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Kommentar: Jadon Sancho muss bei Manchester United suspendiert bleiben - Erik ten Hag macht alles richtig

"Der Verein hat mich um eine strenge Linie gebeten, weil es vor der letzten Saison keine gute Kultur gab, also habe ich gute Standards gesetzt. Es ist meine Aufgabe, die Standards zu kontrollieren. Es ist nie so, dass jemand nur einen Fehler macht, sondern es ist ein ganzer Prozess, bevor man zu einem bestimmten Ergebnis und strengen Richtlinien kommt", erklärte Manchester Uniteds Trainer Erik ten Hag Mitte September, nachdem er Jadon Sancho suspendiert hatte. Die restlichen Spieler sollten ihm nicht nacheifern.

Sancho nahm die öffentliche Kritik nicht gut auf und konterte ten Hag in einem kurz danach gelöschten Beitrag in den sozialen Medien, in dem er behauptete, er sei zu Unrecht zum "Sündenbock" gemacht worden. Der 23-jährige Flügelspieler, der im Sommer 2021 für 85 Millionen Euro von Borussia Dortmund ins Old Trafford kam, hat seit dem Zwist nicht mehr für United gespielt. Ten Hag würde ihn Medienberichten zufolge nur bei einer Entschuldigung wieder in den Kader aufnehmen.

Der niederländische Trainer wurde von einigen Experten für seinen Umgang mit Sancho kritisiert, der als "hart" empfunden wurde. Aber er erklärte auch zuletzt vor Uniteds 2:1 Sieg in der Premier League gegen den FC Chelsea, dass er jederzeit wieder so handeln würde.

Und damit hat er völlig Recht. Denn würde er den Fall Sancho anders handhaben, würde er im Handumdrehen die Kabine verlieren.

Es wäre ein großes Risiko, Sancho nach einem so wichtigen Erfolg wieder ins Spiel zu bringen. Es wäre eine andere Geschichte, wenn der Spieler bereit wäre, über seinen Schatten zu springen, doch im Moment braucht United nichts mehr als absolute Geschlossenheit, um die Saison zu retten.

  • Jadon-Sancho(C)GettyImages

    Jadon Sancho "trainiert wie ein Tier"

    Sancho wurde als Bestrafung zum Nachwuchs von United verbannt und trainiert weiterhin alleine. Der britischen Zeitung Daily Mirror zufolge hält er sich nicht einfach nur fit, sondern "trainiert wie ein Tier", um bei seinem nächsten Spiel - für welchen Verein auch immer - in Topform zu sein.

    In dem Bericht heißt es außerdem, dass mehrere Spieler der United-Mannschaft Sancho so schnell wie möglich wieder in den Kader aufnehmen wollen, was darauf schließen lässt, dass er unter seinen Kameraden noch beliebt ist. Aber kein Spieler ist größer als der Verein und der Trainer muss seine Autorität bewahren.

    Sollte ten Hag eine Kehrtwende vollziehen, würde Sancho keine Lektion lernen und der Coach könnte den Respekt der gesamten Kabine verlieren.

    Die extremen Maßnahmen, die ten Hag ergriffen hat, könnten der einzige Weg sein, um Sancho, der schon vor ten Hags Ankunft den Erwartungen hinterherhinkte, zu einer Veränderung zu bewegen.

    Der ehemalige Mittelfeldspieler von United und Chelsea, Nemanja Matic, hat in einem brisanten Interview mit dem serbischen Medium Yu Planet über Sanchos Disziplinlosigkeiten berichtet. "Bei Chelsea haben sich die Spieler professionell verhalten, sie waren pünktlich und kamen nie zu spät zum Training, aber bei United passierte das fast jeden Tag", erklärte Matic. "Zu den Spielern, die immer zu spät kamen, gehörten Paul Pogba und Jadon Sancho. Der Rest von uns, der immer pünktlich war, war verärgert, also beschlossen wir, eine Art internen Disziplinarausschuss zu bilden, dessen Vorsitzender ich war. In einer bestimmten Saison haben wir rund 75.000 Pfund an Geldstrafen kassiert."

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  • Marcus Rashford Manchester United 2023-24Getty Images

    Manchester United braucht keinen zweiten Rashford

    In der vergangenen Saison spielte Sancho die zweite Geige hinter Marcus Rashford, der mit 30 Toren die bisher beste Saison seiner Karriere absolvierte. Sancho bekam nur seine Chance, als ten Hag Rashford als Mittelstürmer brauchte.

    United beendete die Premier League auf dem dritten Platz und gewann dank Rashfords Toren mit dem Carabao Cup die erste Trophäe seit fünf Jahren. Doch ein Teil von Sancho muss sich bitterlich darüber geärgert haben, dass er in dieser Saison nur von der Seitenlinie aus zuschauen konnte, während Rashford trotz eines erheblichen Formtiefs auch heute noch Stammspieler ist.

    Der englische Nationalspieler war gesetzt, bis er schließlich beim Spiel gegen Chelsea unter der Woche mit der Bank vorlieb nehmen musste. Rashford hat in der laufenden Saison erst zwei Tore erzielt - aber noch viel besorgniserregender ist, dass er bei allen seinen 19 Einsätzen quasi unsichtbar war.

    Diejenigen, die behaupten, dass Sancho einen besseren Job machen könnte, machen sich allerdings etwas vor. Wenn man den ehemaligen Dortmunder auf der linken Seite vor Rashford aufstellt, würde man nur einen Flop gegen einen anderen eintauschen.

    Sancho hat in seinen ersten drei Spielzeiten in Old Trafford nur zwölf Tore und sechs Assists beigesteuert und wirkte in den Spielen oft genauso desinteressiert und lethargisch wie Rashford in den letzten Monaten. Die United-Fans haben noch nicht die explosive, unberechenbare Version von Sancho gesehen, die in der Bundesliga für Furore sorgte. Und es besteht eine gute Chance, dass sie die auch nie erleben werden.

    United braucht keine zwei Primadonnen, die gegeneinander um Minuten kämpfen. Wenn Sancho sich bei ten Hag entschuldigen und seine Einstellung komplett ändern würde, hätte er ein gutes Argument, Rashford zu verdrängen - aber bis dahin ist es besser, wenn er im Exil bleibt.

  • Alejandro Garnacho Man Utd 2023-24Getty Images

    Auch Alejandro Garnacho ist besser als Jadon Sancho

    Der argentinische Teenager Alejandro Garnacho stand gegen Chelsea verdientermaßen statt Rashford in der Startelf und lieferte erneut eine glänzende Vorstellung ab, die er mit einer Vorlage zum Siegtreffer von Scott McTominay krönte.

    "Er war wahrscheinlich der beste Spieler auf dem Platz", sagte United-Legende Paul Scholes gegenüber den Premier League Productions. "Ich weiß, dass Scott zwei Tore geschossen hat und zum Spieler des Spiels gewählt wurde, aber ich fand, dass Garnacho exzellent war und heute Abend noch eine Stufe besser war."

    Garnacho hat in den letzten Spielen wie ein zukünftiger Superstar ausgesehen. Sein Marktwert ist nicht zuletzt durch seinen sensationellen Fallrückzieher beim 3:0-Sieg von United gegen Everton am 26. November in die Höhe geschossen. Seit Cristiano Ronaldos Anfängen im Old Trafford gab es kein so vielversprechendes junges Talent mehr. Es ist nicht zu früh, um zu sagen, dass Garnacho in die Fußstapfen des portugiesischen Stürmers treten kann.

    Rashford hat es sicherlich nicht mehr verdient, in der Hackordnung der Angreifer vor Garnacho zu stehen. Der rasante Aufstieg des 19-Jährigen hat Sancho noch weiter in den Hintergrund gedrängt. Der uruguayische Nationalspieler Facundo Pellistri steht ebenfalls bereit, um im Falle einer Garnacho-Verletzung einzuspringen, so dass es für ten Hag keinen dringenden Grund gibt, über die Rückkehr von Sancho nachzudenken.

    Das einzige Problem ist, dass United es sich nicht leisten kann, einen 85 Millionen Euro teuren Spieler auf unbestimmte Zeit im Regen stehen zu lassen. Sancho kassiert immer noch ein wöchentliches Gehalt von 250.000 Pfund (rund 290.000 Euro) und hat noch einen Vertrag bis 2026 - das bedeutet, dass etwas passieren muss.

  • Jadon Sancho Manchester United 2023-24Getty

    Jadon Sancho: Zu Juventus Turin oder Borussia Dortmund?

    Sancho könnte insgeheim glauben, dass er ten Hags Amtszeit aussitzen kann, denn der Niederländer könnte bei den Enttäuschungen in der Premier League und Champions League bald gefeuert werden.

    Selbst wenn ten Hags Mannschaft nächste Woche im letzten Spiel der Gruppenphase Bayern München schlagen sollte, würde sie nur dann ins Achtelfinale einziehen, wenn Kopenhagen und Galatasaray in Dänemark unentschieden spielen.

    Und doch gibt es Grund zu Optimismus. United steht kurz vor der Bekanntgabe des Verkaufs von 25 Prozent der Klub-Anteile für 1,25-Milliarden-Pfund-Deals (1,5 Milliarden Euro) an Sir Jim Ratcliffe und INEOS. Gleichzeitig würde die Familie Glazer die Kontrolle über den Fußballbetrieb abgeben.

    Eine vollständige Übernahme könnte zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, so dass die ungeliebten US-amerikanischen Eigentümer endlich weiterziehen könnten. Aber Ratcliffe wird sofort damit beginnen, seine Spuren zu hinterlassen. Dazu gehört angeblich auch eine Überarbeitung der Transferpolitik des Vereins.

    Bis zu 13 Spieler sollen das Old Trafford im Jahr 2024 verlassen, und es heißt, dass United vor dem Wintertransferfenster aktiv nach einem Käufer für Sancho sucht. Ein Abgang wäre das Beste für alle Beteiligten.

    Wie der italienische Corriere dello Sport berichtet, hat der Serie-A-Riese Juventus bereits Interesse an Sancho bekundet. United ist bereit, ein Angebot in Höhe von nur etwa 30 Millionen Euro anzunehmen. Ein Neuanfang in Turin könnte sehr reizvoll sein, zumal die Bianconeri in dieser Saison wieder ein echter Anwärter auf den Scudetto sind.

    Eine Rückkehr nach Dortmund könnte die beste Option sein. Die Sport Bild berichtete von einem möglichen Tauschgeschäft zwischen Sancho und Donyell Malen. Sancho könnte in gewohnter Umgebung zu seiner Bestform zurückfinden, und United bekäme im Gegenzug einen weiteren vielversprechenden Youngster, um die Abschreibung der ursprünglichen Investition abzufedern. Allerdings soll das Gedankenspiel bereits wieder vom Tisch sein, weil der BVB Bedenken habe.

  • Erik ten Hag Manchester United 2023-24Getty

    Was nun?

    Sollte Sancho United im Januar 2024 verlassen, dürfte ten Hag ein gutes Gewissen haben. Der Trainer der Red Devils hat immer an die Fähigkeiten des Spielers geglaubt, erkannte aber schnell, dass er nicht hart genug arbeitet.

    Der Ex-BVB-Spieler war auch in der vergangenen Saison zeitweise nicht im Kader von United. Zwischen November und Februar trainierte Sancho unter Ausschluss der Öffentlichkeit beim niederländischen Amateurverein OJC Rosmalen trainierte, nachdem ten Hag Zweifel an seiner "mentalen Fitness" geäußert hatte. Sancho kehrte schließlich mit neuem Schwung zurück - aber das war nicht von Dauer. Im Sommer wurde noch immer über seine Zukunft spekuliert.

    In der Vorbereitung beeindruckte er, als er als falsche Neun eingesetzt wurde und vor allem beim 2:0-Sieg gegen Arsenal ein Tor erzielte - woraufhin ten Hag betonte, dass er "am besten in zentralen Positionen" sei. Für einen kurzen Moment sah es so aus, als würde er in der Saison 2023/24 einen Neuanfang starten.

    So war es eine Überraschung, dass Sancho in den ersten drei Premier-League-Spielen von United nur als Einwechselspieler zum Einsatz kam, während Garnacho auf der linken Seite und Rashford im Sturm spielten, während Neuzugang Rasmus Höjlund sein Debüt verletzungsbedingt verschieben musste. Als Sancho bei der 1:3-Niederlage gegen Arsenal am vierten Spieltag nicht zum Einsatz kam, konnten nur wenige verstehen, wie er so schnell keine Rolle mehr spielte.

    Laut The Athletic bestrafte ten Hag Sancho dafür, dass er seine Anweisungen im Training nicht befolgt hatte. Seine Mannschaftskameraden waren von dem Ausbruch des Flügelstürmers in den sozialen Medien überrascht, nachdem der Trainer so transparent gewesen war. Der Flügelstürmer hat seine zweite Chance vertan und wird keine weitere bekommen, wenn er nicht einsieht, dass er im Unrecht war.

    Der ehemalige United-Verteidiger Gary Pallister gehört zu denjenigen, die ten Hags Umgang mit der Situation zustimmen, wie er im Oktober gegenüber OLGB erklärte: "Erik ten Hag hat mit seinen Entscheidungen und seiner Disziplin im Verein wirklich gut gehandelt. Ich denke, das ist genau das, was sie seit langem gebraucht haben, Sancho ist daran gescheitert. Es ist eine verfahrene Situation im Moment und man gewinnt den Eindruck, dass nur der Spieler das jetzt vielleicht ändern kann."

    Der Ball liegt bei Sancho, nicht bei ten Hag. Und wenn er nicht das Nötige tut, um sich wieder die Gunst des Trainers zu verdienen, dann gehört er nicht zu einem Verein von der Größe Uniteds, wo harte Arbeit und Bescheidenheit immer wichtiger sein werden als das bloße Talent.

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