Schon wieder am Scheidepunkt: Der "türkische Messi" ist das Gegenteil von seinem Ex-BVB-Kameraden Ousmane Dembele

Beide Offensivspieler waren gerade 19 Jahre alt geworden. Die Vorschusslorbeeren bei Mor waren damals, heute kaum noch vorstellbar, um einiges größer als bei Dembele. Als "türkischer Messi" kam Mor nach einem halben Jahr als Profi in Dänemark zum BVB, hatte für die Türkei als junger Shootingstar aber soeben an der EM teilgenommen. Dembele wies zwar schon etwas mehr Profi-Erfahrung auf, seine erstmalige Einladung ins französische Nationalteam sollte zudem bald folgen, doch um Mor gab es europaweit einen regelrechten Hype.

Dass sich beide Karrieren seitdem extrem unterschiedlich, beinahe schon komplett konträr, entwickelten, war in Dortmund in diesem Ausmaß noch nicht abzusehen. Doch es gab natürlich bereits erste Hinweise. Während Dembele, der zuletzt als Champions-League-Sieger mit PSG den Ballon d'Or gewann, bärenstarke 31 Torbeteiligungen in 50 Pflichtspielen für die Dortmunder zustande brachte, kam Mor nur auf ein Fünftel dessen Spielzeit.

Das wäre für den mittlerweile 28-jährigen Türken nun schon ein Lichtblick. Nach Stationen bei Celta Vigo, Galatasaray (Leihe), Olympiakos Piräus (Leihe) und Fatih Karagümrük (Leihe) zahlte Fenerbahce 2022 zwei Millionen Euro Ablöse für Mor an die Spanier. Zum Vergleich: Dembele ging ein Jahr später für 50 Millionen Euro von Barcelona nach Paris, zuvor hatte er schon der Borussia 148 Millionen Euro eingebracht.

Beim Istanbuler Traditionsklub, der mittlerweile vom Italo-Schwaben Domenico Tedesco trainiert wird, steht Mor noch immer und bis 2026 unter Vertrag. Doch: Er spielt nicht. Weil er zur laufenden Saison gar nicht erst für den Spielbetrieb gemeldet wurde. Über die Gründe dafür schwieg sich Fener aus. Doch ein türkischer Journalist will nun erfahren haben, was Sache ist.

"Emre Mor soll ein Magenproblem gehabt haben", sagte Aydin Cingöz kürzlich in einem Format bei YouTube. "Man schickte ihn ins Amerikanische Krankenhaus, stellte die Diagnose und begann die Behandlung. Er wird sehr bald auf das Feld zurückkehren."

Damit erklärt sich allem Anschein nach auch, weshalb der nun bis Anfang Januar nicht spielberechtigte Mor nicht schon längst bei einem neuen Verein unterschrieben hat. Fenerbahce wollte ihn nämlich, damals noch unter Trainer Jose Mourinho, aufgrund der üppigen Kadergröße im Sommer loswerden. Zudem gab es in der Türkei zahlreiche Interessenten für den 1,69 Meter kleinen, dribbelstarken Mor.

Am konkretesten war es bei Trabzonspor, das Mitte August angeblich 800.000 Euro für ihn geboten haben soll, und bei Genclerbirligi. In diesem Fall war sich die türkische Presse sogar schon einig: Mor habe sich mit dem Süper-Lig-Aufsteiger auf einen Zweijahresvertrag geeinigt und werde nun alsbald nach Ankara reisen, um sich dem Medizincheck zu unterziehen.

Die aktuelle Situation ist für Mor daher äußerst unbefriedigend. Er steht mal wieder an einem Scheidepunkt seiner vielversprechend begonnenen Karriere, in der er seit Jahren kaum noch für richtige Highlights sorgte. Allerdings war es mit ihm noch in der vergangenen Spielzeit wieder bergauf gegangen, umso bitterer ist nun die gesundheitsbedingte Pause.

Am letzten Tag der Sommertransferperiode 2024 hatte Fenerbahce Mor zu Aufsteiger Eyüpspor verliehen. Aufgrund einer nicht genauer spezifizierten Verletzung verpasste er dort noch die ersten Monate. Erst Mitte Dezember debütierte Mor für den Klub, der schließlich auf einem sensationellen Rang sechs landete.

Das hatte auch mit Mor zu tun, der zwischenzeitlich enorm aufdrehte und mit fünf Scorerpunkten (ein Tor und vier Vorlagen) innerhalb von sieben Ligaspielen glänzte. Und zwar so, dass er Ende März von Trainer Vincenzo Montella erstmals seit siebeneinhalb Jahren wieder für die türkische Nationalmannschaft nominiert wurde.

Mors ehemaliger Trainer bei Karagümrük, Schota Arweladse, dürfte sich bestätigt gefühlt haben. Schon ein Jahr zuvor hatte der Georgier gesagt: "Emre Mor ist wie Messi - das habe ich auch Montella gesagt! Wenn du Emre Mor magst, dann holst du ihn dir. Egal, ob er in Form ist oder nicht."

Die damaligen Wochen bei Karagümrük zeigten gut das Spannungsfeld auf, in dem sich Mors Laufbahn seit Jahren bewegt. Er war einst einer der ersten türkischen Jungstars der Neuzeit, viele sehen ihn bis heute als talentierter an als Real Madrids Arda Güler. Mor besitzt Fähigkeiten, mit denen er den Unterschied ausmachen könnte. Doch ihm mangelte es zu oft an den Basiselementen des Mannschaftsspiels Fußball: Taktische Disziplin, Beharrlichkeit, Fleiß, aber auch Raumgefühl, Entscheidungsfindung und schlichtweg Realismus.

Arweladses Nachfolger Tolunay Kafkas sagte dann nur zwei Monate nach dem erneuten Messi-Vergleich über Mor: "Es gibt ein sehr schönes Sprichwort: 'Gott, gib mir die Kraft, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Geduld, die Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann und die Weisheit, den Unterschied zwischen beiden zu erkennen.' Ein guter Emre Mor ist immer eine Bereicherung. Er hat seine Schwierigkeiten und Probleme. Wir können ihm nicht helfen. Er muss sie selbst überwinden."

Mor, der vor einem guten halben Jahr von Montella in den beiden Nations-League-Playoffs gegen Ungarn schließlich keine Sekunde lang eingesetzt wurde und bei 15 Länderspielen stehenblieb, ist derzeit dabei, seine Rückkehr auf den Rasen vorzubereiten. 

Im Winter wird er wohl - eine vollständige Genesung vorausgesetzt - zum nächsten Klub weitergereicht. Mors Karriere könnte auch dann noch immer einen ungeahnten Aufschwung erleben, mit 28 ist er jung genug dafür. Doch eine echte Trendwende, wie sie Dembele seit zwei Jahren hingelegt hat, ist wohl nicht mehr zu erwarten.