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Neue Ära beim FC Bayern München? Vincent Kompany muss mit Max Eberl noch ein großes Problem lösen

Der FC Bayern München ist nach der Niederlage von Bayer Leverkusen wieder Deutscher Meister. Gefeiert wurde am Sonntag im Nobelrestaurant Käfer. Nach einer einjährigen Pause geht der wichtigste nationale Titel also wieder in die bayerische Landeshauptstadt. Im DFB-Pokal und in der Champions League lief es hingegen weniger erfolgreich.

Oft hieß es in der jüngeren Vergangenheit: Ein Titel ist gerade genug, aber eigentlich auch zu wenig, um in Feierlaune zu geraten. Wie ist es diesmal? Überwiegen die positiven Gefühle an der Säbener Straße sowie der Optimismus für die kommenden Jahre - oder ist es der Ärger über das abermals unnötige Pokal-Aus und das verpasste Heimfinale ind er Königsklasse?

  • FC Bayern: Vor einem Jahr ein Chaosklub

    Um eine Antwort darauf zu geben, reicht eigentlich ein Blick auf den vergangenen Sommer. Unter Thomas Tuchel schienen die Bayern endgültig in einer Phase angekommen zu sein, in der nichts mehr selbstverständlich erschien. Als erster Trainer seit der Saison 2011/12 gelang ihm das Kunststück, in einer Spielzeit keinen einzigen Titel mit dem FCB zu gewinnen.

    Doch es war nicht nur die Titellosigkeit, die zu Skepsis über den weiteren Verlauf der Dinge führte. Auch die Begleiterscheinungen waren große Warnsignale. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge wurden wieder präsenter in der Öffentlichkeit, der neue Sportvorstand Max Eberl startete holprig und die ersten Transfers von Sportdirektor Christoph Freund zündeten nicht.

    Hinzu kamen hohe Personalkosten, die unter Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn vom Aufsichtsrat durchgewunken wurden, aber gleichzeitig zu wenig Leistung im Verhältnis zu den Ausgaben. Kaum im Amt, kündigte Eberl einen riesigen Umbruch an, ehe er von der Realität eingeholt wurde: Verkäufe gestalteten sich zu kompliziert, um den Kader großflächig umzubauen.

    Und dann war da die vor seiner Übernahme bereits vereinbarte Beendigung der Zusammenarbeit mit Tuchel, der aber noch bis Sommer im Amt bleiben sollte. Was folgte, war eine Trainersuche, die in der Geschichte des FC Bayern wohl bisher einmalig ist. Xabi Alonso, Julian Nagelsmann, Ralf Rangnick - das sind nur die drei Trainer, bei denen es gesichert ist, dass sie den Münchnern abgesagt haben. Glaubt man den vielen Gerüchten, würden wohl noch ein paar weitere Namen die Liste schmücken.

    Eberl und Co. waren so verzweifelt, dass sie selbst bei Tuchel nochmal einen Versuch gestartet haben sollen, nur um auch von ihm einen Korb zu bekommen. Der FC Bayern versank im Chaos. Und dieser Klub sollte in der Lage sein, die Deutsche Meisterschaft gegen ein Bayer Leverkusen zu gewinnen, das im Sommer 2024 keine wichtigen Abgänge zu verzeichnen hatte?

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    FC Bayern: Glückstreffer Vincent Kompany

    Am Ende einer langen Liste von Absagen stand schließlich Vincent Kompany. Ein Trainer, der noch vor seinem ersten Pflichtspiel von vielen Seiten skeptisch beäugt wurde. Nicht mal zweite Wahl, unerfahren als Trainer, Kritik aus England, dass er zu stur sei - vielerorts wurde eine weitere schwere Saison für den FC Bayern prognostiziert.

    Kompany aber strafte alle Kritiker ab. Schon nach wenigen Wochen zeigte er nach einer ersten Ergebniskrise, dass er flexibel ist, passte das System leicht an und ließ seine Spieler etwas später anlaufen als zuvor. Auf das 1:4 in Barcelona folgten sieben Spiele in Serie zu Null. Generell antworteten die Bayern in dieser Saison mehrfach gut auf Niederlagen. Nie verlor man zwei Spiele in Serie.

    Gerade die verbesserten Kennzahlen im Defensivbereich sind maßgeblich mitverantwortlich für eine erfolgreiche Bundesliga-Saison. Die Bayern lassen in der Liga laut WhoScored nur 6,5 Abschlüsse pro 90 Minuten zu. Das ist der beste Wert in der Datenbank des Anbieters, die diese Statistik bis zur Saison 2009/10 anbietet.

    Gleichzeitig konnte Kompany das Niveau in der Offensive ungefähr halten. Auch in dieser Saison steuern die Münchner wieder in den Dunstkreis der 100 Tore. Und auch punktemäßig könnte Kompany erstmals seit der Saison 2019/20 wieder die 80er-Marke knacken (damals waren es 82).

  • FC Bayern: Rückkehr des "Mia san mia"?

    Zwar mag Leverkusen eine schwächere Saison spielen als im Vorjahr, aber die Werkself stand von Beginn an auch mehr unter Druck - was unter anderem an stärkeren Bayern liegt. Kompany hat zweifellos ein Stück von dem Selbstverständnis zurückgebracht, das den Rekordmeister seit jeher ausgezeichnet hat, in den vergangenen Jahren aber teilweise verloren gegangen ist.

    Und auch in der Kommunikation tut er dem Klub gut. Kaum jemand kann den Medienvertreterinnen und -vertretern so höflich keine Einblicke in seine Karten gewähren wie der ehemalige Innenverteidiger. Sympathisch, bodenständig und vor allem stets schützend vor seinen Spielern - etwas, was Tuchel nicht immer gelang, wenn er in der Öffentlichkeit schonungslos Fehler analysierte.

    Vielleicht ist es auch genau das, was den größten Unterschied zu den Vorjahren ausmacht: Kompany kann hohe Erwartungen einfangen und moderieren. Und er scheint in der Lage zu sein, den Spielern mit seiner Art und seiner Spielidee Selbstbewusstsein zu geben.

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    FC Bayern: Verletzungen zerstören die Rückrunde

    Ohnehin sind die aggressive Spielweise gegen den Ball sowie der kontrollierte Ansatz mit der Kugel etwas, das den Spielern zu liegen scheint. Abseits aller Debatten darüber, wie erfolgreich diese Saison ist, ist die neue Überzeugung vom eigenen Fußball etwas, das herausragt und dem FC Bayern Mut machen kann, dass eine neue Entwicklung mit Kompany gestartet wird.

    Zumal die Bewertung dieser Spielzeit nicht ohne einen Blick auf die Verletzungen funktioniert. Kompany musste in der entscheidenden Phase auf fünf Stammspieler und zwei wichtige Rotationsspieler verzichten: Manuel Neuer, Dayot Upamecano, Alphonso Davies, Aleksandar Pavlovic, Jamal Musiala, Hiroki Ito und Kingsley Coman. Trotzdem reichte es gegen Inter Mailand zu zwei guten Leistungen. Die Chancen waren da, um ins Halbfinale einzuziehen.

    Und doch gibt es Kritikpunkte, die ein eindeutig positives Saisonfazit erschweren. So konnten die Bayern ihre neue defensive Stabilität in der Champions League zu oft nicht zeigen. Vier Gegentore gegen Barcelona, drei gegen Feyenoord, jeweils zwei gegen Inter - das ist auf höchstem Niveau zu viel.

    Zwar haben sich fast alle Spieler unter Kompany zumindest etwas verbessern können, doch gerade im Saisonendspurt zeigten sich altbekannte Probleme mit einigen Akteuren, die zur falschen Zeit die Form vermissen ließen. So konnte gerade in der Offensive der Ausfall von Musiala nie richtig kompensiert werden und man war zu abhängig von einem starken, aber immer noch erst 23-jährigen Michael Olise, der seine erste Saison auf diesem Niveau spielte.

    Serge Gnabry, Leroy Sané, Kingsley Coman, aber auch Leon Goretzka oder Min-jae Kim in anderen Mannschaftsteilen: Zu viele Spieler, die wie Stammspieler verdienen, aber das nicht mit ihrer Leistung gezeigt haben.

  • FC Bayern: Max Eberl ist gefordert

    Das sind allerdings überwiegend Kaderplanungsthemen. Und die sollten den FC Bayern umso mehr Sorge bereiten, wenn man auf das Durchschnittsalter der Mannschaft schaut. Mit 27,8 Jahren stellen die Münchner die älteste Mannschaft der Bundesliga. Auch in der Champions League zählt Bayern zu den älteren Teams.

    Eigentlich ist das ein Kader, der jetzt die Erfolge liefern müsste, aber rund um diese Mannschaft gelang keine strategisch gute Arbeit, die genau das ermöglicht hätte. Eberls Aufgabe wird es sein, dieses Team weiter zu verjüngen, Führungsspieler wie Thomas Müller oder Neuer nach und nach zu ersetzen – auch in der Kabine. Gleichzeitig ist aber die Erwartung, dass der FC Bayern in der Champions League schnellstmöglich wieder um den Titel mitspielt.

    Kompany könnte der richtige Trainer für den Entwicklungsprozess sein. Aber er kam womöglich zu spät für den einen oder anderen älteren Spieler. Deshalb ist der Knackpunkt in der Bewertung dieser Saison, dass diese nicht endgültig möglich ist, ohne den Ausgang der kommenden zu kennen.

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    Das verflixte zweite Jahr oder der Beginn einer neuen Ära?

    Kompany hat viel bewegt in einem Umfeld, das es den Trainern in den letzten Jahren nicht einfach gemacht hat. Doch in der kommenden Saison müssen er und die sportliche Leitung rund um Eberl zeigen, dass das nur die ersten Schritte waren.

    Der FC Bayern braucht Veränderungen im Kader – und kann diesmal auch mit dem Input des Trainers planen, der im vergangenen Sommer zu spät kam, um großen Einfluss zu nehmen. So gesehen wird das zweite Jahr sowohl für Eberl als auch für Kompany eigentlich die entscheidendere Saison.

    Für den Moment aber ist es dem Belgier gelungen, den Rekordmeister wieder in die Spur zu bringen. Ein euphorisches Fazit wird es in München bei "nur" einem Titel wohl nie geben. Aber das Aufatmen darüber, dass die Verhältnisse in Deutschland wiederhergestellt wurden, ist deutlich zu vernehmen. Zumal im Sommer mit der Klub-WM ja noch eine Krönung des gelungenen Kompany-Starts möglich ist.