Niko Kovac Borussia Dortmund 2025Getty Images

Niko Kovac muss sich neu erfinden: Transfers werden die großen Probleme des BVB nicht beheben

Nur ein einziges Spiel hat es in der neuen Saison gebraucht, da ist Borussia Dortmund schon wieder am Boden der Tatsachen angekommen. Statt beflügelt in die Bundesliga zu starten, sind die alten Dämonen zurück.

Zwar gelingt es dem BVB auf St. Pauli, komfortabel mit 3:1 in Führung zu gehen, doch am Ende steht ein 3:3 auf der Anzeigetafel, das sich wie eine Niederlage anfühlt. Ein noch rechtzeitiger Warnschuss oder das Zeichen, dass sich bei den Schwarzgelben wenig zum Guten ändern wird? Hier kommen vier Erkenntnisse nach dem missglückten Auftakt.

  • BVB: Niko Kovac hat ein Mittelfeldproblem

    In Dortmund wurde diesen Sommer viel über den Kader diskutiert. Nach einer ergebnistechnisch starken Rückrunde wurde aber wenig darüber geredet, was Niko Kovac noch besser machen könnte. Im Mittelfeld hat der BVB-Trainer einige spielstarke Spieler zur Verfügung. Pascal Groß, Marcel Sabitzer, Felix Nmecha, Julian Brandt und auch Neuzugang Jobe Bellingham haben allesamt unterschiedliche Profile, sind aber technisch ausreichend begabt, um in engen Räumen zu bestehen.

    Kovac aber meidet solche Situationen. In München sagte er als Trainer des talentiertesten Kaders des Landes einst sinngemäß, dass man eben über die Außenbahn spielen müsse, wenn die Mitte dicht ist. Ein Satz wie eine Resignation vor spielerischer Kreativität. Der 53-Jährige ist gut darin, einer Mannschaft frischen Wind einzuhauchen, sie fit zu machen und ihr vor allem auf der berühmten mentalen Ebene Stabilität zu geben.

    Aber es hat Gründe, dass Kovac nur einmal länger als zwei Jahre Trainer eines Klubs war: Zwischen 2016 und 2018 in Frankfurt. Nach erfolgreicher Anfangsphase ging es oftmals schnell bergab. Und das hat unter anderem taktische Gründe. Kovac meidet das Zentrum, lässt lieber über die Flügel spielen. Es gibt in der Analyse heutzutage sogenannte "Passmaps", die visualisieren, welche Spieler mit wem am meisten Verbindungen in Form von Pässen geknüpft haben – und wie sie im Schnitt auf dem Feld positioniert waren.

    Dortmunds Passmap sieht in der Regel aus wie ein "U". Das Zentrum ist wenig eingebunden, die Innenverteidiger haben dicke Pfeile nach rechts und nach links, die signalisieren, dass sie nur selten Anspielstationen im zentralen Mittelfeld haben oder suchen. Der Vorteil dieser Spielidee ist, dass das Risiko des Ballvortrags gering ist. Der Nachteil ist, dass der Gegner sich darauf sehr einfach einstellen kann. Geht der Ball früh auf die Außenbahnen, stehen Gegenspieler den Angreifern schnell auf den Füßen. Das Zentrum verwaist und das Spiel wird langsam und statisch.

    Besonders gut zu sehen waren die Limitationen an den schwachen Zahlen der zentralen Mittelfeldspieler. Jobe Bellingham kam in 45 Minuten nur auf 27 Ballkontakte und zwölf Pässe. Marcel Sabitzer hatte als Sechser nur 40 Ballkontakte, Pascal Groß kam immerhin auf 58. Daniel Svensson hatte als linker Außenspieler mehr als sie alle, nämlich 66.

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  • Felix Nmecha (BVB)Getty Images

    BVB: Die Flügel sind offensiv wirkungslos

    Doch das führt dazu, dass die Außenspieler es schwerer haben. Anders wäre es beispielsweise, wenn der Ball in die Mitte eröffnet wird. Dann muss sich die gegnerische Formation darauf konzentrieren, diesen Bereich zu schließen. Es entstehen in aller Regel Räume auf den Außenbahnen, die mit Verlagerungen bespielt werden können. Was wiederum mehr Platz für Spieler wie Karim Adeyemi bedeuten würde, die Tempo aufnehmen könnten.

    Kovacs Idee sieht das nicht wirklich vor. Er will kein Risiko, er will Kontrolle. Aber genau das kann schnell kippen, wie das Spiel gegen St. Pauli abermals gezeigt hat, wenn es keine nennenswerten Raumgewinne gibt. Mehr Mut dazu, die spielstarken Mittelfeldspieler im Zentrum einzubinden, könnte sich bezahlt machen. Andernfalls ist das Spiel zu statisch.

    Kovac sprach hinterher davon, dass man den Kampf nicht angenommen habe. Insgesamt lief der BVB vier Kilometer weniger als St. Pauli. Aber eigentlich sollten es nicht diese Attribute sein, die seine Mannschaft auszeichnen. Eigentlich sollte es darum gehen, fußballerisch dominant zu sein und Gegner wie St. Pauli laufen zu lassen. Das gelang aber über weite Strecken nicht. Nicht der "Kampf" ist das Problem, sondern die Kreativität.

    Klar ist auch, dass Kovac vor allem im Angriffsdrittel zu wenig Personal zur Verfügung hat. Seine Offensive ist limitiert. Wer ein schnelles Flügelspiel bevorzugt, braucht dort schnelle und dribbelstarke Spieler. Die hat der BVB im Moment nicht. Sebastian Kehl sagte bei Sky, dass auf jeden Fall noch etwas passieren werde. Doch auch Kovac hat die Verantwortung, diese Spieler dann taktisch zu unterstützen und sie in die richtigen Positionen zu bringen.

  • BVB: Die Abwehr wackelt weiterhin

    Man würde es sich in Dortmund auch zu leicht machen, wenn man die späten Gegentore als Betriebsunfall abhaken würde. Wenn beispielsweise das ungestüme und etwas naive Verteidigen von Filippo Mane herhalten müsste als Ursache für das Remis. Denn klar ist auch, dass die Leistung unabhängig vom Endergebnis nicht gut genug für die Ansprüche des BVB war.

    Das hätte auch dann Gültigkeit gehabt, wenn man die Partie noch mit 4:1 gewonnen hätte. Natürlich war die Rote Karte des 20-Jährigen der Hauptgrund dafür, dass es 3:2 und kurz darauf nach einer Drangphase von St. Pauli auch 3:3 stand. In dieser Phase hat dieser Platzverweis nicht geholfen.

    Vielmehr muss sich der BVB aber damit beschäftigen, dass seine Defensive schon vor diesen beiden Toren zu sehr wackelte. Dass Waldemar Anton in der ersten Halbzeit mehrfach lange Bälle falsch einschätzte. Dass Ramy Bensebaini eine Wundertüte ist, von der man bei jedem Angriff einen anderen Inhalt erwarten kann. Und dass auch ein fitter Niklas Süle in der Vergangenheit nur selten wirklich geholfen hat.

    Der BVB hat wie schon in der Vorsaison ein Defensivproblem. Obwohl mit Kovac jemand an der Seitenlinie steht, der bei aller Kritik an seiner offensiven Spielidee ein gutes Defensivkonzept mitbringt.

  • BVB Jubelgetty

    Wenige Lichtblicke für Borussia Dortmund

    Jetzt kann man natürlich auch direkt auf die Bremse treten, was all die Kritik anbelangt. Es war doch erst ein Spieltag, es ist ja noch Zeit auf dem Transfermarkt und ohnehin sollte erstmal abgewartet werden, wie sich diese Saison entwickelt. Es stimmt, dass vorschnelle Urteile kein guter Ratgeber sind. Es war aber auch selten ein guter Ratgeber, wenn der BVB sich trotz durchwachsener Leistungen mit guten Ergebnissen die Welt schöner malte als sie ist.

    Zwei, drei kluge Transfers können die Dynamik des Teams komplett verändern, das steht außer Frage. Dass der Kader schon jetzt Potenzial hat, ist ebenfalls klar. Die Tiefenläufe von Karim Adeyemi im ersten Durchgang vor dem Elfmeter und Julian Brandt in der zweiten Halbzeit vor dessen Tor waren gut getimt und noch besser vom jeweiligen Passgeber bedient. Auch die Urgewalt Serhou Guirassys bleibt ein absoluter Gamechanger für den BVB.

    Aber wie oft hat man in den letzten Jahren nach guten Ansätzen gehofft, dass es jetzt wieder nach oben geht? Wie oft wurde man enttäuscht? Die alten Dämonen lassen sich nicht durch individuelle Klasse allein besiegen. Dortmund braucht wieder eine kollektive Energie – und eine Spielkultur, die identitätsstiftend und begeisterungsfähig ist. Doch der Weg dorthin ist weit.