In nur zwei Spielen besser als Jamal Musiala! Kaum ein Spieler ist so unterschätzt wie Ex-Bayern-Star Ivan Perisic

Mit 36 Jahren und 17 Tagen wurde er nun der älteste Spieler, der jemals in aufeinanderfolgenden K.o.-Spielen in der Champions League getroffen hat. Und, ein kleiner fun fact am Rande: Damit kam Perisic in seinen letzten beiden CL-K.o.-Spielen auf mehr Tore oder Vorlagen als Bayern Münchens Jamal Musiala in den vergangenen sechs Spielzeiten.

"Er war in der Champions League nervöser als alle anderen. Er wollte so gerne dabei sein", sagte PSV-Trainer Peter Bosz vor dem ersten Duell mit Juve. Perisic wurde von Eindhoven erst Mitte September ablösefrei verpflichtet und war daher nicht für den Kader der Ligaphase gemeldet. Nach dem großen Sieg im Rückspiel verriet Bosz: "Einen Moment lang hatte ich Angst vor seiner Reaktion, als ich ihn ausgewechselt habe. Er war völlig fertig, aber er ist keiner, der das zugibt."

Perisic, der in Minute 85 vom Feld ging, dürfte es verschmerzt haben. Schließlich hat seine Karriere nun noch einmal eine Wendung genommen, von der man vor etwas mehr als einem Jahr nicht mehr ausgehen konnte.

Nachdem er sich im Sommer 2022 mit dem entscheidenden Doppelpack in der Verlängerung des Coppa-Italia-Finales gegen Juventus (4:2) nach sieben Jahren mit einem Titel von Inter Mailand verabschiedete, ging es für Perisic ablösefrei zu Tottenham Hotspur. Dort legte er einen tollen Start hin, riss sich ein Jahr später ohne Gegnereinwirkung im Training jedoch das Kreuzband im rechten Knie.

Die Spurs hatten keine Verwendung mehr für ihn, Perisics Karriere schien sich mit der Blessur dem Ende zu neigen. Obwohl er noch verletzt war, lieh ihn sein Heimatklub Hajduk Split aus - für ein Medienberichten zufolge symbolisches Gehalt von einem Euro bis zum Ende der Saison 2023/24. Nach fünf Monaten Pause war der 140-malige Nationalspieler Ende Februar wieder fit. Es reichte allerdings nur noch zu acht Pflichtspielen, in denen er zweimal in der Startelf stand.

Perisic machte dabei keine gute Figur, die kroatischen Anhänger hatten sich von einem der "größten Transfers der Hajduk-Geschichte", wie ihn Sportdirektor Mindaugas Nikolicius nannte, mehr versprochen und waren enttäuscht. Wohl auch angesichts der Tatsache, dass Hajduk Tabellenführer war, als Perisic kam, man am Ende die erste Meisterschaft seit 2005 aber mit 14 Punkten Rückstand auf Serienmeister Dinamo Zagreb als Dritter verpasste. Zur EM schaffte es Perisic dennoch.

Hajduk und Perisic einigten sich schließlich auf eine weitere Saison, nachdem sein Vertrag bei Tottenham ausgelaufen war. Gennaro Gattuso übernahm den Klub - und es brauchte nur wenige Tage, bis es zum Zerwürfnis zwischen den beiden kam. Offenbar, so heißt es, bestand zwischen Gattuso und Perisic nie gegenseitige Wertschätzung.

"Zwei Tage, nachdem ich hier angekommen war, haben wir uns in meinem Büro getroffen und schon da sagte er mir, dass er gehen wolle", lautete Gattusos Version der Geschichte. "Ich sagte ihm, er solle darüber nachdenken. Die Europameisterschaft war zu Ende und später wiederholte er, dass er gehen wolle."

Perisic entgegnete: "Sicherlich ist es jedem klar, dass ich mich nicht wegen des Geldes oder der medizinischen Versorgung für Hajduk und Split entschieden habe. In meinem Wunsch zu helfen, habe ich meine Gesundheit und meine Familie oft an zweite Stelle gesetzt und ich bereue es nicht." Allerdings sei dann von jemand anderem entschieden worden, "dass meine Hilfe nicht mehr gebraucht wird", sagte er.

Nach einem Rauswurf aus dem Kader für ein Auswärtsspiel in Zagreb und etwas mehr als sieben Monaten war das Kapitel Hajduk, wo Perisic einst zwischen 1995 und 2006 ausgebildet wurde, wieder Geschichte. Ende August 2024 wurde sein Vertrag aufgelöst, zweieinhalb Wochen später schnappte Eindhoven zu.

Blickt man auf diese Vorgeschichte, kam es durchaus überraschend, dass sich Perisic dort nun auf Anhieb zu einem echten Leistungsträger aufschwang. Sechs Tore und acht Vorlagen stehen für ihn in 22 Pflichtspielen zu Buche. Spätestens nach seinen beiden Treffern gegen Juventus hat er sich bei den Fans hohe Anerkennung erarbeitet.

Das war in seiner Karriere meist nur selten der Fall. Perisic war stets ein unbesungener Held. Dabei gehörte er schon bei seiner Leihe zum FC Bayern im Triple-Jahr zu einem der besten Kaderspieler. Bereits im Juli 2018 schwärmte der damalige Inter-Coach Luciano Spalletti über einen seiner Schlüsselspieler: "Perisic ist der einzige Spieler, der aus physischer Sicht mit Cristiano Ronaldo verglichen werden kann. Er ist schnell, stark und kann sogar mit dem Kopf Tore erzielen."

Es ist die große Vielseitigkeit, die Perisic auszeichnet - und wegen der er vielleicht auch in der öffentlichen Wahrnehmung nie den ganz hohen Status genoss. Der Kroate kann vieles ziemlich gut, aber nichts absolut herausragend. Er zeigt enormen Einsatz, ist beidfüßig, aufmerksam gegen den Ball, bekommt die Kugel dank seiner Technik stets unter Kontrolle, bringt ein gutes Dribbling mit, ist effizient in der Luft und variantenreich im Abschluss.

Die Zahlen belegen die hervorragende Mischung, die Perisics Spiel ausmacht. In 602 Pflichtspielen für Brügge, Dortmund, Wolfsburg, Inter, Bayern, Tottenham und Eindhoven gelangen ihm als Rechts- oder meist Linksaußen 138 Tore - und, das ist besonders beachtlich, mit 128 fast dieselbe Anzahl an Vorlagen. Im aktuellen europäischen Spitzenfußball dürfte Perisic damit eine der am meisten unterschätzten Karrieren vorweisen.