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"Die Angst, dass alles vorbei ist, ist immer da": Lionel Messi sollte nicht den gleichen Fehler wie Cristiano Ronaldo machen

Ob es nun darum geht, den richtigen Bruchteil einer Sekunde zu erwischen, um einen perfekt gewichteten Pass zu einem Mannschaftskameraden zu spielen. Oder darum, im richtigen Moment zur Stelle zu sein, um eine Flanke von Jordi Alba zu verwerten - Lionel Messi hat in seiner Karriere immer ein tadelloses Gespür für das richtige Timing bewiesen.

Daher kam es etwas überraschend, dass er sich nach der Weltmeisterschaft 2022 gegen einen Rücktritt aus der argentinischen Nationalmannschaft entschied. Messi hatte gerade alle Zweifel an seinem Status als größter Spieler der Geschichte ausgeräumt, indem er Argentinien mit einer brillanten Darbietung seiner Genialität nach der anderen begeisterte. Nachdem er mit der Albiceleste so viel Leid ertragen musste, hatte er das vermeintlich bestmögliche Ende erreicht.

Doch Messi war noch nicht fertig. Nachdem er die Copa América und die Weltmeisterschaft gewonnen hatte, war der Druck endlich weg. Der Mann, der nach drei aufeinander folgenden Finalniederlagen mit Argentinien so traumatisiert war, hatte jetzt mit der Albiceleste so viel Spaß, dass er gar nicht mehr aufhören wollte. Er hatte den ultimativen Moment des Ruhms erlebt und nun wollte er sich darin sonnen.

"Ich liebe den Fußball und das, was ich tue", erklärte er. "Ich genieße es, Teil der Nationalmannschaft und der Gruppe zu sein. Ich würde gerne noch ein paar Spiele als Weltmeister genießen."

Mittlerweile hat er schon viel mehr getan als das ...

  • Lionel Messi: Noch eine WM?

    Am 14. Juli, rund 18 Monate nach seiner endgültigen Krönung zum GOAT in Katar, schrieb Messi erneut Geschichte, indem er Argentinien zum zweiten Mal in Folge zum Triumph bei der Copa América führte. Ein Mann, der einst wegen seiner vermeintlich mangelnden Führungsqualitäten und seiner angeblichen Unfähigkeit, in seinem Land an seine Klubform anzuknüpfen, verspottet wurde, geht nun als einer der erfolgreichsten Kapitäne in die Geschichte des internationalen Fußballs ein. Außerdem ist er mit 45 Trophäen der meistdekorierte Spieler aller Zeiten.

    Messi ist gerade 37 Jahre alt geworden, aber die nächste Weltmeisterschaft ist nur noch zwei Jahre entfernt. Mit 39 Jahren wäre er wohl kaum der älteste Spieler, der jemals an einer Endrunde teilgenommen hat. Und es ist klar, dass sein linker Fuß weiterhin ganz viel Magie in sich birgt.

    Dennoch wäre es ein Fehler, wenn Messi bis 2026 weitermachen würde. Sein Vermächtnis mag bereits gesichert sein - aber warum sollte er riskieren, es mit einem Makel zu versehen? Warum sollte er sich überhaupt in eine Situation begeben, in der er am Ende genauso fragwürdig dastehen könnte wie Cristiano Ronaldo?

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  • Cristiano Ronaldo Portugal 2024Getty Images

    Cristiano Ronaldo wurde zum Problem für Portugal

    Messi und Ronaldo sind ganz offensichtlich völlig unterschiedliche Charaktere, das hat sich im Laufe ihrer steilen Karriere gezeigt. Aber beide vereint ein unstillbarer Hunger auf Erfolg. Das ist einer der Gründe dafür, warum sie so erfolgreich sind.

    Doch Ronaldos Beharrlichkeit ist für Portugal mittlerweile zu einem Problem geworden. Der fünffache Ballon-d'Or-Gewinner hat sich von seinem unerschütterlichen Zutrauen in seine eigenen Fähigkeiten blenden lassen.

    Allen anderen war klar, dass er nach seiner schwachen WM in Katar auf die EM 2024 hätte verzichten sollen. Aber offensichtlich riet ihm kein einziges Mitglied seiner Entourage dazu - und so endete er in diesem Sommer in Deutschland als Hauptdarsteller einer weiteren Enttäuschung.

  • Cristiano Ronaldo, Portugal, 2024Getty Images

    Der weinende Cristiano

    Portugals Nationaltrainer Roberto Martínez muss hier einen großen Teil der Schuld auf sich nehmen, weil er seinen Superstar in einem lächerlichen Ausmaß verhätschelt hat. Der Spanier stellte die Interessen eines Einzelnen über die der Mannschaft - und seine Feigheit kostete die unglaublich talentierte Seleccao letztlich ihre Chance auf den EM-Titel.

    Ronaldo erlebte eine historisch schlechte Europameisterschaft, in der Portugal im Viertelfinale von einem ebenfalls eher enttäuschenden Frankreich bezwungen wurde.

    Da Ronaldo nicht bereit war, seine Nationalmannschaftskarriere nach Katar zu beenden - oder auch nur eine Nebenrolle in Deutschland zu akzeptieren - war er Kritik und Spott ausgesetzt. Am Ende des Turniers war einer der erfolgreichsten Spieler aller Zeiten zuweilen bittererweise zur Lachnummer geworden und der weinende Cristiano wurde zum Gegenstand von Millionen bösartiger Memes.

    Kein wahrer Fußballfan möchte, dass Messi ein ähnliches Schicksal widerfährt.

  • Argentina Copa America 2024Getty Images

    Argentinien: "Löwen, die für Lionel Messi kämpfen"

    Es war zwar schwer mit anzusehen, wie sich Ronaldo bei der Europameisterschaft quälte. Aber es war nicht überraschend, dass er sich so hartnäckig weigerte, seine Niederlage im stets aussichtslosen Kampf gegen Vater Zeit einzugestehen. Er ist natürlich ein Champion, aber er war schon immer ein schlechter Verlierer. Außerdem geht es Ronaldo oft nur um persönlichen Ruhm und so war es unvermeidlich, dass sich Portugals Euro-Auftritt größtenteils um den alles überstrahlenden Kapitän drehen würde.

    Messi ist trotz all seiner individuellen Spitzenleistungen und einzigartigen Qualitäten hingegen mehr ein Mannschaftsspieler. Wie Ronaldo hat auch er die Geschichte seiner Nationalmannschaft fast zwei Jahrzehnte lang dominiert, aber es ist bezeichnend, dass jeder einzelne seiner Mannschaftskameraden privat und öffentlich die Nummer 10 anflehte, auch nach dem WM-Titel 2022 noch weiterzumachen.

    Torhüter Emiliano Martínez bezeichnete Argentiniens Spieler bekanntermaßen als "Löwen, die für Messi kämpfen". Und wie Stürmer Julián Álvarez vor der Copa América betonte, war die gesamte Mannschaft froh, ihren geliebten Kapitän noch an Bord zu haben, weil er einfach alles "besser" macht.

  • Lionel Messi Argentina final Copa AméricaGetty Images

    Lionel Messi und die sich häufenden Verletzungsprobleme

    Es ist zwar klar, dass Messis Einfluss auf die argentinische Mannschaft - und seine Popularität innerhalb des Teams - so groß wie eh und je sind. Aber es ist auch unbestreitbar, dass seine Superkräfte Anzeichen des Nachlassens zeigen.

    Nur James Rodríguez (20) kreierte bei der Copa América zwar mehr Chancen (14) als Messi, während der Superstar von Inter Miami auch bei den Dribblings den vierten Platz belegte (12) - nicht schlecht, aber eben nicht Messi. Oder zumindest nicht der Messi, der noch vor eineinhalb Jahren eine Weltmeisterschaft dominierte wie kein anderer Spieler seit Diego Maradona 1986.

    Er war bei der Copa 2024 einfach nicht so spielbestimmend wie sonst und hat in fünf Einsätzen nur ein Tor und einen Assist beigesteuert. Natürlich spielte auch seine Fitness eine Rolle, denn Messi saß im letzten Gruppenspiel gegen Peru auf der Bank und musste im Finale mit einem geschwollenen Knöchel ausgewechselt werden. Und genau darin liegt das Problem und zeigt sich die Gefahr, die ein paar weitere Jahre des Spielens auf höchstem Niveau bergen.

    Verletzungen wurden für Messi seit seinem Wechsel in die MLS vor gut einem Jahr immer mehr zu einem Problem. Er verpasst immer mehr Spiele und das wegen unterschiedlichster Beschwerden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich diese Probleme mit weiter fortschreitendem Alter wieder legen.

    Die MLS mag körperlich nicht so anstrengend sein wie eine der fünf großen europäischen Ligen, aber der Wettbewerb ist intensiv und der Spielplan eng getaktet.

  • Lionel-Messi(C) Getty Images

    "Je älter man wird, desto schwieriger werden die Dinge"

    Messi liebt natürlich das Leben in Miami, wo er von Familie und Freunden umgeben ist, von denen viele früher für Barcelona spielten. Sein einziges Ziel, so sagt er, ist es, "von Tag zu Tag zu leben". Obwohl er verständlicherweise nicht zu weit in die Zukunft blicken will, hat er betont, dass er sehr "selbstkritisch" ist und nicht zögern wird, sich zurückzuziehen, sobald er das Gefühl hat, seinen Mannschaftskameraden nicht mehr zu helfen.

    Messi hat jedoch auch wiederholt erklärt, dass er sich weiterhin messen will, solange er sich gut fühlt - nicht zuletzt, weil er sagt, dass er so viele "kleine Details" an dem Sport, den er liebt, vermissen würde. Der achtfache Ballon-d'Or-Gewinner hat sich sicherlich das Recht verdient, zu entscheiden, wann es Zeit ist, aufzuhören, und niemand will ihn jetzt schon aufhören sehen. Aber man wird den Verdacht nicht los, dass 2026 ein Schritt zu weit wäre.

    Die Zeit fordert ihren Tribut von seinem Körper. Die Verletzung, die sein Copa-América-Finale vorzeitig beendete, zwang ihn zu bitteren Tränen. "Je älter man wird", sagte Messi kürzlich, "desto schwieriger werden die Dinge".

    Es wird ihm natürlich sehr schwer fallen, die Nationalmannschaft zu verlassen. Allein der Gedanke daran hat ihn lange gequält. "Die Angst, dass alles vorbei ist", erklärte er gegenüber ESPN Argentinien, "ist immer da."

    Die Angst, den gleichen Fehler wie Ronaldo zu begehen, sollte aber genauso groß sein. Messi hat nicht mehr das Tempo, das er einmal hatte. Das Alter holt ihn ein. Hoffen wir, dass er sein tadelloses Gespür für das richtige Timing nicht verloren hat.