Nick Woltemade VfB Stuttgart 2025IMAGO / Jan Huebner

Newcastle United statt FC Bayern: Die Niederlage im Poker um VfB-Star Nick Woltemade hat für den FCB eine neue Qualität

Jetzt ist passiert es also doch: Nick Woltemade verlässt den VfB Stuttgart. Anders als lange geglaubt, trägt sein neuer Klub aber nicht die Farben Rot und Weiß. Nicht der FC Bayern München ist es, der sich die Dienste des talentierten Stürmers sichert, sondern Newcastle United.

Ein englischer Klub, der vom Geld aus Saudi-Arabien profitiert und dieses mit beiden Händen ausgibt. Bis zu 90 Millionen Euro sollen die Schwaben erhalten. Der VfB hat ihn bereits für Verhandlungen und den Medizincheck freigestellt, Vollzug würd in Kürze erwartet.

Die Geschichte, dass der VfB der große Gewinner ist, ist schnell geschrieben. Ebenso jene, dass die Bayern eine Klatsche bekommen haben – aber ist dem so? Der Woltemade-Deal aus vier Perspektiven.

  • VfB Stuttgart: Das Zocken wurde belohnt

    Für den VfB Stuttgart ist die Nummer perfekt aufgegangen. Wochenlang haben die Verantwortlichen gezockt und gepokert, sind in den öffentlich geführten "Verhandlungen" mit dem FC Bayern hart geblieben. Ein Verhalten, das Eindruck hinterließ.

    Stuttgart präsentierte sich als hart, konsequent und selbstbewusst. Der Underdog, der dem großen Branchenprimus zeigt, dass er nicht alles mit sich machen lässt – und es dabei schaffte, zumindest Teile der Fußballöffentlichkeit davon zu überzeugen, dass 50-60 Millionen Euro kein angemessenes Angebot für einen Stürmer wären, der streng genommen erst ein halbes Jahr auf hohem Niveau performt hat. So talentiert er auch ist.

    Ein Teil der Wahrheit ist, dass Stuttgart sich damit auch massiv hätte verzocken können. Zwar ist der Klub finanziell deutlich stabiler aufgestellt als vor einigen Jahren, aber mal eben auf eine Summe in diesem Bereich zu verzichten, ist ein Risiko. Was wäre gewesen, wenn Woltemade geblieben wäre und der schwache Saisonstart des VfB ein Vorbote für ein Jahr ist, in dem vieles nicht nach Plan läuft? Wenn Woltemade nicht performt hätte, sich vielleicht sogar noch verletzt hätte.

    Hätten die Bayern im kommenden Sommer dann wieder so viel Geld auf den Tisch gelegt? Oder ein anderer Klub? Woltemades Entwicklung ist nicht selbstverständlich und auch noch lange nicht vorgezeichnet. Am Ende aber haben die Schwaben hoch gepokert und gewonnen. Denn das unerwartete Angebot von Newcastle ist der absolute Best Case.

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  • Eintracht Braunschweig v VfB Stuttgart - DFB Cup: Round OneGetty Images Sport

    Nick Woltemade: Ein sportlich sinnvoller Schritt

    Ob Nick Woltemade von diesem Deal profitiert, bleibt abzuwarten. Auf dem Papier ist der Transfer aber eine gute Entscheidung des 23-Jährigen. Natürlich spielt der finanzielle Aspekt dabei eine wichtige, vielleicht sogar übergeordnete Rolle. In Stuttgart verdiente der Stürmer laut Medienberichten weniger als zwei Millionen Euro pro Saison.

    Dieses Geschäft ist schnelllebig. Und so wie der VfB das Risiko gehabt hätte, dass er im kommenden Sommer kein überragendes Angebot mehr bekommt, wäre sein Risiko gewesen, dass er in einem Jahr nicht mehr so begehrt ist. Die deutliche Verbesserung im Gehalt jetzt mitzunehmen, ist also verständlich.

    Unterschätzt wird dabei aber auch die sportliche Perspektive. Woltemade macht dahingehend einen vernünftigen und nicht allzu großen Schritt nach vorn. Statt aus Stuttgart direkt zu einem Topklub zu wechseln, plant er eine Zwischenstation ein. Zu einem ambitionierten, weil sehr reichen Verein, der in einer attraktiven Liga und international spielt.

    Hinzu kommt, dass der von Liverpool umworbene Torjäger Alexander Isak die Magpies wohl noch verlassen und viel Geld in die Kassen spülen wird. Woltemade hat also allein aufgrund der hohen Ablösesumme, aber auch wegen der Kadersituation gute Chancen auf einen Stammplatz, um den er in München hätte deutlich härter kämpfen müssen.

    So überraschend die Entscheidung für die Öffentlichkeit auch war, so vernünftig erscheint sie aus allen Perspektiven. Es ist die große Chance für Woltemade, nach einem guten halben Jahr den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen.

  • FC Bayern München: Es ist kompliziert

    Der große Verlierer ist der FC Bayern München. Diese These lässt sich ziemlich schnell aufstellen. Argumente dafür sind, dass man Woltemade unbedingt wollte und dazu bereit war, eine hohe Summe für einen noch recht unerfahrenen Spieler auszugeben. Trotzdem zog man den Kürzeren.

    Viel wichtiger in diesem Kontext ist aber, dass die Münchner chancenlos sind, wenn ein Klub aus England mit nahezu unbegrenzten finanziellen Mitteln das Portemonnaie öffnet. Sicherlich ist das keine ganz neue Entwicklung, aber es ist eine, die dem deutschen Branchenprimus Sorgen machen muss. Dass man Florian Wirtz nicht bekam, ist eine andere Geschichte. Spieler aus diesem Regal bekam man auch in der Vergangenheit nur selten.

    Neu ist aber, dass nun auch bei den Woltemades des Landes Grenzen auftauchen, die man an der Säbener Straße nicht kennt. Die Bayern bekommen in der Bundesliga längst nicht mehr jeden Spieler, den sie wollen. Gleichzeitig ist es zu einfach, den Wechsel des Stuttgarters als reine Klatsche für den Rekordmeister abzutun.

    Denn Fakt ist auch: Max Eberl und Co. haben richtig gehandelt. Es wäre unverantwortlich gewesen, noch mehr Geld zu bieten und Woltemade derart überzubezahlen. Wenn das andere Klubs mit starken Geldgebern tun können, muss man das in München akzeptieren. Eine realistische und vernünftige Alternative gab es aber nicht.

    Und auch sportlich darf in Frage gestellt werden, ob dieser Transfer so zwingend notwendig gewesen wäre, dass man der Niederlage auf dem Transfermarkt jetzt ewig hinterhertrauern müsste. Woltemade hätte den Kader um ein interessantes Profil ergänzt. Aber man wird in München drüber hinwegkommen. Dass er am Ende für einen irrationalen Preis wechselt, macht es sogar leichter, das alles zu ertragen, als wenn Woltemade bei gleichem Angebot gewechselt wäre.

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  • SV Wehen Wiesbaden v FC Bayern Muenchen - DFB Cup: Round OneGetty Images Sport

    Deutschland am Scheideweg: Ausbildungsliga für die Premier League

    Wenn man den FC Bayern aber dennoch als Verlierer bewerten möchte, dann muss man auch die Bundesliga und Deutschland als Ganzes mit reinziehen. Woltemade wird laut transfermarkt.de der 15. Spieler sein, der in diesem Sommer fest in die Premier League wechselt. Darunter hochtalentierte Spieler wie Florian Wirtz, Hugo Ekitike, Benjamin Sesko, Jamie Gittens, Jeremie Frimpong, Mathys Tel oder Adam Aznou. Hinzu kommen Gerüchte um Xavi Simons.

    Die Bundesliga war im modernen Fußball noch nie in einer Position, in der sie allen anderen Ligen überlegen war. Finanzstärker waren immer andere. Gleichzeitig ist die aktuelle Entwicklung bedrohlich für den deutschen Fußball. Denn auch abseits des FC Bayern zeigt sich bei Teams wie Borussia Dortmund oder Bayer Leverkusen, dass es nicht so leicht ist, einen Kader zusammenzuhalten und dann aber auch wieder entsprechend zu verstärken. Immer häufiger muss mit Notlösungen gearbeitet werden, weil Wunschspieler lieber nach Saudi-Arabien oder eben England wechseln.

    In den kommenden Wochen und Monaten wird es in Deutschland richtungsweisende Entscheidungen mit Blick auf die 50+1-Regelung geben. Erzwungen durch das Bundeskartellamt, das im Juni die Ausnahmen RB Leipzig, Leverkusen, Wolfsburg und auch Hoffenheim als nicht vereinbar mit dieser Regelung bezeichnete.

    Angesichts der sportlichen Lage im internationalen Vergleich und mit Blick auf die Verbindungen, die die Entscheidungsträger und Investoren der genannten Klubs im deutschen Fußball haben, ist eine konsequentere Durchsetzung von 50+1 wohl unwahrscheinlicher als andere Szenarien. Wie die dann aussehen, bleibt abzuwarten.

    Klar ist aber, dass der deutsche Fußball am Scheideweg steht. Einer, der ungeahnte Konsequenzen in alle Richtungen haben kann. Der Woltemade-Deal ist dabei nur ein kleines Mosaiksteinchen, aber eben ein weiteres. Immerhin: Für die Nationalmannschaft könnte der Wechsel positiv sein.

    Setzt sich Woltemade in England durch, ist das gut für Julian Nagelsmann und die Nationalmannschaft. Gerade auf der Neunerposition war man in der jüngeren Vergangenheit oft nicht gut genug aufgestellt.

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