach einem unnötigen und ungestüm wirkenden Einsteigen gegen SCF-Verteidiger Philipp Lienhart die Rote Karte. In Unterzahl hatte Mainz beim Stand von 0:2 dann überhaupt keine Chance mehr, noch einmal ins Spiel zurückzufinden.

    Es war bereits das zweite Rot für Nebel in 2025/26, damit hat er in dieser Liga-Saison derzeit mehr Platzverweise als Scorerpunkte auf dem Konto. Und an dieser Hinausstellung wird er sicherlich etwas länger zu knabbern haben als an jener vor gut drei Monaten.

  • Paul nebel germany U21 2025Getty Images

    Paul Nebel: Die Zahlen zu seiner bisherigen Saison 2025/26

    • Einsätze: 18
    • Tore: 1
    • Assists: 1
    • Rote Karten: 2
    • Gelbe Karten: 4