"Nationalspieler zu werden ist das eine, aber Nationalspieler zu bleiben, das ist das andere." Mit dieser Äußerung hatte Robert Masnikosa sicherlich nichts Böses im Sinn. Der Mann, der damals – etwa im März 2023 - Berater eines aufstrebenden Stürmers und frischen Nationalspielers war, hätte sich wohl in den schlimmsten Träumen nicht ausgemalt, dass sein damaliger Klient heute nicht nur kein Nationalspieler mehr ist, sondern nicht einmal mehr bei einem Verein, bei dem er Aussicht auf Spielzeit hat. Die Rede ist von Mergim Berisha.
Getty ImagesKreuzbandriss, Suspendierung, Abstellgleis: Ein deutscher Ex-Nationalspieler ist in Vergessenheit geraten
Der 27-Jährige Mittelstürmer steht derzeit noch bei der TSG Hoffenheim unter Vertrag, spielt jedoch in den Planungen des Vereins keine Rolle mehr. Mit Spielern wie Fisnik Asllani, Tim Lemperle oder Bazoumana Toure haben sich die Kraichgauer massiv verjüngt. Berisha, der im März 2023 unter dem damaligen Bundestrainer Hansi Flick für die deutsche Nationalmannschaft debütierte, steht also auf dem Abstellgleis – mal wieder.
Der in Berchtesgaden geborene Berisha brachte schon früh viel mit, um es einmal als Profi in die höchsten Ligen zu schaffen. Abitur, Top-Ausbildung in Salzburgs RB-Akademie bereits im Alter von zehn Jahren und ein Tor nur 50 Sekunden nach seiner Einwechslung bei seinem Profi-Debüt für den FC Liefering. "Mergim hatte immer die richtigen Leute um sich herum", erklärte Klaus Ginther einmal, der Berisha als Leiter Ausbildung in Salzburgs RB-Kosmos kennen und schätzen lernte.
Getty Images SportBerisha führte RB Salzburg zum sensationellen Gewinn der Youth League
Einem größeren Publikum wurde der Stürmer mit Wurzeln aus Kosovo 2017 in der UEFA Youth League auffällig: Mit seiner wuchtigen Art wusste Berisha Bälle festzumachen und klug wieder zu verteilen. Im Strafraum verhielt er sich kaltschnäuzig und auch mental gehörte er zu den Besten. Mit seinen Toren half er, in diesem Jahr für die Salzburger den Titel zu holen und sich überraschend gegen Mannschaften wie Barcelona, Manchester City oder Benfica Lissabon durchzusetzen.
Doch auch Verletzungspech und mehrere Kontroversen zeichneten stets den Karriereweg Berishas: In den Jahren 2017 bis 2020 wurde der 1,88-Meter-Rechtsfuß erst unerwartet von Ex-BVB-Coach Marco Rose aussortiert und dann als Spieler von Salzburg mehrmals verliehen. In Linz, wo er unter Oliver Glasner gut zurechtkam plagten Berisha dann immer wieder Sprunggelenksprobleme. Nachdem sich der Torjäger endlich bei RB durchsetzen konnte, folgte schließlich wieder eine Verletzung und der endgültige Abschied aus Salzburg. Seine Station bei Fenerbahce Istanbul bezeichnete der 27-Jährige einmal als "lehrreiches Jahr", erklärte aber auch: "Dort habe ich dann aus anderen Gründen nicht mehr gespielt." Näher ging Berisha nicht darauf ein und es bleibt spekulativ, wenn man Verwerfungen mit dem Trainer oder Verantwortlichen heranzieht.
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Andererseits liegt diese Vermutung nahe – zumindest bei Betrachtung der aktuellen Situation in Hoffenheim: Die Kraichgauer haben im August 2023 kolportierte 13 bis 14 Millionen für das Salzburger Eigengewächs an den FC Augsburg überwiesen. Nur drei Monate und acht Spiele ohne Treffer später folgte ein Kreuzbandriss im Spiel gegen Bayer Leverkusen. Als sich Berisha wieder herangekämpft hatte, ereignete sich die nächste Kontroverse.
Im Oktober 2024 soll es zwischen Berisha und dem damaligen TSG-Trainer Pellegrino Matarazzo richtig gekracht haben. Grund soll eine zu frühe Auswechslung gewesen sein, über die sich der Stürmer noch Tage danach so aufzuregen schien, dass sein Coach ihn für ein Europa-League-Spiel gegen Dynamo Kiew suspendierte. Heute steht der Stoßstürmer vor einer ungewissen Zukunft: Hoffenheim plant ohne ihn, Hertha BSC hatte Interesse gezeigt, doch Berisha sagte ab und jetzt liebäugeln offenbar türkische Klubs wie Kasimpasa oder Kayserispor mit einer Verpflichtung.
Getty Images SportBerisha trifft gegen den FCB und schreibt Geschichte in Augsburg
So bleibt also die Erfahrung, es beim FC Augsburg zum Nationalspieler geschafft zu haben, der vorläufige Höhepunkt in der Profi-Laufbahn des Mannes, der nach dem Gewinn der Youth League gesagt hat: "Wollen wir wetten? Ich werden Nationalspieler." Neun Tore und vier Vorlagen lieferte der 27-Jährige in der besten Phase seiner Karriere – sogar gegen den großen FC Bayern München traf Berisha.
Als erster Spieler des FC Augsburg überhaupt, der einen Sieg im Deutschland-Trikot feiern durfte, trug sich Berisha in die rot-grün-weißen Geschichtsbücher ein. In den nächsten Wochen und Monaten wird sich beweisen, wie aussagekräftig ein weiteres Zitat seines ehemaligen Beraters Robert Masnikosa sein wird: "Er hat viele Tiefen durchgemacht und am Ende ist er immer noch stärker zurückgekommen."

