SANTI CAZORLA REAL OVIEDO Imago Images

"Ich will kein Geld": Ex-Arsenal-Star Santi Cazorla kann mit 40 Jahren bei seinem Herzensklub seine Karriere krönen

Die Haare an den Seiten schon ziemlich vollständig ergraut, der Blick aber so fokussiert wie eh und je. Als sich Santi Cazorla vergangene Woche kurz nach der Halbzeitpause im Halbfinalrückspiel der LaLiga-Aufstiegsplayoffs gegen UD Almeria den Ball zum Freistoß zurecht legte, lag etwas Magisches in der Luft. Cazorla schaute noch einmal in Richtung Mauer, dann nahm er Anlauf. Ein paar Schritte später zirkelte er den Ball wuchtig und messerscharf präzise ins Torwarteck. Ein schlitzohriger Treffer voller fußballerischer Klasse, der den mittlerweile 40-Jährigen so schön verkörperte. Und der Oviedo in freudiger Ekstase versinken ließ.

Cazorla, erst zur zweiten Halbzeit eingewechselt, hatte mit seinem wundervollen Freistoß das 1:1 erzielt. Dabei blieb es bis zum Ende und das reichte Oviedo. Denn das Hinspiel in Almeria hatte man 2:1 gewonnen und zog damit ins Playoff-Finale ein, darf von der lange ersehnten Rückkehr in Spaniens höchste Spielklasse träumen. "Mit Oviedo aufzusteigen, wäre für mich gleichbedeutend mit dem Gewinn der ersten Europameisterschaft", sagte Cazorla, der mit Spanien 2008 und 2012 die EM gewann.

Sollte der Aufstieg tatsächlich gelingen, wäre es das vielleicht letzte Kapitel einer turbulenten - ja gar dramatischen - Karriere, die wohl noch höher hinaus hätte führen können, wenn Cazorla nicht so unglaublich großes Verletzungspech gehabt hätte.

  • Santi Cazorla wurde beim FC Arsenal gefeiert

    Wer an Cazorla denkt, der denkt unweigerlich auch an den FC Arsenal. Nachdem er 2012 zum zweiten Mal Europameister geworden war, wechselte der technisch so begnadete Mittelfeldmann vom FC Malaga zu dem englischen Spitzenklub. Cazorla avancierte schnell zum Publikumsliebling, hatte eine starke erste Saison in London und etablierte sich als Stammkraft. Am Ende seiner zweiten Spielzeit läutete der Spanier dann im FA-Cup-Finale 2014 die Wende ein und erzielte eines seiner bekanntesten Tore: Ein traumhaft verwandelter Freistoß Cazorlas brachte Arsenal gegen Hull City auf 1:2 heran, am Ende siegten die Gunners mit 3:2 nach Verlängerung und holten den Pokal.

    Jenen Freistoß setzte Cazorla übrigens mit seinem eigentlich stärkeren rechten Fuß in die Maschen. Den für Oviedo jüngst gegen Almeria trat er hingegen mit links. "Bin ich nach diesem Schuss Rechts- oder Linksfüßer?", flachste er nach dem Spiel bei Movistar. "Ich bin eigentlich Rechtsfuß, aber nach der Verletzung habe ich das Vertrauen in diesen Fuß verloren. Deshalb fühle ich mich mit dem linken wohler."

    Besagte Verletzung hatte Cazorla schon bei seinem FA-Cup-Final-Freistoß für Arsenal gehabt. Im Herbst 2013 zog er sie sich zu, es ging um den Knöchel. Er pausierte nur kurz und stand schnell wieder auf dem Platz, obwohl er Schmerzen hatte. "Wenn ich aufgewärmt war, konnte ich spielen, aber sobald ich in der Halbzeit ein bisschen abgekühlt bin, hätte ich vor Schmerzen weinen können", gestand er später der Marca.

    Eine ganze Zeit lang ging die Sache gut, wenngleich ihn in der Saison 2015/16 eine Knieverletzung einige Monate lang lahm legte. Im Herbst 2016 meldete sich dann aber der lädierte Knöchel stärker als ohnehin schon, eine Infektion war entstanden. Um Cazorla stand es so schlimm, dass seine Karriere in Gefahr war, ja sogar eine Amputation des Beines drohte. "Die Infektion hat den Knöchel beschädigt und einen Teil der Achillessehne gefressen. Da fehlten plötzlich acht Zentimeter der Sehne", erklärte sein behandelnder Arzt Dr. Mikel Sanchez.

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  • Santi Cazorla ArsenalGetty Images

    Santi Cazorla drohte eine Bein-Amputation

    Er solle froh sein, "wenn ich bald mit meinem Sohn im Garten laufen könnte", sagten die Ärzte Cazorla seinerzeit. Doch er wollte auch weiter professionell Fußball spielen, kämpfte sich durch eine von zahlreichen Operationen und quälender Ungewissheit geprägte Leidenszeit. Die Achillessehne musste rekonstruiert werden, dafür wurde ein Stück Haut von seinem Arm an die entsprechende Stelle transplantiert.

    Im Oktober 2016 absolvierte Cazorla sein letztes Spiel für Arsenal. Die komplizierte Verletzung verhinderte, dass er noch einmal für die Londoner auflief, bevor er nach Vertragsende im Sommer 2018 nach Spanien zurückkehrte und bei seinem Ex-Klub Villarreal anheuerte. Dort konnte er dann endlich wieder auf den Rasen zurückkehren, im Juli 2018 stand er nach fast zweijähriger Pause erstmals wieder auf dem Platz.

    Bemerkenswerterweise avancierte er bei Villarreal gleich zu einem wichtigen Spieler, verbrachte zwei Jahre dort und ging 2020 nach Katar. Eigentlich, um seine Karriere mit damals 35 dort ausklingen zu lassen. Doch nach drei Jahren bei Al-Sadd ergab sich die Möglichkeit, noch einmal dort zu spielen, wo einst alles begann: In Oviedo.

    Mit 38 kehrte Cazorla 2023 zu seinem Jugendverein zurück. In einem kleinen Ort in der Nähe der 220.000-Einwohner-Stadt im Norden Spaniens wurde er geboren, im Nachwuchs von Real Oviedo träumte er einst von der großen Karriere. Mit 18 zog er dann aus in Richtug Villarreal, wo er Profi und später Nationalspieler wurde.

    Seine Rückkehr verband er mit einer ganz besonderen Geste: "Ich würde umsonst spielen, aber das ist nicht erlaubt", betonte er, dass er für das Ausüben seiner großen Liebe Fußball keinerlei finanzielle Ansprüche mehr hat. Das Mindestgehalt in Höhe von vergleichsweise läppischen 91.000 Euro pro Jahr "muss" er beziehen, während sich Cazorla in den Vertrag schreiben ließ, das zehn Prozent der Erlöse aus den Verkäufen seines Trikots in die Nachwuchsabteilung Oviedos fließen.

    "Meine Frau sagte: 'Nein, du gehst da nicht hin, um Geld zu verdienen, sondern um Spaß zu haben, um zu geben und zu helfen'", erklärte Cazorla, als er im Sommer 2023 zurück nach Hause kam. "Ich habe meinen Berater angerufen und gesagt, dass ich kein Geld will."

  • Santi Cazorla und der Traum vom Aufstieg mit seinem Heimatklub

    Zunächst unterschrieb er für ein Jahr, das nicht optimal lief und in dem ihn Verletzungsprobleme mitunter ausbremsten. Dennoch kam der Altstar immerhin auf 26 Pflichtspieleinsätze, doch die Saison endete extrem bitter: Auch im vergangenen Jahr schaffte es Oviedo ins Finale der Aufstiegsplayoffs und stand nach einem 1:0-Hinspielsieg über Espanyol Barcelona schon mit einem Bein in LaLiga - doch das Rückspiel ging mit 0:2 verloren. Cazorla wurde dabei für die letzte halbe Stunde eingewechselt, konnte aber auch nichts mehr an der Niederlage ändern.

    Es spricht für Cazorlas Willen, dass er sich danach dazu entschied, noch ein weiteres Jahr dran zu hängen. Dazu beizutragen, Oviedo zurück in Spaniens Oberhaus zu führen, würde ihm die Welt bedeuten. Zu Kinder- und Jugendtagen hatte Cazorla eine lange erstklassige Phase des Klubs von 1988 bis 2001 miterlebt, war Balljunge. Seit mittlerweile 24 Jahren bemüht man sich in Oviedo vergeblich um den Wiederaufstieg, zwischenzeitlich war man sogar in die dritte Liga abgestürzt.

    Dass man nun erneut daran schnuppert, wieder nach oben zu kommen, daran hatte Cazorla auch schon vor seinem umjubelten Tor gegen Almeria durchaus seinen Anteil. 34 Spiele absolvierte er bisher, führte die Mannschaft mehrfach als Kapitän auf den Platz und war an neun Toren direkt beteiligt (vier Treffer, fünf Assists).

    Bitter: Für das Hinspiel des Playoff-Finals bei CD Mirandes fiel Cazorla kurzfristig aus, Oviedo verlor mit 0:1. Für das Rückspiel vor heimischer Kulisse am Samstag, bei dem Cazorla unbedingt wieder dabei sein will, ist aber noch alles offen. Mit Oviedo aufzusteigen wäre "der perfekte Abschluss meiner Laufbahn, diese Menschen hier haben es verdient", sagte Cazorla und legte damit nahe, dass er diesen Sommer seine Karriere beendet. Aber man weiß ja nie, was er vor hat, sollte sich tatsächlich die Chance ergeben, noch einmal mit seinem Heimatklub in LaLiga aufzulaufen. "Ich habe ein paar Pausen gemacht und werde vielleicht bald wieder eine einlegen. Ich spiele zwei Jahre, mache dann zwei Jahre Pause - so lange, wie ich kann", ließ Cazorla Raum für Spekulationen.

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