"Meiner Meinung nach wird er der beste Innenverteidiger Europas": Auch der FC Bayern ist wohl im Rennen um den begehrtesten Verteidiger Frankreichs

Man sagt, dass Verteidiger erst mit Erfahrung wirklich wachsen. Leny Yoro ist so erfahren, wie man es in seinem Alter nur sein kann. Der Innenverteidiger vom OSC Lille debütierte bereits mit 16 Jahren in der Ligue 1 und erkämpfte sich mit 17 Jahren auf Kosten des französischen Weltmeisters Samuel Umtiti einen Platz in der ersten Mannschaft. Außerdem ist er der jüngste Torschütze des Vereins seit einem Jahrzehnt.

In Frankreich ist man sich einig, dass dies erst der Anfang für einen Spieler ist, der zum teuersten Verteidiger in der Geschichte der Ligue 1 aufsteigen könnte. PSG soll bereits Kontakt mit dem Berater des Spielers, Samir Khiat, aufgenommen haben, während Real Madrid, Manchester United, Chelsea, Liverpool und auch der FC Bayern zu den Vereinen gehören, die sich angeblich für den 18-Jährigen interessieren.

Yoro wird wahrscheinlich bis zum Ende der Saison in Lille bleiben und seine bemerkenswerten Fortschritte der letzten Jahre fortsetzen. Im Sommer aber könnte ein wahrer Wettlauf mit der Zeit beginnen, wenn die europäische Elite versucht, ihre Probleme in der Defensive auf viele Jahre zu lösen, indem sie einen der heißesten Anwärter auf den Posten holt.

Aber was macht den Teenager so besonders?

  • 20230414 Leny Yoro(C)Getty Images

    Die ersten Schritte

    Wie praktisch alle großen Fußballer, die im letzten Jahrzehnt aus Frankreich kamen, wurde Yoro in einem Vorort von Paris geboren. Als er sechs Jahre alt war, zog er mit seiner Familie, die von der Elfenbeinküste stammt, nach Lille, wo er 2017 im Alter von 12 Jahren in die Akademie des Ligue-1-Klubs aufgenommen wurde.

    Er durchlief alle Jugendabteilungen im Rekordtempo und wurde schließlich auch für die U17 und U18 Frankreichs nominiert. Sein Debüt in der A-Mannschaft von Lille gab er am letzten Spieltag der Saison 2021/22 gegen Nizza, als er 16 Jahre, sechs Monate und einen Tag alt war. Damit löste er Eden Hazard als zweitjüngsten Spieler des Vereins ab.

    In der darauffolgenden Saison kam er in der Mannschaft von Paulo Fonseca zu 15 Einsätzen in allen Wettbewerben, darunter 10 Startelfeinsätze.

  • Werbung
  • Leny YoroGetty

    Der große Durchbruch

    Sein Europadebüt gab Yoro im August 2023 im Playoff-Hinspiel der Conference League gegen Rijeka. Nachdem die Kroaten in der ersten Halbzeit in Führung gegangen waren, sah dort vieles nach einer Niederlage für die Nordfranzosen aus. Doch mit seinen erst 17 Jahren zeigte Yoro echte Führungsqualitäten und verhalt seiner Mannschaft zum Comeback.

    Kurz vor der Halbzeit bereitete er den Ausgleichstreffer von Edon Zhegrova vor, indem er einen Vorstoß in das letzte Drittel wagte und den zuvor verlorenen Ball zurückeroberte, bevor er sich geschickt an zwei Verteidigern vorbeischob und seinen Stürmer bediente.

    Das Spiel stand kurz vor Schluss immer noch unentschieden, doch Yoro sorgte in der 89. Minute mit einem fulminanten Kopfballtor für den wichtigen 2:1-Sieg. Damit hatte sich Lille eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel verschafft, welches letztlich mit einem 1:1-Unentschieden endete und den Einzug in die Gruppenphase bedeutete.

  • Leny Yoro LilleGetty

    So läuft's gerade

    Seit seinem heroischen Auftritt gegen Rijeka hat sich Yoro von Spiel zu Spiel gesteigert. Er stand in den letzten 16 Ligue-1-Spielen in der Startelf und verpasste in der gesamten Saison nur ein einziges Spiel. Er hat dazu beigetragen, dass LOSC die zweitbeste Abwehr der Liga stellt und in der gesamten Saison nur 14 Gegentore kassiert hat – genauso viele wie Tabellenführer PSG.

    Und er hat weiterhin sein Offensivtalent unter Beweis gestellt. Im September wurde er mit einem klasse Volleyschuss gegen Rennes zum jüngsten Lille-Torschützen seit zehn Jahren, und im November, einen Tag vor seinem 18. Geburtstag, traf er erneut, diesmal per Kopf im Heimspiel gegen Toulouse.

    "Es ist nicht normal, einen 18-jährigen Spieler wie Leny mit dieser Reife und seinen technischen Qualitäten zu haben", sagte Fonseca. "Meiner Meinung nach wird er einer der besten Innenverteidiger in Frankreich und wahrscheinlich auch Europas sein. Er ist sehr ausgeglichen und es besteht kein Zweifel daran, dass er ein sehr großer Spieler sein wird."

  • Leny Yoro

    Seine Stärken

    Während Fonseca Yoros Reife und technische Fähigkeiten lobt, hebt Jean-Michel Vandamme, der Leiter der Akademie von Lille, die Fähigkeit des Verteidigers hervor, das Spiel zu lesen und taktische Anweisungen zu befolgen.

    "Leny ist ein schneller Lerner. Er will über sich hinauswachsen und hat ein echtes Interesse daran, verschiedene Situationen zu analysieren und zu verstehen, während er sich selbst unter kontrollierten Druck setzt", sagte er. "Wenn der Trainer ihm Ratschläge geben, hört er zu, nimmt sie auf und setzt sie um. Dasselbe gilt, wenn er Ratschläge von seinen Mannschaftskameraden erhält".

    Neben seiner Antizipationsfähigkeit und seinem Spielverständnis zeichnet sich Yoro auch durch seine Fähigkeiten am Ball aus. Er ist in der Lage, Angriffe aus der Verteidigung heraus zu starten, da er sich durch seine guten Dribbling-Qualitäten oftmals aus Drucksituationen befreien kann. Hinzu kommt seine Treffsicherheit, die er in dieser Saison bereits mit drei Toren aus der Abwehr heraus unter Beweis gestellt hat.

  • Leny Yoro LilleGetty

    Woran er arbeiten muss

    Yoro ist mit einer Körpergröße von 188 cm gesegnet. Dennoch ist er von der Statur her immer noch wie ein Teenager gebaut, weshalb er körperlich auf jeden Fall noch zulegen muss. Darüber hinaus gilt es auch, seine Fähigkeiten in der Luft zu verbessern.

    "Er hat ein gutes Gespür für Bewegungen und ein gutes Timing. Aber ich denke, dass er sich noch verbessern muss, wenn es um das defensive Spiel in der Luft geht, da er eher auf dem hinteren Fuß steht", meint Vandamme. "Er muss noch an seiner Kraft arbeiten."

  • William Saliba Arsenal 2023-24Getty

    Der neue... William Saliba?

    Da er für sein Alter schon so viel erreicht hat, ist es nicht verwunderlich, dass Yoro mit anderen sehr talentierten französischen Verteidigern wie Raphaël Varane und William Saliba verglichen wird.

    Yoros Bereitschaft, sich im Angriffsspiel einzuschalten und Tore zu schießen, macht ihn eher mit Saliba vergleichbar, der in den letzten beiden Spielzeiten vier Treffer und zwei Assists für Arsenal verbuchen konnte.

    "Bei Marseille kannte ich Boubacar Kamara, bei Saint-Etienne William Saliba und Wesley Fofana, und jetzt ist da Leny Yoro", sagt Remy Cabella, ein Mitspieler des 18-Jährigen bei Lille. "Er hat alle Qualitäten und das Potenzial, etwas Großes zu erreichen. Er ist sehr bescheiden, und das ist eine weitere Stärke von ihm."

  • Leny Yoro Lille Ligue 1Getty

    Wie geht es weiter?

    Yoro hat drei Einsätze für Frankreichs U21-Nationalmannschaft absolviert, die von Thierry Henry trainiert wird. Sein nächstes Ziel wird es sein, in den Kader der A-Nationalmannschaft von Didier Deschamps berufen zu werden, zumal im Sommer die Europameisterschaft ansteht. Sollte die Berufung in die A-Nationalmannschaft nicht zustande kommen, kann er damit rechnen, sein Land bei den Olympischen Spielen in Paris im Juli zu vertreten.

    Wie bereits erwähnt könnte im Sommer außerdem ein Vereinswechsel in Frage kommen – billig wird Yoro aber keineswegs sein. Berichten aus Frankreich zufolge verlangt Lille bis zu 90 Millionen Euro Ablösesumme, was ihn zum teuersten Verteidiger in der Geschichte der Ligue 1 machen würde. Mit einem Vertrag, der nur noch bis 2025 läuft, dürfte es Lille allerdings eilig haben, ihn zu verkaufen. Angesichts Yoros unglaublicher Fortschritte wird der Klub kaum mit den Gehältern konkurrieren können, die ihm anderswo geboten werden dürften.

    Auf der anderen Seite hat sich Lille längst daran gewöhnt, sich von seinen besten Nachwuchsspielern zu trennen. Eden Hazard ist gewiss das berühmteste Beispiel, doch auch Victor Osimhen und Rafael Leão wurden einst in Nordfrankreich ausgebildet. Sollte sich Yoro nicht verletzen, wird er mit Sicherheit der nächste junge Spieler sein, der dem Klub viel Geld einbringt.