Eine unvollständige, aber längst ausreichende Liste an Skandalen, die die Frage aufwirft, wieso Rubiales zum Zeitpunkt des WM-Beginns eigentlich noch im Amt war. Die auf den ersten Blick simple Antwort: Ihm wurde bisher nichts davon nachgewiesen, eine Verurteilung gab es nicht. Spätestens beim Übergriff auf Hermoso hat sich das aber geändert - zumindest mit Blick auf die Beweislage.
Und trotzdem gab es Applaus für ihn, als er die Realität mit seiner Rede umschiffte. Und trotzdem sieht er sich geschützt durch Strukturen, die der Fußball auf vielen Ebenen aufgebaut hat. Spanien und seinen Verband als Einzelfall zu sehen, wäre naiv. Diese Strukturen gibt es in jeder noch so aufgeklärten Gesellschaft. Frauen kämpfen tagtäglich auf verschiedenen Ebenen gegen sie an. So auch die Spielerinnen der Nationalelf.In den sozialen Netzwerken stellten sich viele Teamkolleginnen von Hermoso auf ihre Seite.Mehrfach waren die Worte "es ist vorbei" zu lesen. Wie der Guardian berichtet, wollen die Nationalspielerinnen nicht mehr für Spanien auflaufen, solange Rubiales im Amt ist.
2022 taten dies 15 Spielerinnen. Zwölf von ihnen stellten sich zur WM wieder zur Verfügung, drei nominierte Trainer Jorge Vilda, gegen den sich die Protestaktion unter anderem richtete. Auch er soll übergriffig gehandelt haben. Von Kontrollzwang war die Rede. "Es ist nicht viel Zeit vergangen, bis man gesehen hat, was vor ein paar Monaten gefordert wurde", erklärte Mapi León nun aufX: "Die Bilder sprechen für sich." Die Innenverteidigerin war eine von drei Spielerinnen, die ihren Boykott auch während der WM durchzogen.
Bezeichnend, dass eine herausragende Weltmeisterschaft, bei der sich die großen Verbände der Welt den vermeintlichen Kampf für Gleichberechtigung auf die Fahnen schrieben, damit endet, dass nur noch über einen Mann geredet werden muss, der seine Macht öffentlich und vor allen Augen missbraucht.
Noch bezeichnender, dass er sich bisher in seinem Amt halten konnte. Der Fußball lebt in seiner eigenen Wagenburg. Auch wenn der Druck aus den aufgeklärten und progressiven Teilen der spanischen Gesellschaft und der Politik riesig ist und noch weiter wachsen wird.