Matthijs de Ligt Manchester United 2025Getty Images

Großbaustelle Abwehr: Zumindest bei Matthijs de Ligt hat der FC Bayern alles richtig gemacht

71.829. Das ist die Anzahl an verifizierten Unterschriften, die eine Petition von Fans des FC Bayern München auf change.org vor etwas weniger als einem Jahr sammelte. Darin ging es darum, dass Matthijs de Ligt auf keinen Fall verkauft werden soll.

"Er hat oft genug bewiesen, dass er ein Weltklasse-Verteidiger ist, wahrscheinlich der beste in unserem Kader", heißt es darin. Max Eberl sah das bekanntlich anders. Aber hat ihm die Saison recht gegeben?

  • Jamie Carragher kritisiert Matthijs de Ligt

    Die oberflächliche und simple Argumentation wäre: Ja. Eberl selbst betonte bereits nach einigen Wochen in dieser Saison, dass er glaube, dass die gezeigten Leistungen seine Handlungen stützen. "Es geht nicht darum, dass wir uns bestätigt fühlen. Matthijs de Ligt war auch ein Top-Innenverteidiger", sagte der Sportvorstand beispielsweise im November: "Wir mussten aber irgendwie eine Entscheidung fällen. Die haben wir gefällt und es funktioniert."

    Auch der Blick auf die bisherige Saison von de Ligt ist eher kein Argument gegen Eberls Entscheidung. Bei Manchester United kommt er zwar auf 3116 Minuten und war bis zu seiner Knieverletzung gesetzt. Doch der Niederländer patzte mehrfach, wurde in England scharf kritisiert. Schon im Oktober griffen die ersten typischen Mechanismen auf der Insel. Ex-Profi Jamie Carragher warf dem Innenverteidiger bei Sky Sports ein schlechtes Stellungsspiel vor: "Zwei riesige Chancen und ein Tor - de Ligt, ein Spieler, der für eine riesige Summe eingekauft wurde, steht die ganze Zeit komplett falsch."

    Von einer klassischen Katastrophensaison kann beim Nationalspieler keine Rede sein, aber richtig bezahlt gemacht haben sich die 45 Millionen Euro bisher nicht für United. Und auch de Ligt kann angesichts seines Potenzials nicht zufrieden sein mit seiner Entwicklung.

    Nach seinen herausragenden ersten Jahren mit Ajax folgten eine durchwachsene Zeit bei Juventus Turin, ein kurzes Hoch beim FC Bayern und nun die chaotische Phase in Manchester.

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  • 1. FC Köln v FC Bayern München - BundesligaGetty Images Sport

    FC Bayern: Alles richtig gemacht bei de Ligt?

    Frei nach dem Motto, dass Fußball ein Ergebnissport ist, dürfte auch der FC Bayern zufrieden damit sein, mit de Ligt noch etwas Geld gemacht zu haben. Wer sich aber intensiver mit Fußball auseinandersetzt, weiß auch, dass es manchmal nicht so simpel ist.

    De Ligt ist bei den Red Devils einer von zahlreichen Transfers, die in den letzten Jahren nicht funktioniert haben. Egal, wen United holt, er wird mit einer hohen Wahrscheinlichkeit schlechter oder zumindest nicht besser. Das gilt übrigens auch für Noussair Mazraoui, den der FC Bayern ebenfalls an United verkauft hat. Dass man in dieser Saison auf dem 16. Tabellenplatz steht und aus 36 Spielen nur 39 Punkte geholt hat, ist eine Katastrophe für den Klub.

    Eine Katastrophe, die vermutlich kein Innenverteidiger der Welt hätte abwenden können. Es ist also zu einfach, mit dem Finger auf de Ligt zu zeigen und seine Leistungen zu kritisieren. Zumal de Ligt sich beim FC Bayern sportlich nichts hat zuschulden kommen lassen.

    In seiner ersten Saison avancierte er zwischenzeitlich zur Lebensversicherung des Rekordmeisters, gewann wichtige Zweikämpfe und klärte komplizierte Situationen teils spektakulär wie im Heimspiel gegen Paris Saint-Germain in der Champions League, als er den Ball noch von der Linie grätschte. De Ligt war anzumerken, dass er in jungen Jahren schon Kapitän war und er unbedingt Verantwortung übernehmen wollte.

    Auch in den umkämpften Duellen mit Real Madrid zeigte der heute 25-Jährige seine Qualitäten. Qualitäten, die von Vincent Kompany offenbar nicht mehr gewünscht waren.

  • FC Bayern: Hätte de Ligt unter Kompany funktionieren können?

    Der Belgier stellte defensiv um, vertraute von Beginn an auf Min-Jae Kim und Dayot Upamecano. In der Hinrunde zeigten beide starke Leistungen. Erst in der Rückrunde gab es wieder Momente, in denen die Geschichte rund um de Ligt beim einen oder anderen Fan und Beobachter nochmal in Erinnerung gerufen wurde.

    Kim patzte häufig, Upamecano verletzte sich und Eric Dier, der von Kompany ebenso ausgemustert wurde wie de Ligt, bewies, dass er im neuen System deutlich stabiler spielen kann, als man ihm das zugetraut hätte. Wäre es bei de Ligt vielleicht ähnlich gewesen?

    Auch ihm wurde prognostiziert, dass er in der hohen Abwehrlinie seine Stärken nicht wirklich ausspielen könne. Angesichts seiner nicht sehr hohen Endgeschwindigkeit eine Beurteilung, die nachvollziehbar ist. Zumal bei de Ligt im Vergleich zu Dier noch zwei weitere Faktoren hinzukommen: Finanziell waren die Kosten viel höher und der Spieler selbst schien mit einer Bankrolle unzufrieden zu sein - und trug diese Unzufriedenheit auch gern mal nach außen.

    Immer bestimmt, immer höflich, aber dass alle paar Wochen Artikel wegen neuer Aussagen zu seiner Situation erschienen, dürfte dem FC Bayern nicht gefallen haben.

  • FC Bayern: Baustelle weiterhin offen, Verkauf von de Ligt dennoch richtig

    Und so bleibt es diskutabel, ob der Verkauf den Bayern wirklich in irgendeiner Form geschadet hat. Argumentieren könnte man, dass de Ligt in der Schlussphase der Saison geholfen hätte. Zu welchem Preis aber? Und wer kann schon garantieren, dass er in der neuen Rolle nicht wie Kim ebenfalls Probleme bekommen hätte? Die naheliegendere Argumentation ist, dass die Münchner eigentlich Jonathan Tah als Ersatz holen wollten, der Aufsichtsrat aber sein Veto eingelegt hat.

    So richtig vermisst wurde de Ligt in dieser Saison trotzdem nicht. Dafür war er bei allen Qualitäten, die er gezeigt hat, nicht besonders genug. Zumindest nicht so besonders, wie man es von einem 67-Millionen-Euro-Transfer erwartet hätte. Dafür war auch seine Leistung in den letzten Monaten nicht stabil genug. Selbst wenn man ihm zugesteht, dass er in einem sehr schwierigen Umfeld gelandet ist: Für den Wechsel dorthin hat er sich bewusst entschieden. Ihm hätte klar sein können, dass diese Herausforderung schwer bis gar nicht lösbar ist.

    Einen Teil der Ablösesumme mitzunehmen und für das System passenderen Spielertypen die Chance zu geben, war deshalb tendenziell die richtige Entscheidung des FC Bayern. Für den Spieler selbst hingegen stellt sich mittlerweile die Frage, ob er den Negativtrend in seiner Karriere nochmal umgedreht bekommt.

    Denn letztlich ist es eben nicht so, wie es in der Petition damals dargestellt wurde: De Ligt hat noch nicht oft genug bewiesen, dass er Weltklasse ist. Und auch beim FC Bayern hätte er es in dieser Saison schwer gehabt, der beste oder auch nur der zweitbeste Innenverteidiger im Kader zu sein. Auch wenn die Großbaustelle in der Innenverteidigung an der Säbener Straße nach wie vor nicht geschlossen ist.