Emmanuel Eboue Arsenal 2010Getty Images

"Ich bete zu Gott, dass er diese Gedanken aus meinem Kopf vertreibt": Der ehemals beste Rechtsverteidiger der Champions League stürzte komplett ab und dachte sogar an Selbstmord

Um die Persönlichkeit von Emmanuel Eboué zu beschreiben, hilft diese Anekdote von Emmanuel Adebayor, mit dem er einst beim FC Arsenal die Umkleidekabine teilte: "Ich war auf einer Weihnachtsfeier im Haus von Gilberto Silva. Es gab keine besondere Kleiderordnung. Doch Eboué hatte sich als Tiger verkleidet, inklusive Schwanz, und versteckte sich hinter der Tür. Als ich ankam, sprang er heraus und brüllte, um mich zu erschrecken. Ich geriet zuerst in Panik, dachte dann aber sofort: 'Ah, das ist doch nur Eboué.'"
Eboué galt als Witzbold der Gunners, auch sportlich war eine feste Größe bei Arsenal. Für den Londoner Klub kam er in fast sieben Jahren auf über 200 Einsätze. Geboren und aufgewachsen an der Elfenbeinküste, wechselte er von Beveren nach London. In seiner ersten vollen Saison bei Arsenal verpasste Eboué 2005/2006 nur knapp den Titel in der Champions League, verlor im Finale mit 1:2 gegen den FC Barcelona und stellte mit Arsenal einen neuen Rekord für Zu-Null-Spiele auf.
Es ist kein Zufall, dass der Ivorer am Ende des Jahres von der UEFA ins Team der Saison gewählt wurde. Für viele Fans und Experten war er der beste Rechtsverteidiger jener Spielzeit. Er profitierte dabei vom verletzungsbedingten Ausfalls Laurens und verdrängte den Invincible aus der Stammelf Arsène Wengers. Drei Jahre lang war er in der Folge Leistungsträger.

  • Emmanuel Eboué: Zahlreiche Verhaltensauffälligkeiten

    Doch nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch in der Kabine war Eboué zu einer festen Größe geworden. Lustige Fotoshootings mit Afrofrisur und Rollschuhen, Unberechenbarkeit auf dem Spielfeld und auf der Bank, wo er einmal während eines Spiels einschlief. Legendär ist auch eine Szene von der WM 2010, als er im Spiel seiner Elfenbeinküste gegen Südkorea so tat, als hätte er die taktischen Anweisungen an seinen Gegenspieler verstanden ...

    "Manchmal steckt er sich das Essen in die Nase", erzählte Adebayor weiter. Im Jahr 2007 traf er im Buckingham Palace die Queen und bot ihr an, auf ihre Corgi-Hunde aufzupassen.
    Als Eboué Arsenal 2011 verließ, übernahm der Franzose Bacary Sagna seinen Platz. Eboué entschied sich, einen langfristigen Vertrag bei Galatasaray Istanbul zu unterzeichnen, das er im Sommer 2015 nach fast einem Jahr ohne Einsatz verließ.
    Sein letztes Spiel für Gala bestritt Eboué am 19. April 2014. Noch einen Monat zuvor hatte er in der Champions League gegen den FC Chelsea gespielt. Er teilte sich das Feld mit Stars wie Wesley Sneijder, Felipe Melo und Didier Drogba.
    In Istanbul wurde er von den Fans für seinen Kampfgeist geliebt und auch für einige "Anti-Fenerbahce"-Ausflüge in der Öffentlichkeit, von denen einige noch immer auf seinem (unbestätigten) Twitter-Profil nachverfolgt werden können. Das ist das Jahr, das den Anfang vom Ende für Eboué bedeutete. Das Jahr, das seine Vergangenheit, seine Streiche, seine Fröhlichkeit auslöschte. Das Jahr, das ihm sein Lächeln nahm.

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  • Stress mit dem Berater führt zur Sperre

    Der Grund dafür war die einjährige Sperre, die ihm die FIFA im März 2016 auferlegt hatte - wegen eines Streits mit seinem ehemaligen Agenten Sébastien Boisseau und einer nicht beglichenen Beraterrechnung. 22 Tage zuvor hatte der 78-fache Nationalspieler in England beim AFC Sunderland unterschrieben, wo er zuvor einen Monat lang auf Probe gespielt hatte.
    Eboué gab Boisseau die Schuld, wusste nach eigenen Angaben nichts von den Schulden. Die FIFA aber sah es anders und sperrte ihn. Das bedeutete praktisch das Ende seiner Laufbahn.
    Eboué schilderte: "Ich wurde von allen Aktivitäten suspendiert. Ich durfte nicht mehr auf Klubebene trainieren. Ich habe alleine trainiert und mich geschämt. Ich ging morgens laufen, andere Leute erkannten mich und kamen, um Fotos mit mir zu machen. Ich musste nachts trainieren, wenn es dunkel war. Zu Hause bleiben konnte ich auch nicht."

  • Emmanuel Eboue and his ex-wifeGetty Images

    Emmanuel Eboué: "Oft schloss ich mich drei oder vier Tage lang in meinem Zimmer ein"

    Eboué berichtete weiter: "Wenn ich meine Kinder sah, fragten sie mich, wann ich wieder auf dem Feld sein würde, also tat ich morgens so, als ginge ich zur Arbeit. (…) Ich blieb weg und kam erst nach Hause, wenn meine Kinder schon im Bett waren, denn ich wollte nicht, dass sie mich fragten, warum sie mich nicht spielen sahen. Oft schloss ich mich drei oder vier Tage lang in meinem Zimmer ein."
    Er bezeichnete sich selbst als "naiv", weil er die Verwaltung seiner Finanzen vollständig anderen überlassen hatte, und verlor durch schlechte Ratschläge einen großen Teil seines Millionenvermögens. Noch schlimmer war die Scheidung von seiner Frau Aurélie, die ihn seelisch und finanziell so zerstörte, dass er an Selbstmord dachte, wie er erklärte.
    "Ich bete zu Gott, dass er diese Gedanken aus meinem Kopf vertreibt. Zu Hause habe ich Angst, weil ich nicht weiß, wann die Kriminalpolizei kommt. Manchmal schalte ich das Licht aus, weil ich nicht will, dass die Leute wissen, dass ich im Haus bin. Manchmal schlafe ich im Haus meines Freundes auf dem Boden", so der FA-Cup-Sieger und zweimalige türkische Meister.
    Den Kontakt zu seinen Kindern habe er nach der Scheidung verloren und er "schäme" sich, wenn er seine alten Weggefährten auf dem Fußballplatz sehe: "Ich denke darüber nach und sage mir, dass ich auch dort sein sollte."

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  • EMMANUEL EBOUE GALATASARAY KASIMPASA STSL 19042014Seskim Photo

    Emmanuel Eboué: "Tief im Inneren weine ich"

    Sein Wunsch war es, wieder in den Profifußball zurückzukehren, denn er hatte das Gefühl, dass er auf dem Spielfeld noch etwas zu geben hatte.
    "Alles, was ich will, ist, wieder Fußball zu spielen. Es ist mir egal, wo, ich würde sogar nach Bagdad oder Pakistan gehen, nur um zu spielen", sagte er später im Interview mit dem britischen Mirror: "Meine Situation macht mich krank, ich schalte den Fernseher nicht mehr ein, wenn ich zu Hause bin. Wenn ich meine Freunde und ehemaligen Mannschaftskameraden spielen sehe, freue ich mich für sie, aber tief im Inneren weine ich. Der Fußball ist eine undankbare Welt, es geht nicht mehr um Talent, sondern um Geld und Geschäft."
    Erst im Oktober 2020 beschloss Eboué, offiziell seine Karriere zu beenden und ein neues Kapitel aufzuschlagen.

  • Galatasaray half Emmanuel Eboué

    Es war Galatasaray, sein ehemaliger Verein, der dem heute 41-Jährigen half, wieder auf die Beine zu kommen und ihm einen Job in der Jugendabteilung gab.
    Auch Arsenal war, wenn auch indirekt, maßgeblich an Eboués Comeback im Fußball beteiligt. Der Mann, der ihm half, seinen Weg zu finden, war Jean-Marc Guillou - ein enger Freund Arsène Wengers und Gründer der Académie de Sol Beni, aus der unter anderem Eboué selbst und Ex-PL-Profi Kolo Touré hervorgegangen waren.
    Mit seiner Hilfe eröffnete Eboué seine eigene Akademie in der Elfenbeinküste, den EEFC - den Emmanuel Eboué Football Club. Für ihn war es die Verwirklichung eines Traums, wie er gegenüber Football London erklärte: "Ich möchte den Jungs mit meinem Wissen helfen, denn ohne Hilfe gäbe es keinen Eboué. Ich war so viel in England und in der Türkei, jetzt habe ich beschlossen, nach Hause zu kommen, um den Jungs im Land zu helfen."
    So fand Eboué nach langer Leidenszeit sein Lächeln wieder.

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