Xabi Alonso Real Madrid lineup HIC 2:1Goal

Nimmt er nicht Florian Wirtz, sondern einen anderen Leverkusener mit? Wie Xabi Alonso Real Madrid verändern könnte

Xabi Alonso hat etwas geschafft, was nur wenigen Trainern vergönnt ist: In diesem schnelllebigen Geschäft auf sehr hohem Niveau freiwillig abzutreten. Eine Selbstbestimmung, die aus hervorragender Arbeit in den vergangenen Jahren resultiert. Und eine Entscheidung, die ihn nun zu seiner bisher größten Aufgabe führen wird: Real Madrid. Was die Frage aufwirft: Wie werden die Königlichen unter ihm spielen – taktisch und personell?

  • Xabi Alonso: Anders als Carlo Ancelotti – aber auch so erfolgreich?

    Klar ist: Madrid wird neue Wege gehen. Carlo Ancelottis Philosophie ist durch eine hohe Flexibilität geprägt. Taktisch legt sich der Italiener dabei nicht fest, sondern passt sich stark an die Bedürfnisse seiner Spieler an. Gleichzeitig ist es eine große Qualität des 65-Jährigen, dabei nicht die Komplexität des Fußballs komplett aus den Augen zu verlieren.

    Einerseits will er seinen Schlüsselspielern maximale Entscheidungsfreiheit erlauben, damit sie sich auf dem Feld wohlfühlen. Das führt manchmal dazu, dass gerade in der Defensive der eine oder andere Spieler quasi doppelt mitarbeiten muss. Andererseits sind seine Teams taktisch oft sehr gut auf das eingestellt, was sie im Spiel erwartet.

    Unter Xabi Alonso ist dennoch zu erwarten, dass das Spiel der Königlichen komplexer wird. Der ehemalige Mittelfeldstratege legt Wert auf die maximale Kontrolle und setzt dabei auf ein in weiten Teilen striktes Positionsspiel. Wie so oft gibt es dabei Risiken und Chancen.

    Eine klare Chance für Real Madrid ist es, deutlich an Spielstärke aufzubauen und vor allem den vielen jungen Spielern einen noch klarer definierten Rahmen zu geben, in dem sie sich weiterentwickeln können. Gerade in dieser Saison war man viel zu oft abhängig davon, ob den Superstars des Teams etwas einfällt. Alonso setzt deutlich stärker auf mannschaftliche Lösungen.

    Das Risiko besteht hingegen darin, dass Alonso gerade diese Superstars auf dem Weg verlieren könnte. Vinícius Júnior, Kylian Mbappé, Jude Bellingham – sie alle genießen die riesigen Freiheiten, die sie unter Ancelotti bekommen haben. Wie reagieren sie darauf, dass Alonso ihnen taktisch stärkere Vorgaben mit an die Hand geben wird?

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  • Mbappe Vinicius Bellingham GFXGetty/GOAL

    Real Madrid: Wer wird der Florian Wirtz des Teams?

    Allerdings ist der 43-Jährige intelligent und erfahren – vor allem aber nicht naiv. Er hat mit zahlreichen Superstars zusammengespielt und weiß, wie sie in der Regel ticken und was sie brauchen. Schließlich war er über viele Jahre hinweg der Dreh- und Angelpunkt in Madrids Spiel. Derjenige, der die Ronaldos und Benzemas in Szene gesetzt hat.

    Das ist nun auch seine Aufgabe als Trainer. Dass er das grundsätzlich kann, zeigt seine Zeit in Leverkusen. Zwar arbeitete er dort nicht mit den klassischen Superstars zusammen, aber er hat einen Spieler perfekt einbinden können, der auf dem Weg dorthin ist: Florian Wirtz.

    Wirtz war einer der wenigen Profis, die unter Alonso nahezu maximale Freiheit genossen. Er tauchte überall auf dem Platz auf, ließ sich für den Aufbau fallen, oder ging für mehr Gefahr in die Tiefe. Mal spielte er breiter, mal mit Fokus auf den Zehnerraum. Wirtz war und ist der Hochbegabte seines aktuellen Teams. Aber wer wird das bei Real Madrid sein?

    Dem Vernehmen nach hat der 22-Jährige sich für einen Wechsel zum FC Bayern entschieden. Potenzial für eine derartige Rolle hat Bellingham. Der Engländer spielte das beim BVB einst ähnlich, agierte dort extrem weiträumig. Unter Ancelotti wurde er klarer als Offensivspieler eingesetzt.

    Bellingham könnte der "Läufer" im neuen Real-System werden, der die Verbindungen zwischen den Mannschaftsteilen knüpft, sich dann aber auch offensiv einschaltet.

  • Real Madrid: Kommt es zum Bruch mit dem 4-4-2?

    Spannend wird im Offensivbereich die Frage, ob Alonso eine bessere Lösung für das Zusammenspiel zwischen Vinícius Júnior und Kylian Mbappé findet. Unter Ancelotti schienen sich die beiden mitunter zu ähnlich zu sein – und auch um den Status als Top-Star der Offensive zu konkurrieren.

    Schwer vorstellbar ist dabei allerdings, dass man in der spanischen Hauptstadt auf eine klassischere Neun als Mbappé setzt. Denn sowohl Vinícius Júnior als auch der Franzose sind auf der linken oder halblinken Seite am stärksten. Einen würde man wohl seiner Stärken berauben, würde man ihn in einem 4-3-3 zum Beispiel auf den rechten Flügel schieben.

    Aber auch defensiv gibt es Fragezeichen. Am häufigsten setzte Alonso in Leverkusen auf ein 3-4-2-1. Ancelotti bezeichnete jüngst das 4-4-2 als perfekte Formation für Real Madrid. Klar ist: Eine Abkehr von der Viererkette würde den Basken sofort in den Mittelpunkt zahlreicher Diskussionen rücken.

    Zumal die Königlichen in der Innenverteidigung nicht optimal aufgestellt sind. Éder Militão und David Alaba waren oft verletzt, Antonio Rüdiger und Raúl Asencio können nicht jedes Spiel einer Saison bestreiten. Plant man mit einer Dreierkette, bräuchte es wohl mindestens zwei Neuzugänge.

  • Xabi Alonso Bayer Leverkusen 2025Getty Images

    Real Madrid: Wen könnte Alonso mit nach Spanien nehmen?

    Einer davon könnte Piero Hincapié sein. Der 23-Jährige hat sich unter Alonso optimal entwickelt. Auch auf den Außenbahnen gäbe es wohl Handlungsbedarf. Mit Trent Alexander-Arnold ist man derzeit an einem Rechtsverteidiger interessiert, der eine offensive Rolle sehr gut ausfüllen könnte. Links war man mit Ferland Mendy nicht immer zufrieden.

    Alejandro Grimaldo wäre dahingehend wohl ein interessantes Mitbringsel aus Leverkusen für die Königlichen. Gerüchte gibt es zwar (noch) nicht, aber der Spanier bringt mit seiner Torgefährlichkeit das perfekte Profil mit – egal, ob in einem Viererketten- oder Dreierkettensystem.

    Und wie steht es um Granit Xhaka? Madrids Mittelfeld ist auf dem Papier herausragend besetzt. Aber ein klassischer Stratege wie einst Toni Kroos oder eben Alonso selbst geht ihnen ab. Xhaka ist allerdings auch schon 32 Jahre alt und die Möglichkeiten des Klubs sind groß genug, um einen jüngeren Spieler zu finden, der diese Position und Rolle bekleiden kann – aber beim Schweizer weiß Alonso ganz genau, was er bekommt. Und er hätte jemanden auf der wichtigsten Position, der seine Spielphilosophie kennt.

    Gerade in einem Ensemble voller Stars wäre etwas Stabilität zum Start womöglich gut. Alonso geht in Leverkusen vermutlich zum exakt richtigen Zeitpunkt. Gewinnen kann er nichts mehr. Mit Madrid nimmt er sich jetzt allerdings die größtmögliche Aufgabe zur Brust. Auch dort gibt es in der Regel als Trainer nicht sehr viel zu gewinnen.

    Zumal Alonso sich mit seiner Art und Weise deutlich von fast allen Vorgängern unterscheidet. Er lebt nicht ausschließlich in diesem Moment und in dieser einen Saison. Sein Weg ist nicht dadurch definiert, den kürzesten Weg zu allen Titeln zu finden.

    Alonsos Weg ist der zu einer dominanten, kontrollierten und attraktiven Spielweise. Im Idealfall passiert das mit den Titeln beiläufig. In Madrid sollte man das niemandem sagen, aber mit dieser Einstellung passt der einstige Weltmeister fast schon eher zum großen Rivalen aus Barcelona.

    In jedem Fall wird es spannend zu sehen, wie sehr es Alonso gelingt, Real Madrid seine eigene, für den Klub neue Handschrift zu verpassen – und die Königlichen so zumindest in Teilen auf links zu drehen.