"Ich glaube, er versucht, seine eigene Identität zu finden": Warum bei BVB-Kandidat Jobe Belingham nicht der Nachname auf dem Trikot steht

Und nun, aber auch währenddessen, ist der zwei Jahre jüngere, aber fünf Zentimeter größere Bruder von Real Madrids Jude Gegenstand zahlreicher Transferspekulationen. Bellingham wurde von mehreren Seiten umgarnt. Ganz besonders auch von Borussia Dortmund, dem Ex-Klub von Jude.

Dem BVB gab er nun offensichtlich den Zuschlag. Geht der Transfer rechtzeitig bis zum 10. Juni über die Bühne, winkt Bellingham auf Anhieb die Teilnahme an der Klub-WM - bei der auch sein Bruder auflaufen wird. In kurzer Zeit ganz schön viel Holz, das es da für einen Menschen dieses Alters zu verarbeiten gibt.

Doch nach allem, was man sieht und hört, dürfte dies Bellingham allenfalls geringe Schwierigkeiten bereiten. Mit ihm bekäme Dortmund einen Spieler, der - und das ist jetzt natürlich auch keine allzu große Überraschung - seinem Bruder in vielerlei Hinsicht ähnelt.

Dabei war es bislang stets Jobes Ziel, sich von Jude abzuheben und seine eigene Geschichte zu schreiben. Dieses Bestreben war auch einer der Gründe, weshalb er sich 2023 nach bereits einer Saison im Profi-Team für einen Abgang von Birmingham City entschied. 26 Pflichtspiele hatte er da gerade einmal für seinen Heimatverein absolviert, für den er mit 16 debütierte. In sechs davon stand er in der Startelf.

In Sunderland bat Bellingham dann am Abend vor dem Auftaktspiel gegen Ipswich Town den Klub, nicht den Namen "Bellingham" auf sein Trikot zu drucken. Die EFL (English Football League) erteilte die Genehmigung dafür, seitdem steht "Jobe" hinten drauf. "Ich glaube, er versucht, seine eigene Identität zu finden. Er will nicht im Schatten seines Bruders stehen, sondern als Fußballer anerkannt werden und den Leuten zeigen, was er kann", sagte der damalige Trainer Tony Mowbray - übrigens einer von vier Übungsleitern, unter denen Bellingham für den AFC spielte.

Insofern überraschte es nun einige Beobachter rund um Sunderland, dass sich Bellingham für den BVB entschied. Doch dieser gewaltige Schritt auf ein deutlich höheres Niveau zu einem ambitionierten Klub, der Champions-League-Fußball, aber auch einen größeren Druck bietet, muss wohl überlegt sein. Und da trifft es sich gut, wenn man jemanden in der Familie hat, der fünf Jahre zuvor beim selben Arbeitgeber eine hervorragende Entwicklung hinlegte - die Jobe freilich viele Male persönlich vor Ort unter die Lupe genommen hat.

Er weiß also, was er an der Borussia hat und dort bekommt. Geht der Deal für die anvisierte Ablösesumme in Höhe von rund 30 Millionen Euro über die Bühne, verstärken sich die Westfalen mit einem Akteur, der im Stahlbad Championship schon 109 Pflichtspiele (bei Jude waren es einst 44) in den Knochen hat und eine außergewöhnliche Physis mitbringt. Von seinen 90 Partien für Sunderland stand Bellingham 86-mal in der Startelf und spielte 67 Spiele davon über die kompletten 90 Minuten.

Bellingham ging dieses Pensum auf Anhieb und ohne größere Probleme mit, verletzt fehlte er Sunderland in lediglich einer Begegnung. Der viermalige U21-Nationalspieler Englands bestach dabei mit großer Laufstärke und Athletik, er zeigte sich robust in den direkten Duellen und gehörte zu den Anführern im Team.

Bellingham spielte dabei meist als einer von zwei Achtern in einem 4-3-3 oder als einer von zwei Sechsern in einem 4-2-3-1. Als körperlich dominanter Kicker agiert er meist tiefer, als es sein Bruder für den BVB tat, beschützt die Abwehrkette und leitet selbst Konter ein.

Bellingham bewies in seinen zwei Jahren in der nordenglischen Hafenstadt aber auch seine Vielseitigkeit, Spielintelligenz und Lernfähigkeit. Einige Male spielte er auf der Zehn und sogar als Stürmer, jeweils ohne größeren Leistungsabfall. Bei einem 2:0-Auswärtssieg in Cardiff erzielte Angreifer Bellingham direkt einen Treffer.

Beim BVB dürfte er jedoch als klassischer Box-to-Box-Spieler eingeplant sein und somit in Konkurrenz zu Felix Nmecha, Pascal Groß und Marcel Sabitzer stehen. Beim AFC zeigte er dort seine besten Vorstellungen, indem er in Ballbesitz die Kugel nach vorne trieb und zahlreiche Konter der Gegner durch fleißige Defensivläufe unterband.

Was ihm noch abgeht, ist eine höhere Kreativität am Ball. Bellingham verliert das Spielgerät nur selten, aber er legt es auch nicht oft auf riskante Zuspiele an. Eher sieht man ihn mit dem Ball Richtung letztes Drittel laufen und ihn dann zu den Flügelspielern passen, um anschließend selbst mit Tiefenläufen rund um oder im Strafraum aufzutauchen. Elf Tore und vier Vorlagen gelangen ihm in Sunderland, wo er zuletzt ins Team der vergangenen Saison gewählt und als bester junger Spieler ausgezeichnet wurde - wie sein Bruder im Jahr 2020.

Und was ist nun mit den permanenten Vergleichen zu Jude, aufgrund derer es lange hieß, Bellingham würde den BVB gerade deshalb scheuen? Große Ähnlichkeiten in Sachen Bewegungsablauf, Reife, Mentalität, Sieger-Gen und selbst Frisur sind ja nicht von der Hand zu weisen.

Halb so wild, sagen Beobachter - Vergleiche gab es ja schließlich auch in England. Gerade gegnerische Fans schmähten Bellingham häufig und behaupteten, er verdanke seinen guten Ruf nur dem Bruder. Schwächer auf dem Spielfeld wurde Jobe dadurch allerdings nie. Das starke Netzwerk um ihn herum, das aus Familie, Freunden und Beratern besteht, hat die Gebrüder Bellingham sehr widerstandsfähig werden lassen.

"Die Vergleiche werden sich nicht auf seine Leistungen auswirken", hört man unisono aus Sunderland und bekommt eindringlich den Grund dafür nachgeschoben: "Weil er ein riesiges Talent ist."