Arne SlotGetty Images

Kommen noch zwei Stars für über 150 Millionen Euro? Der irre Transfersommer des FC Liverpool könnte noch nicht beendet sein

Im Sommer 2024 herrschte rund um den FC Liverpool große Ungewissheit: Wie würde es weiter gehen? Verständlich, da mit Jürgen Klopp der Mann von Bord gegangen war, der sich in seinen knapp neun Jahren an der Anfield Road zu dem Gesicht des Vereins aufgeschwungen hatte. Klar, Klopp selbst war sehr bemüht darum, es dem international noch recht unbekannten Arne Slot, der auf ihn folgen sollte, so leicht wie möglich zu machen. Doch die Zweifler scharrten schon mit den Hufen, um das Erbe Klopps als zu mächtig für den Neuen zu deklarieren.

Bemerkenswert am Liverpooler Sommer 2024 war aber auch, dass die Reds auf dem Transfermarkt nur mit großer Zurückhaltung auffielen. Mit Giorgi Mamardashvili holte man zwar einen neuen Torhüter, verlieh den Georgier aber zunächst noch für ein Jahr zurück an den FC Valencia. Und so war Federico Chiesa, der in der Meistersaison letztlich kaum eine Rolle spielte, der einzige echte Neuzugang, den Liverpool präsentierte. Ein Fakt, der umso mehr dafür spricht, welch exzellenten Kader Klopp seinem Nachfolger hinterlassen hatte. Die Ausgaben für Mamardashvili und Chiesa beliefen sich auf vergleichsweise läppische 42 Millionen Euro. Liverpool erwirtschaftete sogar ein kleines Transferplus, da die Verkäufe von Sepp van den Berg (23,6 Millionen Euro) und Fabio Carvalho (23,4 Millionen Euro, beide gingen zum FC Brentford) Einnahmen in Höhe von 47 Millionen Euro einbrachten. Ein seltenes Phänomen für einen Spitzenklub der steinreichen Premier League, das Liverpool jetzt, ein Jahr später, sehr zu Gute kommt.

  • Denn auch, weil man vergangenes Jahr schwarze Zahlen auf dem Transfermarkt schrieb, können Liverpools Besitzer, die in Boston (USA) beheimatete Fenway Sports Group, es diesen Sommer mal so richtig krachen lassen. Mit Florian Wirtz, den man dem FC Bayern München vor der Nase wegschnappte, ist dem englischen Meister bereits ein absoluter Statement-Transfer gelungen. 125 Millionen Euro Sockelablöse flossen dafür an Bayer Leverkusen - der teuerste Neuzugang in Liverpools Vereinsgeschichte.

    Beinahe hätte der neue Transferrekord nur ein paar Wochen gehalten, schließlich waren die Reds dem Vernehmen nach bereit, 140 Millionen Euro für Alexander Isak auszugeben. Nur, weil Newcastle United den schwedischen Mittelstürmer partout nicht ziehen lassen will, scheiterte der Wechsel fürs Erste. Doch Liverpool im Sommer 2025 zögert nicht lange, ehe der nächste neue Star auf der Türschwelle steht: Am Mittwoch machten die Engländer die Verpflichtung von Frankfurts Hugo Ekitike perfekt, der Angreifer kostet dem Vernehmen nach 95 Millionen Euro.

    Zählt man die Verpflichtungen von Milos Kerkez, der auf der Linksverteidigerposition mit Andy Robertson konkurrieren und den Schotten mutmaßlich ersetzen soll, sowie von Trent-Alexander-Arnold-Nachfolger Jeremie Frimpong hinzu, überschreiten Liverpools Transferausgaben in diesem Sommer damit die 300-Millionen-Euro-Marke. Genauer gesagt gab man nun schon knapp 309 Millionen Euro für neue Spieler aus.

    Verwunderlich hohe finanzielle Anstrengungen nach einer Saison, die mit dem Gewinn des Meistertitels endete. Vielleicht ist es aber auch enorm clever, im Moment des Erfolgs Geld in die Hand zu nehmen und neue Impulse zu setzen, um diesen Erfolg aufrecht zu erhalten und auszubauen.

    Dass den Reds das innerhalb der Grenzen des Financial Fairplay möglich ist, liegt derweil auch an der klugen und langfristigen Denke, die man in den vergangenen zwei Jahren auf dem Markt an den Tag gelegt hat.

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  • Florian Wirtz Germany 2025Getty Images

    FC Liverpool hielt sich auf dem Transfermarkt zwei Jahre lang sehr zurück

    Die bis dato letzten großen Investitionen tätigte Liverpool im Sommer 2023. Seinerzeit musste der damalige Trainer Klopp das Mittelfeld neu aufstellen, nachdem mit Fabinho, Jordan Henderson und James Milner drei verdiente Mittelfeldspieler den Verein verlassen hatten. Man war also gezwungen, zu investieren und tat dies klug, konzentrierte sich im Sommer 2023 voll und ganz auf das neue Mittelfeld: Dominik Szoboszlai kam für 70 Millionen Euro von RB Leipzig, für Alexis Mac Allister überwies man 42 Millionen nach Brighton und Ryan Gravenberch wurde für 40 Millionen Euro vom FC Bayern losgeeist - alle drei nahmen auf dem Weg zum Meistertitel in der abgelaufenen Saison wichtige Rollen ein.

    In den drei folgenden Transferperioden war dann absolute Zurückhaltung Liverpools Credo. In den Winter-Wechselfenstern Anfang 2024 und Anfang 2025 wurde kein Cent ausgegeben, so blieben eben Mamardashvili und Chiesa die beiden einzigen Neuen der letzten zwei Jahre. Und man baute für den finanziellen Spielraum vor, von dem man nun profitiert, hinzu kamen natürlich auch riesige Einnahmen dank des sportlichen Erfolgs. So bringt der Meistertitel Liverpool rund 200 Millionen Euro an TV-Einnahmen ein.

    Und dazu nimmt Liverpool auch mit Verkäufen neues Geld ein. Für Jarell Quansah (Bayer Leverkusen), Caoimhin Kelleher (FC Brentford), Trent Alexander-Arnold (Real Madrid) und Nat Philipps (West Bromwich) hat man diesen Sommer immerhin schon gut 63 Millionen Euro kassiert. Auf weitere Erlöse aus Abgängen ist man zwar aufgrund der klugen Transferstrategie nicht angewiesen, ein deutlich dickerer Batzen als bis dato könnte aber bekanntlich noch kommen, wenn der FC Bayern München mehr als 70 Millionen Euro für Luis Diaz zahlen sollte und man möglicherweise ungefähr die gleiche Summe auch von Napoli für Darwin Nunez bekommt. Auch Harvey Elliott oder Federico Chiesa könnten noch abgegeben werden.

  • Hugo Ekitike LiverpoolGetty/GOAL

    FC Liverpool: Trotz Transferoffensive bleiben noch Baustellen und Fragezeichen

    Allen voran die Verkäufe von Diaz und Nunez würden dafür sorgen, dass Liverpool nicht nur weiter Geld ausgeben kann, sondern im Interesse der Breite des Kaders auch tun sollte. Ein Spieler, der primär Diaz' Kaderplatz auf dem Flügel einnehmen, notfalls aber auch als Ekitike-Backup im Sturmzentrum einspringen kann, wäre ideal. Rodrygo von Real Madrid soll hier die angedachte große Lösung sein, zuletzt berichtete Sky von einem Liverpooler Interesse an dem Brasilianer. Sollte eine Verpflichtung zustande kommen, wäre das ein weiterer Meilenstein in diesem verrückten Transfersommer an der Anfield Road, um die 100 Millionen Euro müsste man für Rodrygo auf den Tisch legen.

    Doch damit nicht genug. Denn die Reds basteln zwar aktuell am perfekten Kader, haben ihn aber eben noch nicht. Die größte Baustelle ist kurz- und vor allem mittelfristig die Innenverteidigung. Mit Joe Gomez hat man hier nur noch einen Backup für das gesetzte Duo Virgil van Dijk und Ibrahima Konate. Und die Zukunft von Letzterem kristallisierte sich zuletzt als ziemlich offen heraus: Konate soll ein erstes Angebot von Liverpool für eine Verlängerung seines 2026 auslaufenden Vertrages ausgeschlagen haben. Und Real Madrid hat offenbar großes Interesse an dem französischen Nationalspieler, könnte darauf spekulieren, Konate 2026 ablösefrei ins Bernabeu zu holen.

    Für die Reds bedeutet das: Entweder alles daran setzen, mit Konate zu verlängern - oder sich frühzeitig um Ersatz bemühen. Für letzteren Fall soll Marc Guehi von Crystal Palace das Objekt der Begierde sein. Der englische Nationalspieler will den FA-Cup-Sieger wohl spätestens nach Vertragsende 2026 verlassen. Bis dahin zu warten, könnte für Liverpool aber nach hinten los gehen, da auch Tottenham starkes Interesse an Guehi anmelden soll. Daher könnten die Reds schon diesen Sommer ernst machen, die Ablöse für Guehi würde sich wohl auf knapp 58 Millionen Euro belaufen. Möglicherweise lässt Liverpool seine Transferausgaben im Sommer 2025 also noch auf über 450 Millionen Euro ansteigen.

  • Preston North End v Liverpool - Pre-Season FriendlyGetty Images Sport

    FC Liverpool: Glücksfall Arne Slot

    So oder so bleiben trotz aller Euphorie um die namhaften Neuzugänge aber auch Fragezeichen. Zum Beispiel: Ist Ekitike schon bereit, mit dem Druck umzugehen, der auf der Nummer 9 eines Vereins der Größe Liverpools lastet? Ganz zu schweigen von den Erwartungen, die mit einer 95 Millionen Euro schweren Ablöse einher gehen. Mit Wunschlösung Isak hätte Liverpool hier sicherlich weniger Unwägbarkeiten gehabt, schließlich kennt der Schwede die Premier League bereits bestens und hat in Newcastle unter Beweis gestellt, in der vermeintlich besten Liga der Welt eine gute Torquote liefern zu können. Gerüchten zufolge könnte der Ex-Dortmunder aber auch trotz Ekitike zu den Reds wechseln.

    Oder: Passt Jeremie Frimpong, der als Ersatz von Alexander-Arnold eine enorm wichtige und ob der emotionalen Bedeutung von TAA für den Klub auch aufgeladene Rolle übernimmt, überhaupt zu Slots Spielweise? Schließlich kann Frimpong seine Stärken, die vor allem im Spiel nach vorne liegen, als Offensiv-Verteidiger mit einer Dreierkette im Rücken besser ausspielen als in klassischer interpretierter Rechtsverteidigerfunktion in der von Slot präferierten Viererkette. Dass Frimpong auch das kann, hat er zwar nicht zuletzt in Leverkusen vor Xabi Alonso schon bewiesen, dennoch ist sein Spielerprofil eben ein ganz anderes als jenes von Alexander-Arnold.

    Klar ist aber auch: Die Ungewissheiten sind heute deutlich kleiner als noch vor einem Jahr, als Slot gerade von Klopp übernahm. Sie sind gewissermaßen ein Luxusproblem in einer Phase, in der Liverpool die Grundlage für eine noch erfolgreichere Ära als unter Klopp legen könnte. Denn seit der schwierigen Saison 2022/23, in der man zeitweise im Tabellenmittelfeld der Premier League herum dümpelte und als Fünfter die Qualifikation für die Champions League verpasste, ist eben sehr viel richtig gelaufen.

    Zunächst das kluge Umkrempeln des Mittelfelds, dann die Stabilisierung und Rückkehr in die Königsklasse und mit Slot die perfekte Wahl des Klopp-Nachfolgers. Wie smart der Niederländer das schwierige Erbe managt, ist außergewöhnlich. Und offensichtlich war er auch ein entscheidender Baustein dafür, dass man sich mit Florian Wirtz einen der weltbesten Unterschiedsspieler seiner Generation sichern konnte. "Arne Slot hat Florian persönlich überzeugen können. Zudem ist er ein sehr angenehmer Mensch", erklärte Wirtz' Vater Hans-Joachim jüngst dem Spiegel. "Arne Slot hat seine Spielphilosophie, die Mannschaftstaktik im Ballbesitz und Pressing vorgestellt und wie Florian darin seine Stärken entfalten kann. Das hat Florian entscheidend beeindruckt."

    Was man nicht vergessen darf: Vor den prominenten Neuzugängen war es Liverpool ja schon gelungen, zwei der wichtigsten Spieler, die man schon hatte, weiter an sich zu binden: Bei van Dijk und vor allem bei Mohamed Salah war lange Zeit ungewiss, ob die Verantwortlichen der Reds das schaffen würden. Letztlich verlängerten beide Topstars ihre auslaufenden Verträge - sehr wahrscheinlich auch, weil man ihnen aufzeigen konnte, dass das Beste an der Anfield Road in den nächsten Jahren noch kommen könnte.

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