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Promise David von Union Saint-Gilloise: Der "Baby Lukaku" mit dem Fünfjahresplan

"Baby Lukaku": Das ist der Spitzname, den belgische Journalisten inzwischen gerne verwenden, wenn sie über Promise David schreiben. Sein ehemaliger Stürmertrainer Kevin Mirallas hat damit angefangen. Aber man muss kein Belgier sein, um die Ähnlichkeiten zwischen den beiden zu erkennen. David selbst machte sie am 30. März sehr deutlich: Sein Team Union Saint-Gilloise trifft im eigenen Stadion auf Royal Antwerp, David wird tief geschickt und scheint der Antwerpener Abwehr schon entwischt zu sein.

  • Promise David: In einem Zweikampf bis aufs Blut durchgesetzt

    Verteidiger Rosen Bozhinov ist aber noch da und setzt alles daran, David im Zweikampf aufzuhalten. Das einzige Problem: Promise David ist stark, sehr stark sogar. "Während ich renne, spüre ich eine Kralle in meinem Nacken", sagte der Stürmer im Podcast The Footy Culture über das Tor, das im Internet schnell viral ging. "Als ich später geduscht habe, tat es sehr weh, weil er mir buchstäblich die Haut vom Hals gerissen hatte. Ich habe während des gesamten Spiels geblutet und es nicht mal bemerkt."

    "Ich bin direkt auf das Tor zugelaufen und habe nur Rasen vor mir gesehen", fuhr er fort. "Ich wollte keine Schwalbe machen oder hinfallen. Dann hat er mich wieder gepackt. Ich habe gedacht: 'Du verdammter Arsch!' Ich habe mit meinen Armen nach hinten geschlagen - und mein Trikot ist gerissen. Ich war froh darüber, denn jedes Mal, wenn er an diesem Trikot gezogen hat, hatte ich das Gefühl, zu ersticken." 

    Nur die Hälfte seines gelben Trikots übersteht die Aktion. In der Szene sieht Promise David fast unbesiegbar aus, wie in einem Film. Mit nur noch einem halben Trikot am Körper befreit er sich schließlich von Bozhinov. Aber der Antwerp-Verteidiger hat ihn ausgebremst: Nun taucht ein weiterer Abwehrspieler auf, doch mit einer einfachen Körpertäuschung schaltet David auch ihn aus, schiebt den Ball ins Netz, schlägt sich kräftig auf die Brust und schreit laut. "Ich bin ausgewechselt worden und habe dann auf mein Handy geschaut. Das Tor war bereits bei Social Media gepostet worden - und es sah schrecklich aus. Das war einfach nur eine Körperverletzung!"

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  • Promise David UnionGetty Images

    Das kaputte Trikot als Symbol für Davids steinigen Karriereweg

    "Unser Sportdirektor hat das Trikot in unserem neuen Trainingszentrum aufgehängt, zusammen mit allen möglichen anderen historischen Trikots aus der Geschichte von Union. Er hat gesagt: 'Dieses Trikot symbolisiert Union: Es steht für Widerstandsfähigkeit, Stärke und Durchhaltevermögen'." Genau diese drei Dinge symbolisieren auch Davids ungewöhnliche Karriere - denn sein Weg zu Union ist lang, sehr lang.

    Als Kind war David ein Energiebündel. "Meine Lehrer haben mich für einen netten Jungen gehalten, aber ich die anderen Kinder auch immer abgelenkt", sagte David lächelnd. Er wuchs in Brampton auf, einer Stadt in der kanadischen Provinz Ontario, die auch schon Feyenoord-Stürmer Cyle Larin, Atiba Hutchinson (ehemals PSV) und Tajon Buchanan (ehemals Inter) hervorgebracht hat.

    Doch nicht in Kanada, sondern in Lagos in Nigeria, entdeckte David seine Liebe zum Fußball. Als Kleinkind lebte er dort bei seinen Großeltern. Sein Onkel war ein großer Chelsea-Fan. "Ich werde nie vergessen, wie er mich bei meiner Oma abholte“, erzählte er Het Laatste Nieuws. „Ich saß hinten auf seinem Motorrad drauf und wir sind zusammen zu einer Bar gefahren, um dort die Spiele zu schauen." Als er nach einigen Jahren nach Kanada zurückkehrte, suchte er nach dem passenden Hobby, in das er all seine Energie stecken konnte. Zunächst war es Klavierspielen, aber als das Instrument kaputt ging – "das hat mich wirklich wütend gemacht" – suchte David nach etwas anderem - und entdeckte Fußball für sich.

  • Promise David: "Der größte 'Fuck-you-Moment' meines Lebens"

    Er kam in die Jugendabteilung des FC Toronto, musste aber mit 15 Jahren wieder gehen. Das Urteil: nicht gut genug. Danach verbrachte er drei Jahre bei den Halb-Profis in Vaughan. 2019, im Alter von achtzehn Jahren, bekam er plötzlich seine erste Chance in Europa bei NK Trnje, einem kroatischen Drittligisten. Doch es ist nicht das erste Kapitel einer Erfolgsgeschichte. "In Kroatien sind Sachen passiert, die ich nicht einmal meinen Eltern erzählt habe", seufzte er. 

    Sein Trainer in Zagreb ist ein Rassist. "Er wollte keine Schwarzen, keine Afrikaner, in seiner Mannschaft. Er hat seltsame Dinge zu mir gesagt, zum Beispiel 'Crnac'. Das bedeutet 'Schwarzer‘. Einmal haben meine Teamkollegen mir erst einen Monat später übersetzt, was er mir beim Training zugerufen hatte. Weil sie es zu schrecklich fanden. Alle sind in dem Moment erstarrt, als er es gesagt hat. Es war so etwas wie: 'Gott bewahre, dass ich jemals einen schwarzen Spieler in meine Mannschaft aufnehme‘.“ 

    David wurde zurück ins Jugendteam geschickt, fand aber unter einem anderen Trainer, Rajko Vidovic, wieder in die Erfolgsspur. Als Vidovic kurz darauf Trainer der ersten Mannschaft wurde, gab er dem torgefährlichen Stürmer eine Chance. Er kam bei seiner Premiere als Einwechselspieler ins Spiel und schoss sofort ein Tor. "Das war der größte 'Fuck-you-Moment‘ meines Lebens. Es fühlte sich an wie meine Rache an diesem einen Mann."

  • Promise David entwirft einen Fünfjahresplan

    David verlässt Zagreb kurz danach darauf. Sein Berater holt ihn aus Europa zurück und vermittelt ihn in die zweite US-Liga, zum FC Tulsa. Der Wechsel ist kein Erfolg. Also versucht David es erneut in Europa, beim Erstligisten Valletta in Malta. "Ich habe dort ein Pokalfinale verloren. Das hat mich fertiggemacht. Ich habe in meinem Leben dreimal wegen Fußball geweint. Dieses Spiel war eines davon. Meine Nichte Liz war damals im Stadion und hat ein Foto von mir auf der Großleinwand gemacht. Genau in dem Moment, als ich geweint habe. Mann, ich sehe richtig hässlich aus, wenn ich weine."

    Als auch ein Abenteuer bei einem anderen maltesischen Verein, Sirens FC, enttäuschend endet – David ist jetzt 21 Jahre alt –, ist der Traum von einer Karriere als Profifußballer fast schon zerplatzt. "Meine Eltern wollten, dass ich nach Hause komme. Bis dahin hatten sie mich immer unterstützt. Aber sie hatten die Hoffnung aufgegeben", berichtete er. Doch David gibt nicht auf. "Ich bat sie um eine weitere Chance." Diese Chance kam schnell: in Estland, beim Kalju FC. David entwarf einen Fünfjahresplan für sich. Die Kernpunkte: hart arbeiten, in Estland viele Tore schießen und sich einen Vertrag bei einem größeren skandinavischen Verein sichern. Und als ehrgeiziges Ziel: für die Nationalmannschaft Tore schießen und an einer WM teilnehmen.

  • PROMISE DAVID UNION SAINT-GILLOISEGetty Images

    Große Zweifel bei Promise David: "Was mache ich eigentlich mit meinem Leben?"

    "Die Vorstellung war: Entweder man spielt richtig gut Fußball oder man ist ein Loser", fasste David es im Podcast The Footy Culture zusammen. "Ich wollte wirklich nicht nochmal zur Schule gehen." Aber auch in Estland hat er es erst einmal schwer. Er wurde als "Projekt" bezeichnet und durfte zunächst nur in der Jugendmannschaft von Kalju ran. Dort schießt er jedoch viele Tore und wird in die erste Mannschaft hochgezogen. Der große Schritt in seiner Karriere? Falsch gedacht. "Ich erinnere mich an ein Spiel“, erzählte er. "Zur Halbzeit haben wir 2:1 geführt und ich habe ziemlich gut gespielt. Der Gegner hat uns in seine Hälfte gelockt und dann lange Bälle gespielt, sodass ich als Stürmer keinen Druck gemacht habe, weil wir ja auch in Führung lagen."

    "Ich gehe in die Kabine - und der Präsident packt mich am Hals und zerrt mich raus. 'Willst du so spielen? Weißt du nicht, was dein Vater tut, um dich hier zu halten? Ich bin sechzig und bewege mich mehr als du!‘“, zitiert David die Worte, die ihm entgegengeschleudert wurden. "In der zweiten Halbzeit habe ich noch ein Tor geschossen und wir haben 4:3 gewonnen. Alle meine Teamkollegen feierten in der Kabine, während ich unter der Dusche stand und weinte, weil der Präsident gerade meinen Vater und meinen Berater angerufen und gesagt hatte, es sei ein großer Fehler gewesen, mich zu holen. Ich hatte damals keine Wohnung, sondern wohnte in einem Hostel“, erklärte er. "Zur gleichen Zeit machten alle meine Freunde zu Hause ihren Abschluss. Ich hatte die Kreditkarte meines Vaters dabei, weil ich mit Fußball kein Geld verdiente. Da habe ich mir wirklich Gedanken gemacht: Was mache ich eigentlich mit meinem Leben?“

  • Promise David: Nach einem Spiel schon abgeschrieben

    Doch die Emotionen legten sich wieder - und David sicherte doch noch einen Stammplatz in der ersten Mannschaft. Seinen Durchbruch schaffte er mit 14 Toren in 16 Spielen. Auf einmal war er Leistungsträger bei Kalju, das ihn nun unter allen Umständen behalten wollte. "Es war verrückt. Ich habe sie angefleht: 'Bitte lasst mich gehen'. In dieser Zeit habe ich verstanden, wie sich Menschen fühlen, die einen normalen Job machen müssen, den sie hassen“, sagte David. Sein Flehen hatte Erfolg: Kalju einigte sich mit Union Saint-Gilles - und so ging David nach Belgien.

    Dort hat es David zu Beginn nicht leicht, was auch den Medien nicht verborgen bleibt. Nach nur einem Spiel gegen Club Brügge steht das Urteil fest: 'Fehlinvestition', 'Flop'. "Nach nur einem Spiel!“, schnaubte David bei Het Laatste Nieuws. "Ich bin nach Hause gekommen und habe mir diese Sätze aufgeschrieben. Jeden Morgen, bevor ich zum Training gefahren bin, habe ich sie mir angesehen. Das hat mich angespornt. Siebzehn Tore und fünf Vorlagen - damit ist man doch kein Witz oder Flop, oder?”, betonte er und verweist damit auf seine beeindruckende Scorer-Zahlen, die er danach ablieferte.

  • Auch die Premier League wird auf Promise David aufmerksam

    David ist mittlerweile achtfacher Nationalspieler für Kanada und trifft regelmäßig in Belgien, aber auch regelmäßig im Europapokal. Letzte Woche machte er das einzige Tor im Spiel bei Galatasaray und sicherte seinem Team damit drei Punkte. Der Stürmer ist körperlich und mental stark und sehr schnell. Bei seinem Profil ist es nicht verwunderlich, dass Premier-League-Klubs wie West Ham United ihn inzwischen aufmerksam verfolgen. Und doch kann David nicht alle Zweifel ausräumen.

    David wirkt manchmal ungeschickt, wild, ist im Abschluss auch nicht immer präzise. Seine mangelnde Konzentration fällt auf. Damit ist David ein Rätsel für viele Scouts. Er kann zwar nicht übers Wasser laufen, aber er kann von A nach B schwimmen. Als 'schwarzen Michael Phelps' hat er sich in Het Nieuwsblad bezeichnet. Er hat die Fähigkeit, auch in einem ganz schwachen Spiel von ihm plötzlich zu treffen, was vielleicht sogar seine größte Stärke ist. Manchmal macht er seinen Trainer David Hubert verrückt. Aber Hubert kann ihn nicht außen vor lassen, denn dieser Stürmer kann jederzeit und überall das entscheidende Tore machen. Und sein Fünfjahresplan? Den hat Promise David schon in anderthalb Jahren abgearbeitet - und seinen Weg schließlich doch noch gefunden.