Erhan ÖnalImago

Beim FC Bayern München schrieb er "Fußballgeschichte", bei Galatasaray wurde er zum "Priester" - und sein Sohn arbeitet für den DFB

Einst Mesut Özil, die Altintop-Brüder Hamit und Halil, Hakan Calhanoglu und Ilkay Gündogan. Heute Emre Can, Deniz Undav und Can Uzun. Deutsch-türkische Fußballer gehören zur Bundesliga wie die Samstags-Konferenz, Bier, Uli Hoeneß und Bratwurst. Das war aber nicht immer so. Erst brauchte es einen Pionier, sein Name: Erhan Önal.

  • Erhan Önal empfiehlt sich für größere Aufgaben beim FC Bayern

    1957 im türkischen Izmir geboren, übersiedelte Önal im Alter von sieben Jahren mit seiner Familie nach München. Just während der ersten Bundesligasaison 1964/65. Schicksal? Seine Eltern gründeten in der neuen Heimat ein Bauunternehmen, Önal lernte deutsch und bei den Münchner Stadtteilklubs SV Schwarz-Weiß und TSV Ost das Kicken. Als er 16 Jahre alt war, überredete ihn ein Freund zu einem Probetraining beim FC Bayern. 1973 war das, die Münchner hatten mit Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller gerade den Meistertitel gewonnen und standen unmittelbar vor ihrem europäischen Triumphzug.

    Tatsächlich bekam Önal einen Vertrag für die Reservemannschaft und empfahl sich nach und nach für größere Aufgaben. Im Herbst 1976 stand er beim ersten Weltpokal-Sieg gegen Cruzeiro Belo Horizonte aus Brasilien im Kader, kam aber nicht zum Einsatz. Anfang 1977 traf er in einem legendären DFB-Pokal-Achtelfinale mit der Reserve auf die erste Mannschaft des FC Bayern. Als Libero spielte Önal neben dem jungen Klaus Augenthaler und erzielte sogar ein Tor. Dank eines Viererpacks von Gerd Müller setzten sich die Profis aber dennoch mit 5:3 durch.

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    "Priester Erhan" erlebte seine beste Zeit bei Galatasaray

    Daraufhin rückte Önal fest zur ersten Mannschaft und schaffte es somit als erstes türkisches Migrantenkind in die Bundesliga. In insgesamt 21 Pflichtspielen für den FC Bayern gelang ihm ein Tor. "Erhan Önal war bei uns in der Mannschaft und unseren Fans sehr beliebt", erzählte sein damaliger Kollege Karl-Heinz Rummenigge später. "Er sagte immer: 'Ich bin ein bayerischer Türke.'" Rummenigge erinnert sich an einen "sehr lustigen, extrem sympathischen Menschen".

    In Ermangelung regelmäßiger Einsatzchancen verabschiedete sich Önal 1979 vom FC Bayern und wechselte zum belgischen Topklub Standard Lüttich. Kurz darauf debütierte er für die türkische Nationalmannschaft. In der Qualifikation für die EM 1980 ging es ausgerechnet gegen Deutschland. Auf ein sensationelles 0:0 in Istanbul folgte ein 0:2 im Gelsenkirchener Parkstadion - vor den Augen tausender türkischer Gastarbeiter.

    Nach einer schweren Verletzung kehrte Önal bald wieder nach München zurück, wo er beim unterklassigen Amateurklub Türkgücü sein Comeback feierte. Dann erinnerte sich Jupp Derwall an Önal. Als Bundestrainer war er ihm bei den Länderspielen gegen die Türkei aufgefallen. Nun suchte Derwall Verstärkungen für seinen neuen Arbeitgeber Galatasaray Istanbul und verpflichtete Önal.

    In der Heimat seiner Vorfahren verbrachte Önal fortan die erfolgreichste Zeit seiner Karriere: Er mauserte sich zum Stammspieler, gewann zwei Meistertitel, einen Pokal und bekam wegen seines Barts den Spitznamen Papaz Erhan. Zu Deutsch: Priester Erhan. An seiner Seite bei Galatasaray spielte Ugur Tütüneker. Auch er stammt aus der Jugend des FC Bayern, als erster Spieler überhaupt wechselte er direkt vom deutschen zum türkischen Branchenprimus. Drei weitere sollten folgen: Berkant Göktan 2001, Eyüp Aydin 2023 - und nun Leroy Sane.

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    Erhan Önals Sohn Patrick Mölzl arbeitet für den DFB

    Önal blieb Galatasaray nach seinem Karriereende 1992 als Funktionär erhalten, später arbeitete er auch als Sportlicher Leiter für den Ligarivalen Göztepe. In Deutschland machte unterdessen sein Sohn Karriere. Patrick Mölzl stammt aus Önals erster Ehe mit einer Deutschen. Als er vier war, trennten sich seine Eltern. Mölzl kehrte mit seiner Mutter aus Istanbul nach München zurück. Der Kontakt zum Vater brach zwischenzeitlich ab, erst als Teenager fanden sie wieder zueinander.

    Mölzl spielte in der Jugend für den TSV 1860 und den FC Bayern, zu Profieinsätzen beim Ex-Klub seines Vaters reichte es aber nicht. Dafür aber in der 2. Bundesliga für die SpVgg Greuther Fürth, den FC Augsburg und den FC Ingolstadt. Nach seinem Karriereende coachte Mölzl zunächst Wacker Burghausen, ehe er als Co-Trainer bei Dynamo Dresden und der Red-Bull-Filiale FC Liefering in Österreich arbeitete. Seit 2024 ist er in selber Funktion für die deutsche U16-Nationalmannschaft tätig.

    Sein Vater erlitt 2011 eine Gehirnblutung und starb 2021 im Alter von 63 Jahren. "Der FC Bayern ist in Trauer mit den Angehörigen von Erhan Önal vereint", sagte Präsident Herbert Hainer damals. "Er wird immer ein Teil dieses Vereins sein und hat ein Stück deutsche Fußballgeschichte geschrieben."

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