Johan Cruyff Hall of Fame 16:9Getty Images

"In gewisser Weise bin ich wahrscheinlich unsterblich": Ohne Johan Cruyff wäre wohl selbst Lionel Messi nicht Messi geworden

Selbst wenn er gewollt hätte, er konnte sich nicht verstecken. Wenn Johan Cruyff auf dem Platz stand, bemerkte ihn jeder. Seine Teamkollegen, beflügelt davon, ihn in ihren Reihen zu haben, und seine Gegner, die allein bei dem Gedanken an seine unvorhersehbaren Spielzüge, seine ständigen Positionswechsel, seine plötzlichen Tempowechsel und seine Schüsse schier Angst hatten. Hendrik Johannes Cruyff, bekannt einfach als Johan Cruyff, war in seiner Heimat einfach nur König Johan.

Der beidfüßige, mit überragender Klasse ausgestattete Spieler hatte ein einzigartiges Charisma, das seine Mannschaftskameraden inspirierte. Cruyff war in der Lage, immer einige Spielzüge im Voraus zu denken. Eine Eigenschaft, die er unbedingt brauchte, verkörperte doch niemand so wie er den "Totalen Fußball", diesen stets in Bewegung seienden, unfassbar kreativen Fußball, mit dem Ajax Amsterdam, die niederländische Nationalmannschaft und später auch der FC Barcelona den Fußball für immer veränderten. Es gibt eine gerade Linie, die von Cruyff zu Pep Guardiola, den er trainierte als Teil des "Dreamteams" der 1990er-Jahre und dessen Mentor er war, bis hin zu Lionel Messi führt. Ohne Cruyff wäre vermutlich nicht mal Messi zu Messi geworden. Zumindest nicht zu jenem Messi, den wir kennen. Insofern war Cruyff, in dessen Spiel sich Rationalität und Instinkt, erhabene Eleganz und wilde Athletik, Disziplin und Rebellion trafen, zweifellos der Fußballspieler, der das Spiel am meisten revolutioniert hat.

  • Vor ihm wurde auf eine bestimmte Art und Weise gespielt, nach ihm wurde Fußball anders gespielt. Seine Position war theoretisch die eines offensiven Mittelfeldspielers, aber er bewegte sich ständig zwischen Mittelfeld und Angriff und wurde e nach Spielsituation zum Mittelstürmer, Flügelspieler oder sogar zum Spielmacher. Im Totalen Fußball gab es keine festen Rollen mehr: Wenn ein Spieler seine Ausgangsposition verließ, konnte er urch einen Mitspieler ersetzt werden, sodass die taktische Aufstellung der Mannschaft unverändert blieb.

    Mit seiner unkonventionellen Rückennummer 14 gewann Cruyff für Ajax, Barcelona, Feyenoord, die Los Angeles Aztecs, Washington Diplomats und Levante 21 Trophäen als Spieler. Zu seinen Erfolgen zählen neun niederländische Meisterschaften, sechs niederländische Pokalsiege, ein spanischer Ligatitel, ein spanischer Pokalsieg und vor allem drei Europapokalsiege und ein Interkontinentalpokal sowie drei Ballon d'Ors, die ihm 1971, 1973 und 1974 verliehen wurden. Und das gegen Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Pelé, Eusebio, George Best ... 

    Mit der Elftal verpasste er die größten Erfolge nur knapp, 1974 verlor er als Kapitän bei der WM in Deutschland das Finale gegen Beckenbauer und Co, 1976 bei der EM wurde er Dritter, 1978 verzichtete er auf die Teilnahme an der WM in Argentinien aus bis heute noch immer nicht ganz geklärten Gründen. 

    Außerhalb des Spielfelds war Cruyff, der 2016 im Alter von nur 68 Jahren an den Folgen einer Lungenkrebs-Erkrankung starb, immer ein Rebell: Er trug lange Haare, hatte eine Vorliebe für schöne Frauen und Zigaretten und hatte einen besonderen Charakter, hart und bis zur Arroganz kompromisslos. Cruyff selbst schrieb in seiner posthum erschienenen Autobiografie "Meine Revolution” : "Im Laufe der Jahre haben mich nicht alle verstanden. Als Fußballer, als Trainer und auch danach. Aber das macht nichts, auch Rembrandt und Van Gogh wurden nicht verstanden”.

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  • Johan Cruyff bei der WM 1974: Nur ein Foul von Uli Hoeneß konnte ihn stoppen

    Cruyff war für die Niederlande und den Fußball im Allgemeinen eine echte Ikone, es gibt zahlreiche unvergessliche Momente aus seiner Karriere. Die Gesten eines Dirigenten, mit denen er oft seine Mitspieler auf dem Platz dirigierte, die scheinbare und entwaffnende Einfachheit, mit der er bei hoher Geschwindigkeit sehr schwierige Spielzüge ausführen konnte und die Verteidiger in den Wahnsinn trieb, seine mentale Stärke und sein besonderes Trikot mit der Nummer 14, das er ab Oktober 1970 während seiner gesamten Karriere trug und das für einen Fußballer seiner Zeit wirklich ungewöhnlich war.

    Über die Wahl gibt es verschiedene Theorien. Die glaubwürdigste, die von seinem damaligen Teamkollegen Gerrie Mühren erzählt wird, ist, dass er Cruyff, als er nach eienr Verletzung wieder zurück in die Mannschaft drängte, die Nummer 9 nicht mehr übergeben wollte, woraufhin sich Cruyff zufällig die Nummer 14 aus dem Korb mit den freien Trikots aussuchte. 

    Von den 402 Toren, die er in 716 Spielen für Vereine und Nationalmannschaften erzielte, war das schönste und spektakulärste zweifellos das Tor, das er am 22. Dezember 1973 im Spitzenspiel gegen Atletico Madrid im Trikot von Barcelona schoss .

    Der Spielstand war noch 0:0, als Carles Rexach auf der rechten Seite nach vorne stürmte, nach innen zog, mit einer Finte einen Gegenspieler aussteigen ließ und zum zweiten Pfosten flankte. Cruyff sprang wie ein Blitz in einer akrobatischen Bewegung in luftiger Höhe zum Ball und beförderte ihn mit der Hacke ins Tor. 

    Eine Meisterleistung des niederländischen Champions, die alle sprachlos machte und als "das unmögliche Tor” bezeichnet wurde. 

    Cruyff war besonders geschickt in der Kunst des Dribblings und erfand bei der Weltmeisterschaft 1974 seinen eigenen Trick: den "Cruyff-Turn", eine Kombination aus einer Finte und einer Richtungsänderung, um den Gegner zu überraschen. Der Spieler, der diesen Trick ausführt, täuscht einen Pass oder einen Schuss an, schießt den Ball jedoch nicht, sondern schiebt ihn mit der Innenseite des Fußes hinter das Standbein, dreht sich um und sprintet in die entgegengesetzte Richtung. Während der WM 1974 fielen die Niederländer auch mit einer anderen Sache auf: In den ersten Minuten des Finales spielen sich die Niederländer unaufhörlich den Ball zu, erst ein Foul von Uli Hoeneß an Cruyff beendete diese lange niederländische Ballbesitzphase. 

  • „Kreativität steht nicht im Widerspruch zur Disziplin": Wie Cruyff den Fußball sah

    Cruyff wurde am 25. April 1947 in Betondorp, einem Vorort von Amsterdam, geboren und begann auf der Straße zu spielen. Mit zehn Jahren trat er in die Fußballschule von Ajax ein, wo er von Jany Van der Veen entdeckt wurde, der auch sein erster Lehrer wurde und ihm die Grundlagen, die Einhaltung der Regeln und die Werte des Sports beibrachte. Von ihm lernte Johan verschiedene Prinzipien: „Fußballspielen ist einfach, aber einfach Fußballspielen ist das Schwierigste“, und weiter: „Technik im Fußball bedeutet nicht, tausendmal den Ball zu dribbeln. Das kann jeder mit etwas Übung lernen und dann zum Zirkus gehen. Technik bedeutet, den Ball mit einem Touch und der richtigen Geschwindigkeit auf den bevorzugten Fuß des Mitspielers zu spielen.“

    Mit zwölf Jahren führt der Tod seines Vaters Manus zu einer Wende. Die Familie gerät in finanzielle Schwierigkeiten, Johan bricht die Schule ab und beschließt, Profifußballer zu werden. Er schlägt Ajax vor, seiner Mutter einen Job zu geben, und der Verein stellt sie als Putzfrau ein.

    Vic Buckingham, der englische Trainer, der die erste Mannschaft trainierte, erkannte das Talent des dünnen Spielers. Cruyff trainierte mit vier Kilogramm schweren Gewichtsbeuteln, die er in seine Trainingsjacke steckte. Mit 17 Jahren verhalf Buckingham ihm am 15. November 1964 zu seinem Debüt, Cruyff erzielt gleich sein erstes Profitor. 

    Die taktische Reifung erfolgte im folgenden Jahr, als Rinus Michels die Leitung von Ajax übernahm und das Konzept des Raums auf dem Spielfeld einführte: Der Totale Fußball war geboren. Cruyff erzielte zweistellige Torzahlen und setzte diese beeindruckende Serie acht Saisons in Folge fort.

    „Fußball besteht im Wesentlichen aus zwei Dingen. Erstens: Wenn du den Ball hast, musst du ihn richtig weitergeben können. Zweitens: Wenn du ihn bekommst, musst du ihn kontrollieren können“, sagte er in einem seiner berühmten Zitate und griff damit die bei Ajax gelernten Konzepte auf. Und weiter: „Kreativität steht nicht im Widerspruch zur Disziplin.“

    Mit Ajax dominierte Cruyff zunächst den niederländischen, dann den europäischen und schließlich den Weltfußball. Er gewann sechs Meisterschaften und sechs nationale Pokale sowie einen Titel als Torschützenkönig der Eredivisie und bestritt vier Endspiele im Europapokal der Landesmeister, von denen er drei gewann. Das erste verlor er 1969 gegen den AC Mailand, die anderen drei gewann er gegen Panathinaikos (1971), Inter (1972) und Juventus (1973). 1972 gewann er auch den Interkontinentalpokal, indem er im Hin- und Rückspiel die Argentinier von Independiente besiegte. 

    Nachdem er 1973 nicht als Kapitän bestätigt wurde, entschied er sich zu gehen und wechselte für die damals unfassbare Summe von zwei Millionen Euro zum FC Barcelona, wo er auf seinen alten Trainer Rinus Michels traf. Er gewann sofort die spanische Liga und führte die Blaugrana nach 14 Jahren Durststrecke zum Triumph.

    Die folgenden vier Spielzeiten in Spanien verliefen weniger positiv als die erste, und trotz des Gewinns des spanischen Pokals 1977/78 und insgesamt 86 Toren in 227 Einsätzen für die Blaugrana gab Cruyff im Alter von 31 Jahren nach einem gescheiterten Entführungsversuch seinen ersten Rücktritt vom Fußball bekannt.

  • „In gewisser Weise bin ich wahrscheinlich unsterblich”: Cruyffs Spätwerk in den USA und bei Ajax' Rivalen

    Der Rücktritt vom Rücktritt folgte, als die USA riefen. Wie auch andere Weltstars wie Beckenbauer und Pele zieht es auch Cruyff in die NASL, die Vorgängerin der MLS. Zunächst bestreitet er einige Freundschaftsspiele mit den Cosmos New York, wechselt dann zu den Los Angeles Aztecs und den Washington Diplomats, wo er weiterhin großartigen Fußball spielt und die Fans mit spektakulären Toren begeistert. 1979 wird er sogar zum besten Spieler der nordamerikanischen Meisterschaft gekürt.

    Aber Amerika ist ihm zu eng, und so kehrt er nach einem kurzen Intermezzo bei Levante 1981 zu Ajax zurück, um zwei weitere Eredivisie-Titel (insgesamt acht mit Ajax) und einen niederländischen Pokal (insgesamt fünf) zu gewinnen und unter seiner Fittiche zukünftige Champions wie Marco Van Basten und Frank Rijkaard heranwachsen zu sehen.

    Nach insgesamt 269 Toren in 367 Spielen für Ajax wechselte er 1983 aufgrund der Nachwuchsförderung des Vereins zum Rivalen Feyenoord. An der Seite des jungen Ruud Gullit erzielte ein historisches Double, indem er die Meisterschaft und den niederländischen Pokal gewann. Bevor er mit 37 Jahren seine Fußballschuhe an den Nagel hängte und sich auch als Trainer als Gewinner erwies, sicherte er sich für immer einen Platz in der Unsterblichkeit.

    „In gewisser Weise bin ich wahrscheinlich unsterblich”, sagte er damals schon. Er sah wie immer alles weit im Voraus.