"Ich marschiere vorneweg": Bayern-Patron Uli Hoeneß brach sein Versprechen - Pep Guardiola hinterließ Pilz

Bis heute hatte der FC Bayern in der Allianz Arena zwar ein bisschen mehr zu feiern als der TSV 1860 und daran dürfte sich auch nichts mehr ändern. Aber immerhin eins kann den Löwen niemand nehmen: den allerersten Sieg. Beim Eröffnungsspiel setzte sich die Traditionsmannschaft des TSV 1860 vor rund 30.000 Zuschauern gegen die alten Herren des Rivalen durch. Nach frühem 0:3 Rückstand verkürzten Ludwig Kögl und Karl-Heinz Rummenigge zwar noch, Lothar Matthäus vergab per Elfmeter kurz vor Schluss aber die große Chance auf den Ausgleich.

Das Traditionsduell war übrigens nur Teil 1 einer wahren Eröffnungs-Orgie. Tags darauf gewannen die Profis des TSV 1860 ein Freundschaftsspiel gegen den 1. FC Nürnberg, ehe abermals eine Nacht später der FC Bayern die deutsche Nationalmannschaft 4:2 besiegte. "Ich kenne fast alle Stadien der Welt", sagte Franz Beckenbauer anschließend. "Aber ein solches Stadion habe ich noch nie gesehen. Es ist wunderschön geworden, wir können alle stolz sein."

Der mittlerweile verstorbene Beckenbauer selbst hatte übrigens großen Anteil am Bau der Allianz Arena. Einerseits fungierte der Kaiser damals als Präsident des FC Bayern, andererseits holte er die WM 2006 federführend nach Deutschland. Mit welchen Hilfsmitteln auch immer. Beim Turnier stand das neue Stadion erstmals im internationalen Fokus.

Hier bestritt Deutschland das Eröffnungsspiel, hier begründete Philipp Lahm mit einem Traumtor zur 1:0-Führung gegen Costa Rica das Sommermärchen. Fünf weitere WM-Spiele fanden anschließend noch in der Allianz Arena statt. Unter anderem Deutschlands Achtelfinal-Sieg gegen Schweden, die große LuLuLu-Lukas-Podolski-Show.

Anstoß Real, Gago, Roberto Carlos, Ballgewinn von Hasan Salihamidzic, Roy Makaay, Tor. Exakt 10,12 Sekunden dauerte diese Sequenz beim Achtelfinal-Rückspiel der Champions League im März 2007 zwischen dem FC Bayern und Real Madrid. Es ist bis heute das schnellste Tor in der Geschichte des Wettbewerbs. Das Phantom machte seinem Namen alle Ehre.

Der FC Bayern gewann letztlich 2:1 und zog dank der Auswärtstorregel ins Viertelfinale ein. Schnell und wichtig, ja gut - aber sonst? "Das Tor schafft es nicht einmal in meine persönliche Top-10", sagte Makaay später im Interview mit SPOX.

Dank seiner schlagkräftigen Traditionsmannschaft hat der TSV 1860 zwar das inoffizielle Auftakt-Derby in der Allianz Arena gewonnen. Das erste - und bis heute übrigens auch letzte - Pflichtspiel zwischen den Profimannschaften der Münchner Rivalen entschied aber der FC Bayern für sich.

Februar 2008, Viertelfinale im DFB-Pokal. "In der ganzen Stadt hat es richtig geknistert", erinnert sich der damalige Löwen-Kapitän Danny Schwarz später im Gespräch mit SPOX. "Leider hat es für uns sehr bitter geendet." In der Nachspielzeit der Verlängerung chippte Franck Ribéry einen höchst umstrittenen Elfmeter im zweiten Versuch zum 1:0 ins Tor.

Zum Auftakt drei Bundesligaspiele ohne Sieg: Die letztlich so wegweisende Amtszeit von Trainer Louis van Gaal beim FC Bayern drohte schon früh zu scheitern, doch dann überfiel Robbery die Allianz Arena.

Nach seinem Last-Minute-Transfer von Real Madrid stand Robben am 4. Spieltag gegen den VfL Wolfsburg erstmals im Kader. Anfang der zweiten Halbzeit wechselte ihn van Gaal gemeinsam mit Ribery ein. Rib und Rob harmonierten sofort blendend, fabrizierten in Co-Produktion zwei Treffer und verschmolzen zu Robbery. Der FC Bayern gewann 3:0, holte am Ende der Saison beinahe das Triple und hatte Flügel für die kommende Dekade.

Auf den Außenbahnen wirbelten nun Ribery und Robben und im Zentrum dirigierte der von van Gaal zum Sechser umfunktionierte Bastian Schweinsteiger. Nur, wie lange noch? Real Madrid und Inter Mailand hatten großes Interesse an einer Verpflichtung. Nach einem intensiven Poker verlängerte das Eigengewächs schließlich doch noch bis 2016.

Für die Verkündung nutzte Schweinsteiger die größtmögliche Bühne. Nach einem 3:0-Sieg gegen den FC St. Pauli im Dezember 2010 ging das Licht in der Allianz Arena aus, ein heller Kegel beleuchtete Schweinsteiger. Er schnappte sich ein Mikrofon und sagte: "Liebe Bayern-Fans. Ich wollte es euch zu allererst mitteilen. Ich bin zwölf Jahre bei den Bayern und habe meinen Vertrag um fünf Jahre verlängert für euch." Die Fans jubeln, Schweinsteiger küsst das Bayern-Logo.

Eine weitere tragende Säule der anstehenden Münchner Erfolgsära war in der Allianz Arena zunächst gar nicht willkommen. Als sich das Interesse des FC Bayern an Manuel Neuer konkretisierte, rebellierten die roten Fans. Nicht, weil sie an den Fähigkeiten des damals 24-jährigen Keepers vom FC Schalke 04 zweifelten. Sondern wegen seiner Vergangenheit als königsblauer Ultra. Ihren Höhepunkt fanden die Proteste im März 2011 beim direkten Aufeinandertreffen im Pokal-Halbfinale.

Neuer wurde bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen, dazu hielten tausende Fans in der Münchner Südkurve Zettel mit dem Aufdruck "Koan Neuer" hoch. Unbeirrt davon (oder weil der gebürtige Gelsenkirchener den Münchner Dialekt nicht entziffern konnte) avancierte Neuer mit starken Paraden zum Matchwinner. "Ich möchte mich bei Manuel Neuer im Namen des FC Bayern entschuldigen", sagte Bayern-Boss Rummenigge anschließend. Im Sommer wechselte Neuer trotz der Proteste nach München und ist mittlerweile sogar Kapitän.

Schlimmer als 1999 in Barcelona gegen Manchester United, das ist nicht möglich. Dachten sie beim FC Bayern und wurden am 19. Mai 2012 eines Besseren belehrt. Im siebten Jahr ihres Bestehens fand erstmals ein Champions-League-Endspiel in der Allianz Arena statt und der FC Bayern erfüllte sich tatsächlich den Traum vom Finale dahoam.

Dort dominierten die Münchner in beeindruckender Manier einen destruktiven FC Chelsea und gingen kurz vor Schluss durch Thomas Müller sogar in Führung. Noch kürzer vor Schluss bekam Chelsea aber noch eine Ecke. "And now: Goal", flüsterte David Luiz Schweinsteiger ins Ohr und so kam es. Didier Drogba erzielte den Ausgleich, in der Verlängerung vergab Robben vom Punkt, im Elfmeterschießen traf Schweinsteiger nur das Aluminium und am Ende jubelte Chelsea. Aus dem Finale dahoam wurde das Drama dahoam.

Diskussionen über die bisweilen arg ausbaufähige Atmosphäre in der Allianz Arena sind so alt wie das Stadion selbst. "Eure Scheißstimmung, da seid ihr doch dafür verantwortlich und nicht wir", rief Uli Hoeneß schon bei der Jahreshauptversammlung 2007. Fortan köchelte der Konflikt zwischen Klub und aktiven Fans vor sich hin. Die einen störten sich am zu kleinen Stehplatzbereich in der Südkurve, den Zugangskontrollen und der Ticketverteilung. Die anderen an "Koan Neuer"-Protesten, kritischen Spruchbändern und Geldstrafen wegen Pyrotechnik.

Ausgerechnet nach der Triple-Saison eskalierte der Streit. Um eine vermeintliche Überfüllung der Südkurve zu vermeiden, installierte der Klub Drehkreuze. Die aktiven Fans quittierten diese Entscheidung bei den ersten Heimspielen der Saison 2013/14 mit einem Stimmungsboykott. Auf den (stillen) Knall folgte eine schrittweise Versöhnung. Das Drehkreuz-System wurde angepasst und im darauffolgenden Sommer der Stehplatzbereich über die ganze Breite der Südkurve ausgeweitet. Die Kapazität erhöhte sich letztlich auf 75.000 Plätze.

Seine bis dato höchste Niederlage in der Allianz Arena kassierte der FC Bayern im April 2014. Mit Trainer Pep Guardiola wollten die Münchner eigentlich den Champions-League-Titel verteidigen. Doch das Halbfinale gegen Real Madrid verkam zur Demütigung, der FC Bayern wurde im eigenen Wohnzimmer vorgeführt.

Nach der 0:1-Pleite im Hinspiel ließ sich Guardiola von seinen Spielern zu einer hemmungslosen Offensiv-Taktik beim Rückspiel in der Allianz Arena überreden. Die Quittung: 0:4. Cristiano Ronaldo und Sergio Ramos erzielten jeweils einen Doppelpack. Auch in den beiden darauffolgenden Jahren scheiterte Guardiola mit dem FC Bayern im Halbfinale.

Der FC Bayern lag an diesem 22. September 2015 zur Pause 0:1 gegen den VfL Wolfsburg zurück, da hatte Guardiola eine Idee: Robert Lewandowski einwechseln! Diese Maßnahme sollte sich lohnen. Zwischen Minute 51 und 60 schoss der polnische Stürmer in exakt 8 Minuten und 59 Sekunden sagenhafte fünf Tore.

Diese Leistung bescherte Lewandowski gleich vier Einträge ins Guinness-Buch der Rekorde: schnellster Dreierpack, schnellster Viererpack, schnellster Fünferpack, meiste Tore nach einer Einwechslung. Den Rekord für die meisten Tore in einem Bundesligaspiel verpasste Lewandowski aber, den hält weiterhin Dieter Müller. Für den 1. FC Köln erzielte Müller 1977 einen Sechserpack gegen Werder Bremen.

Guardiola wollte in München perfekte Bedingungen für sein geliebtes Kurzpassspiel schaffen und dachte dabei auch an die Spielfläche. Auf sein Betreiben hin verlegte der FC Bayern 2014 einen Hybridrasen, dabei handelt es sich um eine Mischform aus echten Grashalmen und Kunstfasern. Etwa eine Million Euro kostete die Anschaffung. Besser wurde das Geläuf dadurch aber nicht, ganz im Gegenteil.

Kurz nach Guardiolas Abschied litt der Hybridrasen unter einem Pilzbefall. "Ich bin schon lange beim FC Bayern, aber so etwas wie den Platz habe ich noch nie gesehen", klagte Ribery. Mit mäßigem Erfolg kehrten die Münchner zum Naturrasen zurück. Nach Kritik der damaligen Trainer Julian Nagelsmann und Thomas Tuchel folgte 2023 die neuerliche Kehrtwende. Zurück zum Hybridrasen, diesmal mit einem besseren Modell.

Ach ja, die Löwen! Die spielten zwölf Jahre nach der Eröffnung tatsächlich auch immer noch in der Allianz Arena. Glücklich waren sie darüber aber keineswegs. Die Beteiligung am Bau des viel zu großen Stadions hatte den TSV 1860 an den Rande des finanziellen Ruins und in die Hände des jordanischen Investors Hasan Ismaik getrieben. Ihre Anteile am Stadion mussten die Löwen zur Schuldentilgung bereits 2006 an den FC Bayern verkaufen, längst waren sie nur noch Mieter.

Bei ihren Heimspielen in der Allianz Arena schimmerten die großen freien Flächen im Stadion so grau wie die Tabellenplatzierungen im Mittelfeld der 2. Bundesliga. Die Fans wünschten sich nichts sehnlicher als eine Rückkehr ins geliebte Grünwalder Stadion. In Erfüllung ging der Traum schließlich unter tragischen Umständen im Mai 2017.

Nach einer aberwitzigen Saison verabschiedete sich der TSV 1860 vor 62.200 Zuschauern in der Relegation gegen Jahn Regensburg aus der 2. Bundesliga. Während der Himmel blitzte und die Arena letztmals blau leuchtete, zerlegten die Fans zum Abschied ihre stets fremde Heimat in der Nordkurve. Sitzschalen und Stangen flogen auf den Platz und der TSV in Ermangelung einer Lizenz für die 3. Liga hinab in die viertklassige Regionalliga Bayern.

"An dem Tag, an dem sie ausziehen, marschieren wir mit der Blaskapelle und ich marschiere vorneweg", versprach Hoeneß vollmundig bei der Jahreshauptversammlung 2012. Eingehalten hat er dieses Versprechen bis heute nicht. Aber dafür gestaltete der FC Bayern im Sommer 2018 die nun allein bespielte Arena um: Der Mittelrang bekam rote Sitzschalen, die Nordkurve ein Logo, die Gegengerade den Schriftzug "FC Bayern München" und die Haupttribüne den Slogan "Mia san mia".

Zehn Jahre nach ihrem ersten gemeinsamen Auftritt gegen Wolfsburg feierte Robbery am letzten Spieltag der Saison 2018/19 einen emotionalen Abschied aus der Allianz Arena. Für die Titelverteidigung brauchte der FC Bayern im Fernduell mit Borussia Dortmund nur noch einen Punkt. Der gelang mit einem 5:1-Sieg gegen Eintracht Frankfurt locker.

Als die Münchner Mitte der zweiten Halbzeit komfortabel führten, kamen der 36-jährige Ribery und der ein Jahr jüngere Robben ins Spiel und markierten jeweils noch ein Tor. Tränen bei Hoeneß, Jubeeel rundherum. Kitschiger? Kaum möglich. Erstmals seit 2000 fixierte der FC Bayern den Meistertitel in einem Heimspiel - und somit erstmals überhaupt in der Allianz Arena. Kurz darauf gelang mit dem Sieg im DFB-Pokal-Finale das Double.

Die Corona-Schreckensmeldungen überschlugen sich bereits, aber am 8. März 2020 erlebte die Allianz Arena noch ein letztes Fußballfest. Anlässlich des 120. Geburtstags ihres Klubs schmückten die Ultras das gesamte Stadion mit einer gigantischen Choreographie. Die Spieler liefen in Sondertrikots in Anlehnung an die Dressen beim ersten Meistertitel 1932 auf und gewannen 2:0.

Mit diesen Eindrücken verschwanden Jubel und Gesänge von den Rängen der Allianz Arena, über ein Jahr lang war bei den Geisterspielen nur Radio Müller zu hören. Erst im Mai 2021 kehrten die Fans zurück. 250 durften ein Heimspiel gegen Augsburg vor Ort verfolgen. Vollauslastung gab es erst wieder im April 2022 - kurioserweise wieder gegen Augsburg.

Das Allianz-Arena-Bild des Jahres 2021 ist ein Bild, das es nicht gab. Als Zeichen gegen ein LGBTQ-feindliches Gesetz der ungarischen Regierung wollte die Stadt München das Stadion beim EM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Ungarn in den Regenbogenfarben beleuchten. Einen entsprechenden Antrag lehnte die UEFA aber ab. Sie sei "gemäß ihrer Satzung eine politisch und religiös neutrale Organisation", hieß es in einer Stellungnahme.

Ein Zeichen setzte immerhin Leon Goretzka: Nach seinem vielumjubelten Ausgleich kurz vor Schluss lief er vor den schwarzen Ungarn-Block und formte seine Hände zu einem Herz. Deutschland schaffte es statt Ungarn zwar ins Achtelfinale, scheiterte dort aber an England. Insgesamt stiegen vier EM-Spiele in der Allianz Arena.

Im November 2022 gab es in der Allianz Arena erstmals eine andere Sportart als Fußball zu sehen. Im Rahmen ihrer International Series fand hier das NFL-Spiel zwischen den Tampa Bay Buccaneers und den Seattle Seahawks statt. Die Fans waren begeistert, wie sich bei der Ticket-Nachfrage zeigte. Die Spieler dafür empört.

"Die NFL lässt uns zehn Stunden fliegen, damit wir auf so einem beschissenen Feld spielen. Das ist einfach verrückt", klagte Bruce Irvin von den Seahawks. Gegenspieler Mike Evans sagte lapidar: "Der Rasen in Deutschland war der schlechteste, auf dem ich je gespielt habe." Dennoch kehrte die NFL im November 2024 für ein weiteres Spiel nach München zurück.

Als erster Spieler wurde der zwei Jahre zuvor verstorbene Gerd Müller im September 2023 mit einer Statue vor der Allianz Arena geehrt. Die Bronzeskulptur des Künstlers Karel Fron zeigt den Bomber der Nation in seiner ikonischen Jubelpose mit ausgestreckten Armen.

2025 bekam die Allianz Arena zu Ehren des kurz zuvor verstorbenen Franz Beckenbauer eine neue Adresse: Statt an der Werner-Heisenberg-Allee 25 liegt das Stadion seitdem am Franz-Beckenbauer-Platz 5. Neuerdings hängt auch ein riesiges Abbild seines Trikots am Dach über der Südkurve.

Nach 2006 und 2021 fanden bei der EM 2024 zum dritten Mal Spiele eines großen Turniers in der Allianz Arena statt. Insgesamt sechs Stück, wie schon 2006 bestritt Deutschland wieder das Auftaktspiel in der Allianz Arena. Die Rolle von Philipp Lahm übernahm diesmal Florian Wirtz, er eröffnete das 5:1-Schützenfest gegen Schottland. Jamal Musiala, Kai Havertz, Niclas Füllkrug und Emre Can legten nach.

"Das war eines meiner Lieblingsspiele in meiner Karriere bislang", verriet Musiala später. Deutschlands Mini-Sommermärchen endete in einem dramatischen Viertelfinale gegen Spanien. Als Sündenbock musste Marc Cucurella herhalten, dessen Elfmeter-würdiges Handspiel nicht geahndet wurde. Bei Spaniens Halbfinal-Sieg gegen Frankreich wurde er vom Münchner Publikum in der Allianz Arena gnadenlos ausgepfiffen.