NOAH DARVICH BARCELONAImago Images

"Film" ohne Happy End beim FC Barcelona: Was zaubert Noah Darvich nun beim VfB Stuttgart auf die Leinwand?

Es ist ein Jahr her, da trug der damals 17-jährige Noah Darvich das Barcelona-Trikot mit Lionel Messis legendärer Nummer 10 auf dem Rücken. Nicht beim B-Team, sondern bei der ersten Mannschaft. An der Seite von Robert Lewandowski und Raphinha, die Gegner hießen Real Madrid oder Manchester City. Okay, es waren lediglich Testspiele während der Sommervorbereitung auf die vergangene Saison. Unglaubliche Erfahrungen bleiben es trotzdem, zumal Darvich auch die eine oder andere sehenswerte Szene auf den Rasen zauberte.

"Barcelona war ein großes Abenteuer. Es war wie im Film", sagte Darvich kürzlich im Interview mit der offiziellen Webseite des VfB Stuttgart, seinem neuen Verein. Anfang Juli hatte der DFB-Pokalsieger die Verpflichtung des deutschen Mittelfeldjuwels perfekt gemacht. Nach zwei lehrreichen, nicht immer einfachen und mit einzelnen Highlights wie den Einsätzen gegen Real oder City versehenen Jahren beim Weltklub Barca hat sich Darvich für die Rückkehr nach Deutschland entschieden. In die Nähe der Freiburger Heimat, zurück nach Baden-Württemberg.

"Ich durfte zusammen mit Kindheitsidolen spielen und trainieren. Am Anfang ist man erst einmal bisschen stiller in der Kabine, aber mit der Zeit taut man auf. Zudem habe ich viel Unterstützung von anderen Spielern erfahren, das war schon klasse. Auch hat mich die Zeit im Ausland persönlich reifen lassen", blickte der 18-Jährige auf das Abenteuer Barca zurück, von dem er sich aber doch wohl eigentlich etwas mehr erhofft hatte.

  • Die Barca-Bosse überzeugen den Youngster und seine Familie

    Im Frühsommer 2023 war gefühlt jeder namhafte Verein in Europa hinter dem damals 16-Jährigen her. Darvich hatte die deutsche U17-Nationalmannschaft gerade als Kapitän zum EM-Titel geführt, war einer der überragenden Spieler des gesamten Turniers gewesen. Neben Barca sollen auch der FC Bayern München, Borussia Dortmund, Manchester City oder Paris Saint-Germain um das Supertalent gebuhlt haben. Vereine, die natürlich einen deutlich größeren Reiz versprühen als der SC Freiburg. Doch auch die Breisgauer probierten alles, um ihr großes Juwel zu halten.

    Ein banales Aufrücken in die U19 des SC war zwar ausgeschlossen, da diese seinerzeit gerade aus der damals noch existierenden U19-Bundesliga abgestiegen war und Darvich in der zweithöchsten U19-Spielklasse sicherlich unterfordert gewesen wäre. Doch Freiburg bot ihm die Perspektive, in der damals noch drittklassigen Zweitvertretung schon in seinem ersten A-Jugend-Jahr wertvolle Erfahrungen im Profifußball zu sammeln. Zudem sollte Darvich immer wieder bei der seinerzeit noch von Christian Streich gecoachten A-Mannschaft des SC mittrainieren, wie er es in der Sommervorbereitung 2023 auch schon tat.

    Doch die Aussicht auf ein Engagement beim FC Barcelona, für den Darvich seit seiner Kindheit schwärmt, war einfach zu verlockend. Zudem wurde er damals noch - neben seinen Eltern - von der Agentur Leaderbrock Sports beraten, die sich zunächst vor allem in Spanien etablierte und unter anderem die beiden Barca-Stars Pedri und Ferran Torres vertritt. Allen voran dürften es aber die intensiven Bemühungen von Barcelonas heutigem Sportdirektor Deco (seinerzeit noch Scout) und dem damaligen Trainer Xavi, die jeweils persönlich mit Darvich und seiner Familie sprachen, gewesen sein, die den Teenager endgültig davon überzeugten, den mutigen Schritt nach Spanien zu wagen.

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  • Noah Darvich Barca Atletic 2024Marc Graupera - FC Barcelona

    Noah Darvichs Zeit bei Barca: Highlight-Erfahrungen, aber auch Probleme

    "Wir als Familie waren eher mittelprächtig begeistert", gab Noahs Vater Boris Darvich beim kicker zu, dass familiär zunächst Bedenken ob der mutigen Entscheidung herrschten. "Wir haben ein sehr enges Verhältnis zu viert, dazu kommen für Noah und seinen Bruder Nuri Cousins und Cousinen sowie die Großeltern und natürlich viele Freunde im direkten Umfeld. Er hatte in Freiburg nur noch ein Jahr bis zum Abitur und nach der 11. Jahrgangsstufe noch einen Einser-Schnitt."

    Doch Darvich wollte den Wechsel nach Katalonien, wo er auf einer deutschen Schule sein Abitur machte, unbedingt. "Ich gehe dahin, egal was die bieten", soll er seinem Vater gesagt haben. Ob sich der Mut, mit 16 das gewohnte Umfeld weit hinter sich zu lassen und in ein anderes Land zu ziehen, gelohnt hat, ist schwer einzuschätzen. Wahrscheinlich war es alleine schon wegen der wenigen Testspieleinsätze an der Seite von Lewandowski und Co., dem Kaderplatz im Halbfinalrückspiel der Champions League bei Inter Mailand sowie der Trainingseinheiten inmitten von Weltstars lohnenswert. Hinzu kommt der enorme Schub für Persönlichkeitsentwicklung und Reife, wenn man als Heranwachsender plötzlich in einer fremden Umgebung auf sich alleine gestellt ist.

    Nüchtern betrachtet hätte sich Darvich im Nachhinein aber bestimmt mehr erträumt. Sicherlich hätte er vor zwei Jahren darauf gehofft, in der nun anstehenden Saison möglicherweise die ersten Pflichtspiele in Barcelonas erster Mannschaft zu bestreiten. Vergangene Spielzeit stand er neben dem CL-Halbfinale gegen Inter auch in LaLiga zweimal im Kader der Mannschaft von Trainer Hansi Flick, im November bei Celta Vigo und Anfang Mai bei Valladolid. Zu einem Einsatz reichte es allerdings jeweils nicht.

    Wer sich nun lediglich Darvichs Pflichtspieleinsätze in den zurückliegenden zwei Jahren anschaut, der kann zwar etwas zu undifferenziert, aber durchaus auch ein wenig zurecht behaupten: Zwei Jahre 3. Liga oder Regionalliga mit Freiburg II und möglicherweise schon der eine oder andere Bundesliga-Einsatz für den SC wären bestimmt nicht schlechter gewesen.

    Denn Darvich war bei Barcas Zweitvertretung, die zuletzt in der dritten spanischen Liga spielte, vergangene Saison jedoch in Liga vier abstieg, keineswegs durchgehend gesetzt. Im ersten Halbjahr war er fast immer Joker, erst in der zweiten Hälfte seiner ersten Spielzeit in Barcelona erarbeitete er sich immer häufiger einen Platz in der Startelf. 720 Spielminuten für Barca B standen am Saisonende zu Buche, verteilt auf 21 Spiele (ein Tor, zwei Assists). Nichts Außergewöhnliches, wenngleich man bedenken muss: Nicht nur in seiner ersten, sondern auch in seiner zweiten Saison bei den Blaugrana war Darvich vom Papier her eigentlich noch Jugendspieler und konnte dennoch bereits wertvolle Erfahrungen im Erwachsenenfußball sammeln.

  • DarvichGetty Images

    Noah Darvich muss wohl auch beim VfB Geduld haben

    "Es geht zwar immer besser, aber schlechter auch, es ist alles im Soll", zog Papa Boris im Februar 2025 ein Zwischenfazit. "Es geht nicht immer um schneller, höher, weiter. Der Übergang vom Kinder- zum Erwachsenenfußball wird oft unterschätzt. Diesen Schritt hat Noah in Barcelona vollzogen, hat körperlich, mental und spielerisch einen immensen Sprung gemacht und gelernt, im Profifußball klarzukommen."

    Dass das Zwischenfazit beinahe schon ein endgültiges Fazit war und Darvich Barca wenige Monate später schon wieder verlassen würde, war damals noch nicht klar. In der zweiten Saison bei Barca B lief es zwar besser, wurden die längeren Einsatzzeiten regelmäßiger. Doch er musste dabei oft als Rechtsaußen agieren und durfte immer seltener im Mittelfeldzentrum spielen, wo er seine Stärken eigentlich besser einbringen kann und wo er auch in den deutschen U-Nationalteams gesetzt ist.

    Und ganz generell war auch die zweite Saison in Barcelona so wirklich gut nicht. Gegen Ende der Spielzeit saß Darvich immer häufiger auf der Bank und seit er Anfang Februar von einer Muskelverletzung zurück kam, sammelte er in den dreieinhalb verbleibenden Monaten bis Saisonende lediglich noch 124 Einsatzminuten.

    Bei Barca hat man den Glauben an Darvich aber offenbar noch längst nicht aufgegeben, wenngleich man ihn nun nach Stuttgart ziehen ließ. Schließlich hat sich der spanische Meister eigenen Angaben zufolge neben einer Weiterverkaufsbeteiligung auch ein Matching Right gesichert, dass es Barca erlauben würde, jedes künftig für Darvich eingehende Angebot zu überbieten.

    Der will beim VfB, wo er für vier Jahre bis 2029 unterschrieben hat, nun erst einmal beweisen, dass die zwei Jahre bei Barca für ihn tatsächlich ein Sprungbrett zum Durchbruch im Profifußball gewesen sind. Stuttgarts Trainer Sebastian Hoeneß soll viel von dem technisch versierten Spielmacher halten und ihn in persönlichen Gesprächen von einem Wechsel nach Stuttgart überzeugt haben.

    Wie Darvichs Aussichten auf regelmäßige Spielzeit aussehen, hängt auch von den weiteren Transferentwicklungen beim VfB ab. Beim vom FC Bayern umworbenen Nick Woltemade sieht es aktuell nach Verbleib aus, während sich Enzo Millot im Gegenzug für viel Geld entschied, seine Karriere in der Wüste in Saudi-Arabien erst mal zu parken. Für beide Profile wäre Darvich per se ein geeigneter Ersatz: Der deutsche Junioren-Nationalspieler gefällt allen voran durch seine Spielintelligenz, seine Übersicht und sein Timing bei gegnerüberwindenden, tödlichen Pässen in die Spitze. Hinzu kommen eine gute Dynamik und inzwischen auch eine ordentliche Robustheit - gepaart mit der exzellenten Passtechnik beste Voraussetzungen, um auch auf der Doppelsechs agieren zu können. Diese liegt beim VfB aber bekanntlich ziemlich fest in den Händen von Atakan Karazor und Angelo Stiller.

    Hoeneß dürfte Darvich daher eher als aus dem Halbraum agierenden Achter oder als hängende Spitze a la Woltemade im Sinn haben. Der VfB-Coach hat nicht zuletzt bei Woltemade bewiesen, dass er talentierten jungen Spielern zu einer optimalen Entfaltung ihrer Möglichkeiten verhelfen kann. Auch ohne Millot wäre die Konkurrenz in Stuttgarts Offensive aber groß, zumal Hoeneß zuletzt ankündigte, möglicherweise noch einmal auf dem Transfermarkt nachlegen zu wollen.

    Darvich muss daher Geduld haben, könnte Spielpraxis zunächst möglicherweise auch erst einmal über die zweite Mannschaft des VfB in der 3. Liga sammeln müssen. Familie und Freunde haben sich jedenfalls "sehr darüber gefreut", dass er der Heimat nun wieder deutlich näher ist, betonte Darvich. "Das macht das Besuchen einfacher." Den Einstieg beim VfB erleichtert ihm unter anderem Innenverteidiger Finn Jeltsch, den er aus den DFB-Auswahlteams bestens kennt, an dessen Seite er U17-Europa- und -Weltmeister wurde.

    Ob Darvich in Stuttgart ähnlich filmreife Momente erlebt wie in Barcelona, wird sich zeigen. Er wird jedenfalls alles daran setzen, dass sein VfB-Film ein Happy End hat.

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