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"Legendär und unvergesslich": Als Inter Mailand den FC Bayern "vernichtete" - und die Ära von Manuel Neuer eingeläutet wurde

2010 hatte sich der FC Bayern München unter Trainer Louis van Gaal ziemlich überraschend ins Champions-League-Finale gekämpft. Dort setzte es ein 0:2 gegen Inter Mailand. Trainer José Mourinho, legendäre Abwehrrecken wie Walter Samuel, Regisseur Wesley Sneijder, Torjäger Diego Milito - Inter war schlicht zu abgebrüht für die aufstrebenden Münchner.

  • Kraft glänzt im Hinspiel gegen Inter

    Nicht einmal ein Jahr später gab es aber bereits die große Chance auf Revanche, im Champions-League-Achtelfinale der Saison 2010/11 kam es zur Neuauflage des Duells. Wieder mussten sich die Münchner geschlagen geben, anders als im Finale jedoch unter ganz besonders bitteren Umständen.

    Beide Klubs präsentierten sich beim Wiedersehen nicht mehr so gefestigt wie in der erfolgreichen Vorsaison. Inter hatte Mourinho an Real Madrid verloren, Nachfolger Rafa Benitez wurde schnell entlassen, schließlich sprang Leonardo ein. In München stritt sich van Gaal unterdessen mit der Klubführung um Uli Hoeneß, bei der Torwartfrage spitzte sich der Disput zu.

    Während sich die Bosse um eine Verpflichtung von Manuel Neuer bemühten, stellte der Trainer im Januar den jungen Thomas Kraft anstelle von Routinier Hans Jörg Butt ins Tor. Van Gaal wollte Kraft zum Stammkeeper aufbauen, viele Fans standen hinter der Vision. Vor allem, um mit Neuer einen ehemaligen Ultra des FC Schalke 04 im Tor des FC Bayern zu verhindern.

    Im Achtelfinal-Hinspiel gegen Inter Ende Februar im San Siro hatte Kraft seinen ersten Auftritt auf ganz großer Bühne - und hielt dem Druck in beeindruckender Manier stand. Mit etlichen tollen Reflexen bewahrte er seine Mannschaft vor einem Rückstand, ehe Mario Gomez in der 90. Minute zum 1:0-Sieg traf. "Thomas Kraft hat einen großen Anteil an dem Sieg", lobte Kapitän Philipp Lahm. In der Presse wurde der damals 22-Jährige mit Oliver Kahn verglichen und die Notwendigkeit einer Neuer-Verpflichtung hinterfragt.

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  • Müller 2011Getty Images

    "Unfassbar": Der FC Bayern bricht im Rückspiel gegen Inter ein

    Beim Rückspiel drei Wochen später präsentierte sich zunächst die ganze Mannschaft in glänzender Verfassung. Daran änderte auch ein früher Rückstand durch Samuel Eto'o nichts, der wegen einer Abseitsstellung zudem nicht hätte zählen dürfen. Gomez und Thomas Müller drehten das Spiel schnell. Die Münchner vergaben gute Chancen auf weitere Tore, zur Pause hätte es 4:1 stehen können. Auch der Start in die zweite Halbzeit gelang. Gomez sprach später von "65 grandiosen Minuten".

    Doch dann traf Sneijder zum Ausgleich, woraufhin der FC Bayern in den Verwaltungsmodus schaltete und dafür in der 88. Minute bestraft wurde. Goran Pandev nutzte einen Fehler von Breno und erzielte das 3:2. Aufgrund der Auswärtstorregel waren die Münchner ausgeschieden. Und keiner wusste, wie das hatte passieren können. "Unfassbar", sagte Bastian Schweinsteiger. "Inter war in meinen Augen kaputt, die konnten nicht mehr laufen."

    Die Corriere dello Sport nannte Inters Leistung "legendär und unvergesslich" und schrieb: "Der Erfolg in München - spannend wie noch nie - ist eines der glänzenden Kapitel in Inters Geschichte. Auch in 50 Jahren wird man sich noch an diese beispiellose Nacht erinnern. Die Inter-Helden, angetrieben von dem fantastischen Eto'o vernichten die Bayern."

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    Wie Manuel Neuer beim FC Bayern München landete

    Mit dem Aus in der Champions League vergab der FC Bayern auch die dritte und letzte Titelchance der Saison 2010/11. In der Bundesliga rangierten die Münchner abgeschlagen hinter Jürgen Klopps Borussia Dortmund, im DFB-Pokal waren sie kurz davor ausgerechnet gegen Neuers Schalke ausgeschieden.

    Der Keeper wurde in der Allianz Arena bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen, dazu hielten tausende Fans in der Münchner Südkurve Zettel mit dem Aufdruck "Koan Neuer" hoch. Unbeirrt davon (oder weil der gebürtige Gelsenkirchener den Münchner Dialekt nicht entziffern konnte) avancierte er mit starken Paraden zum Matchwinner. "Ich möchte mich bei Manuel Neuer im Namen des FC Bayern entschuldigen", sagte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge anschließend.

    Titelchancenlos trudelten die Münchner dem Saisonende entgegen. Als es Anfang April - auch wegen eines Patzers von Kraft - im bayerischen Derby gegen den 1. FC Nürnberg nur zu einem 1:1 reichte, wurde van Gaal schließlich entlassen. "Mit der Entscheidung, Jörg Butt aus dem Tor zu nehmen, ging die Scheiße los", polterte Hoeneß. Nachfolger Jupp Heynckes stellte Butt umgehend wieder ins Tor. Ohne Aussicht auf sichere Einsätze verweigerte Kraft eine Vertragsverlängerung. Er wechselte zu Hertha BSC, wo er 2020 seine Karriere beendete.

    Als Nachfolger holte der FC Bayern ungeachtet aller Proteste für 30 Millionen Euro Neuer. 14 Jahre und zwei Triples später nähert sich seine große Ära nun ihrem Ende. Neuer, mittlerweile 39 Jahre alt, verlängerte kürzlich nochmal bis 2026. Aktuell fehlt er wegen eines Muskelfaserrisses. Gegen Inter bekommt deshalb der 21-jährige Jonas Urbig eine weitere Bewährungschance auf größter Bühne - wie damals Kraft.

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