Vincent KompanyGetty Images

"Ich weiß nicht, warum Tuchel und Nagelsmann das nicht wissen": Was Vincent Kompany seinen Vorgängern beim FC Bayern München voraus hat

Seit 16 Jahren leitet Kris van der Haegen die Trainerausbildung in Brüssel. 2023 machten Kompany und Maric gemeinsam ihre Abschlüsse. Für van der Haegen waren es "die beiden intelligentesten Menschen", die ihm in all seinen Kursen je untergekommen sind. Der österreichische Ex-Blogger Maric wechselte im Herbst 2023 zum FC Bayern und arbeitete zunächst im Nachwuchsbereich. 2024 übernahm Kompany den Cheftrainer-Posten und machte seinen Weggefährten zum Co-Trainer.

  • Herr van der Haegen, Sie haben 2023 den Trainerlehrgang geleitet, bei dem Vincent Kompany und Rene Maric ihre UEFA Pro-Lizenzen erworben haben. Wie eng waren die beiden damals?

    Van der Haegen: Sie hatten von Beginn an eine besondere Beziehung. In den Pausen haben sie immer zu zweit über Fußball diskutiert und auch danach sind sie oft noch zusammengesessen. Da haben sich zwei Verrückte gefunden. Ich hatte sofort das Gefühl, dass Vincent Rene unbedingt mal in seinem Team haben will. Als ich gelesen habe, dass sie bei Bayern zusammenarbeiten werden, habe ich ihnen ein gemeinsames Foto von damals geschickt. Die beiden sind das perfekte Duo, ein Dreamteam. Ich leite die Trainerausbildung in Belgien seit 16 Jahren. Vincent und Rene sind die beiden intelligentesten Menschen, die mir in meinen Kursen je untergekommen sind.

    Was zeichnet Kompany aus?

    Van der Haegen: Er hat eine ganz besondere Aura und natürliche Führungsqualitäten. Wenn Vincent spricht, hört jeder zu. Er hätte auf jeden Fall das Potenzial, Kanzler zu werden. Wenn man ihn vor einen Berg stellt - und das kann der Mount Everest sein -, dann will er ihn sofort besteigen. Und schafft das auch. Vincent hat nie Angst. Wenn man bei ihm eine Schwäche finden will, dann ist es vielleicht, dass er zu selbstbewusst ist.

    Vielleicht etwas zu selbstbewusst war zunächst auch seine Spielweise beim FC Bayern. Man denke an die 1:4-Pleite gegen den FC Barcelona in der Champions-League-Vorrunde.

    Van der Haegen: Dieses Spiel zwischen Barca und Bayern war für mich ein Paradebeispiel für modernen Fußball. Das war eines der besten Spiele, das ich je gesehen habe. Vincent und Barca-Trainer Hansi Flick wissen, dass Fußball eine Unterhaltungsindustrie ist. Beiden geht es in erster Linie darum, Tore zu erzielen. Leider ist das Flicks Mannschaft in diesem Spiel besser gelungen.

    Wahrscheinlich als Reaktion auf die Pleite hat Kompany seine Mannschaft anschließend etwas weniger risikofreudig eingestellt.

    Van der Haegen: Vincent hat eine Idee und wird sie niemals ändern. Lieber stirbt er, als das zu tun. Da ist er wie Pep Guardiola. Es ist gut, dass es solche Gurus wie Pep oder Vincent gibt. Nach dem Barca-Spiel hat er sich offensichtlich Gedanken gemacht, wie er seiner Idee treu bleiben, die Siegchancen seiner Mannschaft aber gleichzeitig erhöhen kann. Manche Spieler brauchen etwas Zeit, um mit Vincents Spielweise samt großem Loch hinter der Abwehrreihe umgehen zu können. Bei diesem Spiel hat sich seine Mannschaft offensichtlich nicht ganz wohl gefühlt mit seiner Spielweise. In solchen Momenten ist es wichtig, auf die Spieler zu hören und Flexibilität zu beweisen. Also hat Vincent von sehr, sehr riskant auf sehr riskant umgestellt.

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  • Kompany, MaricImago

    Van der Haegen: "Das ist der Unterschied zwischen Vincent und Tuchel und Nagelsmann"

    Auffällig bei Kompany ist, dass er seine Spieler nie öffentlich kritisiert - ganz anders als seine Vorgänger Julian Nagelsmann und Thomas Tuchel.

    Van der Haegen: Kennen Sie einen Spieler, der gerne öffentlich kritisiert wird? Ich nicht. Niemand will das. Man sollte seine Spieler so behandeln, wie man als Spieler gerne selbst behandelt werden will. Das ist der Unterschied zwischen einerseits Vincent und andererseits Tuchel und Nagelsmann. Vincent war selbst ein Weltklasse-Spieler. Er weiß, wie ein solcher behandelt werden will. Ich weiß nicht, warum Tuchel und Nagelsmann das nicht wissen. In Einzelgesprächen kritisiert Vincent seine Spieler sicherlich hart und gibt sicherlich sehr kritisches Feedback, aber öffentlich macht er das nie. Dieses Vorgehen ist auch ein Kernpunkt unserer Vorlesungen zum Thema Medienarbeit.

    Wie erleben Sie Kompany bei seinen Pressekonferenzen und Interviews?

    Van der Haegen: Meiner Meinung nach verhält er sich da sehr klug und professionell. Er steigt nicht in die Fallen der Journalisten. Beachtlich finde ich auch, dass noch nie etwas Privates oder Details aus seinem Familienleben in die Öffentlichkeit geraten ist.

    Was sind Ihre Erinnerungen an Kompanys Co-Trainer Rene Maric?

    Van der Haegen: Am damaligen Lehrgang nahmen hauptsächlich Ex-Profis teil. Rene kommt aus einer ganz anderen Richtung, er hatte also auch ganz andere Ansätze. Damit hat er den Kurs sehr bereichert. In Sachen Fußball-Methodik ist Rene ein Genie. Er kann komplizierte Sachverhalte einfach erklären und Resultate von Analysen in zielführende Trainingsformen übertragen. Dazu arbeitet er extrem schnell. Da habe ich auch eine gute Geschichte parat.

    Bitte!

    Van der Haegen: Rene hat bei meinen Vorträgen immer zugehört und sich mit klugen Wortmeldungen beteiligt - aber gleichzeitig permanent in seinen Laptop getippt. Direkt nach Ende des Kurses hat er allen Teilnehmern ein 120 Seiten langes Dokument geschickt inklusive Notizen zu meiner Vorlesung, Fotos, Videos und Wortmeldungen der Teilnehmer. Das war Wahnsinn. Er kann also gleichzeitig zuhören, sprechen und tippen. Nachdem ich ihm seine Lizenz überreicht habe, hat er mich gefragt, ob ich ihm noch einen Ratschlag mit auf den Weg geben kann. Ich habe erwidert: "Ja, eine Sache: Geh' nicht davon aus, dass jeder, mit dem du im Fußball-Business zu tun haben wirst, so ein Fußballwissen hat wie du."

  • "Ein Genie", "der Trainer der Zukunft": Van der Haegen huldigt Rene Maric

    Wie kam es eigentlich, dass der Österreicher Maric den Lehrgang bei Ihnen in Belgien absolviert hat?

    Van der Haegen: Ich habe ihn schon vor circa zehn Jahren bei einem Kongress in Saudi-Arabien kennengelernt. Damals hat er einen Vortrag über die Magie von Rondos gehalten. Danach haben wir uns unterhalten und ein paar Materialien ausgetauscht. Als die Corona-Pandemie losging, hat der damalige belgische Nationaltrainer Roberto Martinez angeregt, einen Trainerlehrgang für unsere Nationalspieler anzubieten. Die hatten nichts zu tun, denen war langweilig. Wir haben den Plan umgesetzt. Mit Axel Witsel und Thomas Meunier waren auch zwei Spieler von Borussia Dortmund dabei.

    Maric war damals Co-Trainer beim BVB.

    Van der Haegen: Genau! Teil der Ausbildung war es, dass die Teilnehmer praktische Übungen mit Jugendmannschaften ihres jeweiligen Klubs machen mussten. Außerdem sollten sie sich einen Mentor im Trainerstab suchen, mit dem ich kommunizieren kann. Axel und Thomas haben sich für Rene entschieden. So sind wir beide lange nach dem Kennenlernen in Saudi-Arabien wieder in Kontakt gekommen. Rene hat damals zufällig nach einem Platz für die Pro-Lizenz gesucht und mich gefragt, ob er das bei mir in Belgien machen könnte. Brüssel ist aus Dortmund schneller zu erreichen als Wien.

    Im Profibereich war Maric bisher nur Co-Trainer. Zuletzt gab es Gerüchte, dass er bald einen Chefposten übernehmen könnte. Hat er das Zeug dazu?

    Van der Haegen: Ich glaube, er ist bereit. Rene ist für mich der Trainer der Zukunft. Ich habe schon mehreren belgischen Topklubs empfohlen, ihn als Cheftrainer zu verpflichten. Bei Leeds United war er Co-Trainer von Jesse Marsch. Als Marsch entlassen wurde, wollten die Spieler Rene dazu bewegen, dass er sich als neuer Chef anbietet. Aber Rene signalisierte dem Management nicht, dass er Marschs Nachfolge antreten will.

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