Fabio Silva Borussia Dortmund 2025Imago

"Ich wurde fast dazu gezwungen": Ein 40-Millionen-Euro-Transfer ließ BVB-Neuzugang Fabio Silva zum Wandervogel werden

Die sportliche Quintessenz brachte Fabio Silva in seinem Statement zur Verabschiedung von den Wolverhampton Wanderers bereits im zweiten Satz unter. "Ich weiß, dass ich die Erwartungen bei weitem nicht erfüllt habe", schrieb der neue Angreifer des BVB.

  • Unter seinen Profilen auf den sozialen Kanälen ist bei Silva "Born Ready" zu lesen, zu deutsch also in etwa "startklar geboren". Auf dem Hals des Portugiesen sind dagegen die Ausdrücke "Patience" (Geduld) und "Resilience" (Widerstandsfähigkeit) tätowiert. Es sind allesamt Beschreibungen, die gut auf Silvas bisherige Laufbahn zutreffen.

    Sofort bereit war er zu Beginn seiner Profikarriere beim FC Porto, wo er mit nur 17 Jahren erste Kurzeinsätze sammelte. Silva benötigte nicht viel Anlauf, um sich einen Platz in der Vereinsgeschichte zu sichern. In einem Pokalspiel im Oktober 2019 schoss der heute 23-Jährige genauso ein Tor wie eine Woche später in der Liga - niemand war jeweils vor ihm jünger in Portos Historie.

    Nur 532 Profi-Minuten oder 21 Pflichtspiele (drei Tore, zwei Vorlagen) für Porto reichten schließlich aus, um dem klammen Klub zu einer gigantischen Ablösesumme zu verhelfen. 40 Millionen Euro legten die Wolves für den damals 18-Jährigen hin, der plötzlich ein immenses Gehalt bekam.

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  • Wolverhampton Wanderers v Liverpool FC - Premier LeagueGetty Images Sport

    Fabio Silva wollte nicht nach Wolverhampton wechseln

    "Er hat das Potenzial, für uns ein einmaliges Talent zu werden", sagte der damalige Trainer Nuno Espirito Santo über den neuen Rekordtransfer des Klubs. Santo bekam einen Spieler, den er gut kannte - beide wurden vom berüchtigten Star-Berater Jorge Mendes vertreten. Der hatte über Jahre hinweg zahlreiche portugiesische Spieler nach Wolverhampton geschleust.

    "Ich wusste, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war. Ich hatte nicht vor, zu diesem Zeitpunkt zu Wolverhampton zu wechseln. Ich wollte noch ein oder zwei Jahre bei Porto bleiben", blickte Silva einmal beim Portal Relevo auf die Umstände seines Aufsehen erregenden Wechsels zurück. "Ich wurde fast dazu gezwungen. Man sagte mir, wenn ich nicht gehen würde, müsste ich in der zweiten Mannschaft spielen. Ich hatte keine Wahl. Ich war 18 Jahre alt und hatte meine erste komplette Saison hinter mir, aber ich spielte nur 15 bis 20 Minuten. Ich wollte bei meinem Verein Porto bleiben, um mehr Einfluss zu haben."

    Silvas Fazit klang ernüchternd und zeigte einmal mehr die Schattenseite des Millionengeschäfts Profifußball auf. "Alles lief darauf hinaus, dass ich bei den Wolves unterschreiben sollte. An diesem Transfer waren noch andere Leute beteiligt. Im Fußball passieren Dinge hinter den Kulissen, die man nicht kontrollieren kann. Für alle lief es besser als für mich", sagte er.

  • Fabio Silva: Negativ-Rekord in der Premier-League-Geschichte

    Am Ende seiner ersten Saison stand Silva bei nur 1355 Spielminuten und zwölf Startelfeinsätzen. Er schoss vier Tore (drei Vorlagen), nach den ersten drei Treffern stellte er den nächsten Rekord auf - nur in negativer Hinsicht: Vor ihm hatte noch kein Spieler in der Geschichte der Premier League alle drei Spiele verloren, in denen er seine ersten drei Tore erzielte.

    Im Jahr darauf sank Silvas Stern noch weiter. Seine 22 PL-Spiele wiesen eine durchschnittliche Dauer von 25 Minuten auf, lediglich sechs Startelfeinsätze sprangen heraus - und kein Treffer. Es war klar, dass sich etwas ändern musste.

    Silvas anschließende Spielzeit 2022/23 war dann in zweierlei Hinsicht beachtlich. Er wurde zu RSC Anderlecht nach Belgien ausgeliehen und ging im Winter erneut per Leihe zur PSV Eindhoven.

  • FBL-GER-BUNDESLIGA-LEIPZIG-STUTTGARTAFP

    Xavi Simons wurde für Fabio Silva zu einem "Familienmitglied"

    Robin Veldman, der Silva in Anderlecht trainierte, sagte später der Sun: "Mein erster Eindruck von ihm war, dass er ein verwöhnter Junge mit zu viel Ehrgeiz war, zu jung und mit zu viel Geld. Außerhalb des Spielfelds kann er arrogant wirken. Man sieht an seinen Tattoos, seinem Aussehen und Verhalten, dass er eine gewisse Überheblichkeit an den Tag legt. Aber er hat ein gutes Herz, ich mag ihn sehr."

    In gleich sieben Wettbewerben kam Silva in dieser Saison zum Einsatz. Insgesamt 16 Tore und sechs Vorlagen in satten 51 Pflichtspielen (34-mal von Beginn an) sind unter den Umständen zweier (Länder-)Wechsel durchaus eine vorzeigbare Bilanz. Und: Silva traf im Endspiel des niederländischen Pokals gegen Ajax Amsterdam im Elfmeterschießen zum Sieg. Seit dieser Zeit ist sein ehemaliger Mitspieler Xavi Simons wie zu einem "Familienmitglied" für ihn geworden: "Er ist ein unglaublicher Typ. Die Chemie stimmte sofort. Wir reden viel miteinander."

    Zurück in Wolverhampton suchte man nach einer Lösung für Silva, fand aber keine. Ein weiteres halbes Jahr als Reservist kam hinzu, dann ging es im Winter zu den Rangers nach Glasgow - das fünfte Land in seiner noch jungen Karriere. 

  • Fabio Silva  Las Palmas 04122025(C)Getty Images

    Fabio Silva: Über die Rangers zum Durchbruch bei Las Palmas

    "Es ist nicht gut, ständig das Land zu wechseln", sagte er später, nachdem er sechs Tore in 25 Pflichtspielen erzielt hatte. In Schottland spielte Silva meist als linker Flügelspieler, seine Leistungen blieben überschaubar. Dennoch bekannte er: "Die Rangers haben mich zu einem kompletteren Spieler gemacht. Früher habe ich nur als Neuner gespielt. Jetzt kann ich auf allen Positionen im Angriff spielen."

    Dass Silva an diesen mannigfaltigen Erfahrungen und den dauerhaften Herausforderungen, denen er sich Wechsel für Wechsel gegenüber sah, gewachsen ist, war offensichtlich. Als größten Lerneffekt nannte er, "meine Emotionen besser zu kontrollieren". Früher mit 18 habe er das Spielfeld verlassen und sofort nachgesehen, "was in den sozialen Netzwerken über mich gesagt wurde. Jetzt weiß ich, wann ich etwas gut oder schlecht mache - ich kann selbstkritisch sein".

    Silvas Wandel, als Spieler und Persönlichkeit, schlug sich schließlich auch erstmals konstant auf dem Platz nieder. Bei seiner Leihe zu UD Las Palmas avancierte er im vergangenen Jahr zum besten Torschützen und stärksten Spieler in einer Mannschaft, deren Saisonverlauf ein ständiges Auf und Ab war und am Ende in den Abstieg aus der Primera Division mündete.

  • Fabio Silva Las Palmas 2025Getty Images

    Fabio Silva traf gegen Real und Barcelona

    Silva, der parallel dazu in Portugals U21 mit 15 Toren und 14 Vorlagen in 28 Spielen seine Torjägerqualitäten unter Beweis stellte, kam schon mit reichlich Selbstvertrauen auf Gran Canaria an. "Ich habe im Leben gelernt, dass Tore ganz natürlich fallen, wenn man Qualität hat - und die habe ich", sagte er bei seiner Vorstellung.

    Silva schoss für Las Palmas zehn Treffer in LaLiga, was für den Klub in diesem Jahrtausend zusammen mit Jonathan Viera (2015/16) und Kevin-Prince Boateng (2016/17) die beste Torausbeute in Spaniens höchster Spielklasse bedeutete. Viel wichtiger: Sieben dieser Buden brachten der Mannschaft Punkte ein. Silva traf gegen Real Madrid und Barcelona, im April bekam er die Trophäe für den besten U23-Spieler des Monats.

    "Ich habe wieder Spaß am Fußballspielen gefunden", sagte er nach dem Abstieg, aus dem für ihn persönlich nur wenige Wochen später ein Aufstieg wurde - Stichwort Geduld. Silva, der im vergangenen Jahr auch sein Debüt in der A-Nationalelf feierte, erhielt einen Fünfjahresvertrag beim BVB. 

  • FC St. Pauli v Borussia Dortmund - BundesligaGetty Images Sport

    Transfer von Fabio Silva ein Vorgriff des BVB?

    Dort bezeichnete ihn Sportdirektor Sebastian Kehl als ein "schon in sehr jungen Jahren außergewöhnliches Talent". Man verspreche sich von ihm "Torgefahr, Spielintensität, Tempo" und freue sich über die Tatsache, dass er "flexibel auf mehreren Positionen eingesetzt werden" kann. In Dortmund kam er mit einer Muskelverletzung an, nach der Länderspielpause soll er wieder fit sein.

    Dass die Borussia inklusive Boni rund 25 Millionen Euro in diesen Spieler investiert, verwundert angesichts der anderen Baustellen im Kader - kein reiner Sechser, kein echter Zehner, kaum noch Tempodribbler - nicht nur auf den ersten Blick. Einen Stürmer hätte es angesichts der Verfügbarkeit von Maximilian Beier und Karim Adeyemi nicht zwingend benötigt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der von allen BVB-Bossen als "Lebensversicherung" angepriesene Torjäger Serhou Guirassy kaum Ausfallzeiten zu beklagen hat.

    Silvas Transfer könnte daher ein Vorgriff sein. Dortmund wird Guirassy nicht auf Dauer halten können. Trainer Niko Kovac scheint zudem kein Freund von der Idee, gerade Beier als Backup von Guirassy zu sehen. 

  • fabio silva las palmasGetty Images

    Transfer von Fabio Silva ist für den BVB auch ein Risiko

    Gelingt es dem Coach, die zuletzt arg ideenlos daherkommende Offensive zu beleben, kann Silva mit seinem Profil durchaus einigen Mehrwert einbringen. Er spielt stets mit hoher Einsatzbereitschaft, weist eine gute Schnelligkeit besonders auf den ersten Metern auf, ist technisch beschlagen, hat einen starken ersten Kontakt und bindet sich gerne ins Kombinationsspiel ein. Zudem kann sich sein Gegenpressing sehen lassen.

    Auch in seinem nun siebten Land wird Silva gewiss Geduld und Widerstandsfähigkeit benötigen. In Dortmund ist das für ihn bislang höchste Niveau gefragt, sofortige Startelfeinsätze sind nicht garantiert. 

    Ein Risiko ist der Transfer für den BVB bei dieser Summe und Laufzeit in jedem Fall. Bleibt für den Klub zu hoffen, dass Silva eines Tages einen anderen zweiten Satz niederschreibt, sollte er sich von der Borussia verabschieden.

  • Fabio Silva: Die Statistiken seiner Karriere als Profi

    ZeitraumVereinPflichtspieleToreVorlagen
    2019-2020 FC Porto2132
    2020-2025 Wolverhampton Wanderers7256
    2022-2023RSC Anderlecht (Leihe)32114
    2023PSV Eindhoven (Leihe)1952
    2024 Rangers (Leihe) 256-
    2024-2025 UD Las Palmas (Leihe)25103