Getty"Niemand stoppt Benfica": Wie der Klub-WM-Gegner den FC Bayern austrickste
Um 23.11 Uhr teilte der FC Bayern die imposante Zahl auf seiner Website der Außenwelt mit. Aber da war Benfica Lissabon den Münchnern schon zuvor gekommen: Denn um 20.04 Uhr deutscher Zeit, als die Bayern-Party am Nockherberg gerade losging, verkündete Benfica seinerseits, Mitglied Nummer 400.000 registriert zu haben. Gratulation an die 20-jährige Cristina Gomes Loureiro aus Amares! Knapper Punktsieg für Benfica. Zufall war dieses Timing wohl nicht.
Der deutsche und der portugiesische Branchenprimus liefern sich seit Jahren ein spannendes Dauerduell mit wechselnder Führung um den Status als mitgliederstärkster Klub der Welt. Unter normalen Umständen hätte Benfica mit der Verkündung des Meilensteins womöglich bis zum eigenen Geburtstag gewartet. Der fällt nämlich kurioserweise auf den 28. Februar, also den Tag nach dem Geburtstag des FC Bayern. In Lissabon ahnte man aber bereits, dass es dann zu spät sein könnte. Man wusste schließlich Bescheid über das große Ziel des FC Bayern.
Bei der Jahreshauptversammlung am 8. Dezember 2024 hatte Hainer eine Mitgliederzahl von 382.000 vermeldet. Und dazu den Wunsch geäußert, bis zum Geburtstag zweieinhalb Monate später die Marke von 400.000 zu überschreiten. Dass das tatsächlich klappte, ist höchst beachtlich. Bedeutete schließlich: 18.000 neue Mitglieder in 81 Tagen. Oder: im Schnitt 222,22 pro Tag. "Wir verzeichnen einen Mitgliederzulauf wie nie“, sagte Hainer zum Geburtstag.
Dass ein Klub aus dem verhältnismäßig kleinen Portugal - rund ein Achtel der Einwohner Deutschlands - auf vergleichbare Werte kommt, ist nicht minder beachtlich. Während dem FC Bayern die Mitglieder aber eher zulaufen, wurde bei Benfica einst tatkräftig mitgeholfen. Mittlerweile zählt der Stolz auf diese hohe Zahl aber zur Klub-DNA und treibt sie automatisch nach oben.
Benfica Lissabon schaffte es ins Guinessbuch der Rekorde
Hauptverantwortlich für die Mission Mitgliederzuwachs war Luis Filipe Vieira. Ein portugiesischer Geschäftsmann, der Benfica von 2003 bis Juli 2021 als Präsident vorstand - ehe er wegen Verdachts auf schweren Betrug, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Urkundenfälschung und Veruntreuung verhaftet wurde. Anschließend musste sich der heute 76-Jährige mit diversen Prozessen herumschlagen. Zu seinem Nachfolger als Benfica-Präsident wurde der ehemalige Weltklassespieler Rui Costa gewählt.
Vieira übernahm 2003 einen Klub mit ruhmreicher Vergangenheit und trostloser Gegenwart, der letzte Meistertitel lag neun Jahre zurück. International gab es wegen des Guttmann-Fluchs sowieso nichts zu holen. Der legendäre ungarische Trainer Bela Guttmann hatte sich nach dem zweiten Gewinn des Europapokals der Landesmeister 1962 mit der Klubführung überworfen und prophezeit, dass Benfica "in Europa 100 Jahre keine Titel mehr gewinnen wird". So wollte Vieira aus Benfica wenigstens den größten Klub der Welt machen. Mehr Prestige, neue Einnahmequellen.
Getty"Niemand stoppt Benfica": Die Tricks des Luis Filipe Vieira
Im Zuge des ersten Meistertitels nach elf Jahren unter Trainer Giovanni Trapattoni startete Vieira im Juni 2005 bei einem Mitgliederstand von rund 100.000 eine Kampagne mit dem offiziellen Ziel, auf lange Sicht die Marke von 500.000 zu knacken. Wenn es bis Oktober aber nicht mindestens 300.000 werden, wolle er zurücktreten. "Niemand stoppt Benfica, schon gar nicht mit dieser neuen Mitgliederkarte", tönte Vieria.
Um den Fans eine Mitgliedschaft schmackhaft zu machen, dachten sie sich bei Benfica einiges aus. Ein Starterpaket für 55 Euro beinhaltete den Mitgliedsbeitrag für vier Monate, Tickets für zwei Ligaspiele sowie etliche Vergünstigungen bei diversen Partnern. Von Banken über Telekommunikations-Unternehmen bis hin zu TV-Anstalten und Tankstellen. Bei Repsol sparte man als Benfica-Mitglied pro Liter Benzin beispielsweise drei Cent. Der Einfachheit halber wurden die Starterpakete auch direkt in den Tankstellen angeboten, bald gab es landesweit 3796 Verkaufsstandorte.
Tatsächlich schnellte die Mitgliederzahl daraufhin in die Höhe, von der anvisierten Marke von 300.000 war Benfica im Oktober 2005 jedoch weit entfernt. Statt wie angekündigt zurückzutreten, machte Vieira aber einfach weiter - und rühmte sich mit den Erfolgen. 2006 bekam Benfica mit 160.398 Mitgliedern einen Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde als der am besten unterstützte Klub der Welt.
Vieira sprach daraufhin davon, dass Benfica bis 2011 ein "europäischer Koloss, wenn nicht sogar ein weltweiter" sein werde: "Ich bin frustriert, mit Benfica noch keinen europäischen Titel geholt zu haben. Aber ich glaube, dass wir das bald nachholen werden." Bis heute wurde der Guttmann-Fluch jedoch nicht durchbrochen, 2013 und 2014 scheiterte Benfica jeweils erst im Europa-League-Finale.
2014 überholte der FC Bayern München Benfica
Nach der zweiten Finalniederlage rief der Klub die "aggressivste" Kampagne zur Mitgliederanwerbung der Geschichte aus, beim damaligen Stand von bereits über 200.000 sprach Vieira wieder von der magischen Marke von 300.000. "Spieler werden ohne einen guten Trainer nicht Meister, der Trainer nicht ohne die Unterstützung der Direktoren - und der Klub ist nichts ohne seine Mitglieder", verkündete Vieira.
Im Rahmen der Kampagne wurden 4,5 Millionen Registrierungsbögen für Mitgliedschaften versendet. In dem Land mit seinen knapp zehn Millionen Einwohnern bekam also fast jeder zweite Post von Benfica. Dies dürfte sich auch mit der Anzahl an Sympathisanten gedeckt haben. Einer damaligen UEFA-Studie zufolge halten es 47 Prozent aller Portugiesen mit Benfica. Kein europäischer Klub habe in seinem Land eine höhere Quote.
Einen ähnlich großen Sprung wie die erste Kampagne bescherte dieser Vorstoß aber nicht mehr. Stattdessen überholte der FC Bayern Benfica im Herbst 2014 als mitgliederstärkster Klub der Welt ganz ohne aggressive Anwerbungen. Anschließend bauten die Münchner ihren Vorsprung zunächst aus, ehe es in den vergangenen Jahren wieder knapper wurde und die Führung zuletzt mehrmals wechselte.
Wer beim Anpfiff des Klub-WM-Duells am Dienstag gerade vorne liegt, ist unklar. Klar ist dagegen: Dahinter kommt lange nichts. Auf den Plätzen drei und vier rangieren mit je rund 350.000 Mitgliedern die argentinischen Top-Klubs River Plate und Boca Juniors. Sie nehmen ebenfalls an der Klub-WM teil, Boca sogar in der gleichen Gruppe wie der FC Bayern und Benfica. Das vierte Gruppenmitglied Auckland City fällt mit 400 Mitgliedern dagegen etwas ab.



