Kylian Mbappe Real Madrid 2025Getty Images

Fluch und Segen für Real Madrid: Kylian Mbappe missachtet offensichtlich die These von Jürgen Klopp

Das vergangene Wochenende hätte Kylian Mbappe unter Umständen schon in seiner ersten Saison in den Fußballolymp von Real Madrid befördern können, stattdessen steht trotz einer Gala gegen den Erzrivalen eine titellose Spielzeit.

Drei Treffer im Clasico gegen den FC Barcelona, dazu mittlerweile 39 Pflichtspieltore, die ihn zum besten Torjäger machen, die die Königlichen je in einer Debütsaison hatten. Individuell und beim Blick auf die Zahlen ist der Weltmeister von 2018 angekommen in der spanischen Hauptstadt – oder? Der Blick auf die Details wirft Fragezeichen auf.

  • Nur Robert Lewandowski ist treffsicherer als Kylian Mbappe

    Keine Frage: Nach einigen Anlaufschwierigkeiten kam Mbappe in einen Flow. In der Liga steht er mittlerweile bei 28 Toren, in der Champions League sind es deren sieben,dazu gesellen sich zwei Treffer in der Copa del Rey sowie je ein Tor in der Supercopa und im Super Cup der UEFA. In den Top-5-Ligen gibt es nur einen Spieler, der seine 39 Treffer überbieten kann: Robert Lewandowski mit 40.

    Die Qualitäten Mbappes sind weltweit bekannt. Er liefert solche Zahlen schon lange. Seit vielen Jahren zählt der 26-Jährige zu den abschlussstärksten und auch schnellsten Spielern der Welt. Carlo Ancelotti hat Wege gefunden, um den Franzosen häufig in die Positionen zu bringen, in denen er besonders gut ist.

    Immer wieder sucht der ehemalige Superstar von Paris Saint-Germain nach Lücken in der gegnerischen Abwehr, um dann im richtigen Moment durch die Schnittstellen zu laufen und dem Spiel Tiefe zu geben. Mittlerweile gelingt ihm das nicht nur, wenn der Gegner Barcelona heißt und ihm mit einer absurd hohen Abwehrkette in die Karten spielt. Es gelingt auch gegen tiefe Verteidigungsketten.

    Zudem gelangen ihm trotz der bitteren Niederlagen gegen Barca fünf Tore in vier Spielen und nur beim ersten Aufeinandertreffen kam er nicht zum Torerfolg. Mbappe versteht es wie kaum ein anderer Stürmer, auf den Moment zu lauern, in dem er mit seinem Tempo die komplette gegnerische Organisation auseinandernehmen kann. Deshalb ist er Weltklasse – und weltweit von Abwehrspielern gefürchtet.

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  • Kylian Mbappe Real Madrid 2025Getty

    Macht Mbappe Real Madrid trotzdem schlechter?

    Trotz all der Zahlen und des Rekords gibt es aber weiterhin Kritik an ihm. Hat er Real Madrid wirklich besser gemacht als im Vorjahr? Zählt man die Titel, ist die Antwort recht simpel: Nein. In der vergangenen Saison gewannen die Königlichen die Champions League und die spanische Liga. Diesmal wird es keinen Titel geben.

    Streng genommen lässt sich alles darauf reduzieren. Hätte Madrid als Mannschaft insgesamt besser performt und die nötige Silberware mitgenommen, ständen die 39 Tore Mbappes gewiss in einem anderen Licht. Nun gibt es zwei Deutungsmöglichkeiten.

    Wer es mit dem Stürmer hält, wird wohl argumentieren, dass er nicht mehr tun kann, als eine Rekordsaison zu spielen und er damit fein raus ist. Die andere Seite ist aber auch einen genaueren Blick wert: Mbappe mag individuell Weltklasse sein, aber er schafft es nicht, seine Mitspieler davon profitieren zu lassen. Vielleicht macht er seine Mannschaften sogar schlechter – oder zumindest nicht ausreichend besser, um seine Rolle zu rechtfertigen.

    In der vergangenen Saison erzielten die Madrilenen 2,43 Tore pro Spiel – ohne Mittelstürmer. Mit Mbappe kommen sie nur noch auf 2,27 Tore pro Spiel. Gleichzeitig ist die Defensive deutlich schlechter geworden. 1,32 Tore kassieren die Königlichen aktuell pro Partie, 0,95 waren es in der Saison 23/24. Ein Umstand, der sicherlich komplexer ist, als dass er nur an einem Stürmer festzumachen wäre. Aber dass Mbappe zumindest einen Anteil an dieser Entwicklung hat, ist naheliegend.

  • Kylian Mbappe muss defensiv zulegen

    Grund dafür ist die mangelnde Defensivarbeit, die ihm nicht nur unterstellt wird, sondern sich auch mit Zahlen belegen lässt. Laut The Analyst ist Mbappe unter den regelmäßig eingesetzten Real-Spielern der mit den mit Abstand wenigsten Tacklings pro 90 Minuten (0,27), er kommt auf die wenigsten abgefangenen Pässe (0,03) und er erobert am seltensten den Ballbesitz zurück (1,19) – in all diesen Kategorien hat er einen deutlichen Abstand zum Spieler vor ihm.

    Dass er von Defensivarbeit nicht so viel hält, ist weitgehend bekannt. Für Real Madrid ist das auch deshalb ein Problem, weil Nebenmann Vinicius Junior ebenfalls keine Pressingmaschine ist. Zwar kommt der Brasilianer insgesamt auf bessere Werte, im Kadervergleich befindet er sich aber ebenfalls im unteren Drittel.

    Das ist freilich auch durch die Herangehensweise von Carlo Ancelotti bedingt, der kein aggressives Angriffspressing spielen lässt. Aber wer die Spiele von Real Madrid in dieser Saison häufiger beobachtet hat, wird mehrere Szenen gesehen haben, in denen beide sich viel zu leicht überspielen lassen.

    Es ist für ein Team schon schwer zu kompensieren, wenn ein Spieler nicht am Pressing teilnimmt. Bei zwei Spielern wird es noch gefährlicher – und angesichts dieses gefährlichen Kompromisses ist der offensive Output dann auch nicht ausreichend.

  • VINICIUS JUNIOR REAL MADRID Getty Images

    Muss Real Madrid Vinicius Junior verkaufen?

    Real Madrid hat mit der noch stärkeren Fokussierung auf individuelle Klasse in der Offensive eine seiner beeindruckendsten Qualitäten verloren: Die Mannschaft tritt nicht mehr so geschlossen auf. Und auch in ihren Kernaufgaben stehen Vinicius Junior und Mbappe häufig vor Problemen. Beide sind sich zu ähnlich.

    Mbappe ist am stärksten, wenn er von der linken Seite oder dem linken Halbraum nach innen ziehen kann. 79 seiner Abschlüsse aus dem Spiel heraus kamen in der spanischen Liga von der linken Spielfeldhälfte, nur 43 von der rechten. 14 Tore aus dem laufenden Spiel erzielte er von links, sechs von rechts. Auf der rechten Seite brauchte er im Schnitt zwei Abschlüsse mehr für einen Treffer.

    Auf der linken Seite stehen sich Vinicius Junior und er aber zu oft im Weg, gehen dieselben Laufwege oder besetzen dieselben Räume. Auch nach vielen gemeinsamen Einsätzen harmonieren die beiden noch lange nicht perfekt miteinander. Mbappe ist zwar nomineller Stürmer, doch ihn zieht es dann doch immer wieder auf die Seite. Das ist ein Problem für Real. Eines, das die Frage aufwirft, ob die Offensive womöglich umstrukturiert und Vinicius Junior verkauft werden muss, um das volle Potenzial Mbappes entfalten zu können.

  • Zwischen Egoismus und einmaliger Weltklasse: Wie geht es bei Mbappe weiter?

    Doch auch abseits personeller und taktischer Schwierigkeiten bleibt die Frage, ob Mbappe zu egoistisch ist, sich zu wenig in den Dienst der Mannschaft stellt. Auch in Paris gab es diese Vorwürfe in aller Regelmäßigkeit.

    Dass Ex-Klub PSG in dieser Saison erstmals seit 2020 wieder im Finale der Champions League steht, ist kein Zufall. Mehrfach betonten Spieler, dass man endlich eine Mannschaft sei. Fakt ist: Paris spielt so ausgewogen Fußball wie vielleicht noch nie. In Madrid sollte man sich das genau anschauen.

    Jürgen Klopp sagte vor einigen Wochen, dass es nur einen Spieler auf der Welt gebe, "der nicht verteidigen muss – und das ist Lionel Messi". Bei Mbappe hat man stets das Gefühl, dass er sich zu früh in derselben Kategorie sah. Vielleicht ist das die größte Herausforderung, die sein designierter neuer Trainer Xabi Alonso in Zukunft lösen muss: Mbappe zu erklären, dass seine beeindruckenden Zahlen wenig wert sind, wenn die Mannschaft darüber hinaus zu sehr unter seiner Passivität leidet. Viele große Namen scheiterten bereits daran, ihn dazu zu bewegen, den Sinn dahinter zu erkennen, auch gegen den Ball den einen oder anderen Meter zu machen.

    Leverkusen war unter Alonso so erfolgreich, weil er an jedem Spieltag elf Spieler und alle auf der Bank hinter seiner Idee, seiner Herangehensweise vereinen konnte. Dort gab es keinen Egoismus. Das ist bei den Königlichen aktuell anders. Wer so viel Talent wie Mbappe hat, der kann den Fußballolymp in Madrid freilich noch erreichen.

    Mit Alonso wird er bald einen Trainer haben, der die Wegbeschreibung kennt. Allerdings wird er dafür in der Lage sein müssen, sich selbst etwas stärker zurückzunehmen. Für ihn beginnt jetzt eine entscheidende Karrierephase. Eine, die darüber Auskunft geben wird, ob er einer von vielen Weltklassespielern in der Geschichte des Fußballs bleibt, oder ob er die letzten Schritte in den besagten Olymp gehen kann.

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