Wer bei Borussia Dortmund zur Legende wird, der bekommt ein gemaltes Denkmal an einer der Stadionwände im Signal Iduna Park. Zuletzt durfte der im Sommer verabschiedete Mats Hummels sein Exemplar begutachten. Dabei fragte er: "Wo ist Platz für Schlotti?"
Getty ImagesEs sollte niemanden überraschen: Darum droht dem BVB bei Nico Schlotterbeck ein bitteres Szenario
Geht es nach dem scheidenden BVB-Geschäftsführer und designierten Präsidenten Hans-Joachim Watzke, dann wird eines Tages auch ein Bild von Nico Schlotterbeck das Stadion zieren. "Ich wäre sehr froh, wenn er verlängern würde. Ich habe ihm natürlich auch gesagt, was es bedeutet, bei Borussia Dortmund wie Mats Hummels zum Weltstar zu werden", hatte Watzke vor einigen Wochen bei Sky gesagt.
Insgesamt 13 Jahre hatte Hummels für die Westfalen gespielt. 508 Pflichtspiele riss er ab, nur Michael Zorc steht vor ihm. Doch Hummels gewann, lässt man den Supercup-Sieg 2013 einmal beiseite, in dieser Zeit "nur" vier Titel mit dem BVB. In den drei Jahren, in denen er zwischenzeitlich für den FC Bayern München spielte, holte er dreimal die deutsche Meisterschaft, dreimal den Supercup und einmal den DFB-Pokal.
Unter anderem diese Bilanz könnte Schlotterbeck derzeit beschäftigen. Sein Vertrag in Dortmund läuft 2027 aus, der Verein will ihn unbedingt halten. Dem Vernehmen nach bis 2030, der Innenverteidiger soll zudem zu einem der Top-Verdiener des Klubs aufsteigen.
Getty Images SportNico Schlotterbeck passt wie angegossen ins Ruhrgebiet
Schlotterbeck würde beim BVB mit einer Verlängerung den nächsten Pflock auf dem Weg zur Legendenwerdung in den Boden rammen. Er würde noch deutlicher als aktuell zum Gesicht des Klubs und der Mannschaft werden und vermutlich auch das Kapitänsamt übertragen bekommen. Der Klub könnte ihm regelmäßige Teilnahmen an der Königsklasse und den unangefochtenen Status als Stammspieler in Deutschlands größtem Stadion bieten.
Er hätte sich all dies freilich verdient. Seit er 2022 für 20 Millionen Euro vom SC Freiburg zur Borussia wechselte, hat sich Schlotterbeck kontinuierlich weiterentwickelt und ist immer stärker geworden. Sein Einsatzwille, die Zweikampfstärke, seine Mentalität und auch die Körpersprache - Schlotterbeck passt wie angegossen ins Ruhrgebiet. Er weiß, wie man dort das Publikum anzündet.
"Ich würde mich als Arbeiter bezeichnen. Deswegen passt es wahrscheinlich so gut. Die Leute hier wollen, dass du arbeitest, dass du alles gibst auf dem Platz. Das probiere ich, immer zu machen“, sagte er zuletzt der WAZ. "Das ist natürlich nicht alles, aber ein wichtiger Faktor. In Dortmund vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als bei anderen Vereinen."
AFPNico Schlotterbeck ist zu gut, um beim BVB keine Titel zu gewinnen
Sollten diese Faktoren für ihn jedoch nicht ausreichen und er sich zu einem Wechsel entschließen, wäre dies vollauf nachvollziehbar. Harsch ausgedrückt nämlich aus folgendem Grund: Schlotterbeck ist schlicht zu gut, um beim BVB keine Titel zu gewinnen.
Seit 13 Jahren wartet man in Dortmund nun schon auf die Schale, eine sehr lange Zeit. Zwei Titel kamen seitdem zusammen, die Siege im DFB-Pokal 2017 und 2021. Mehr war nicht, wenngleich man zweimal sehr kurz vor einem großen Wurf stand (Meisterschaft 2023, Champions-League-Finale 2024). Möchte man am Ende seiner Karriere besonders viel Silberware im Schrank haben, gibt es für einen Spieler vom Format Schlotterbecks genügend bessere Alternativen als den BVB.
Und die hat Schlotterbeck natürlich auch zur Auswahl, an Angeboten der europäischen Top-Klubs wird es ihm nicht mangeln. Das hat mit seinem einzigartigen Spielerprofil zu tun: Ein Linksfuß als Innenverteidiger auf diesem Niveau ist allein schon äußerst selten, dazu ragt Schlotterbeck mit seinen chirurgisch genauen Diagonalpässen heraus und kann jeder Spieleröffnung der Welt neue Dimensionen hinzufügen.
AFPDer BVB wird Nico Schlotterbeck keine Titel garantieren können
Und er, der erst 25 Jahre alt ist und bei lediglich 23 Länderspielen steht, wird sehr wahrscheinlich sogar noch besser, als er ohnehin schon ist. "Physisch war ich noch nicht so stark wie jetzt. Körperlich, läuferisch - das ist jetzt schon echt am Maximum", sagte er im September, als er nach 168-tägiger Verletzungspause sein Comeback gab und seither spielt, als wäre nichts gewesen. "Ich erwarte viel von mir. Ich weiß, was ich kann. Wenn ich meinen Rhythmus und meinen Ablauf im Spiel kriege, glaube ich schon, dass ich nochmal zehn, 20 Prozent auf die letzten Jahre draufpacken kann. Wenn ich das hinbekomme, dann wird's richtig gut."
Dass Schlotterbeck richtig gut überlegen muss, wie er mit der Dortmunder Offerte umgeht, ist selbstverständlich. Er müsse eine "sehr wichtige Entscheidung für meine Karriere" treffen, sagte er zuletzt und kündigte an, dass eine zügige Vollzugsmeldung eher nicht zu erwarten ist. Er wolle sich in Ruhe mit Sportdirektor Sebastian Kehl zusammensetzen "und einen Plan ausarbeiten - dann schauen wir weiter".
Doch letztlich kann dieser Plan aussehen, wie er will: Kehl wird ihm keine Titel mit dem BVB garantieren können. Das sieht bei anderen Klubs jedoch deutlich anders aus, siehe etwa Hummels' Bilanz beim FC Bayern. Der deutsche Rekordmeister hat Schlotterbecks Situation natürlich auf dem Schirm, zumal dort die angestrebte Verlängerung von Dayot Upamecano alles andere als ein Selbstläufer geworden ist. Kein Top-Verein wird so doof sein, darauf zu verzichten, bei einem solchen Spielerprofil wie dem von Schlotterbeck nicht zumindest einmal die Fühler auszustrecken.
Getty Images SportNico Schlotterbeck kam für Titel zum BVB
"Bei Borussia Dortmund ist man da, um was zu gewinnen. Dafür kam ich auch und dafür arbeiten wir", sagte Schlotterbeck nach seiner Rückkehr im September. Bei der WAZ teilte er mit: "Der BVB wird natürlich mein erster Ansprechpartner sein - und dann muss man schauen, wie sich die nächsten Wochen und Monate entwickeln."
Die Entwicklung in der Bundesliga hat derweil den mittlerweile gewohnten Gang genommen, der FC Bayern verliert kein Spiel und thront mit sieben Punkten Vorsprung an der Spitze. Dortmund hadert unterdessen mit der ausbleibenden spielerischen Entwicklung unter Niko Kovac, die auch Schlotterbeck zuletzt monierte. Prompt hieß es in der Bild, der pragmatische Ansatz des Trainers mache Schlotterbeck nicht glücklich und könnte Auswirkungen auf seine Zukunftsplanung haben.
Beim BVB reagierte man auf diesen Bericht mit Irritation. Sollte sich Schlotterbeck am Ende gegen eine vorzeitige Verlängerung entscheiden, sollte das in Dortmund allerdings niemanden verwundern.
Nico Schlotterbeck: Seine Statistiken beim BVB
Wettbewerb Pflichtspiele Tore Vorlagen Bundesliga 90 6 13 DFB-Pokal 9 - - Champions League 35 - 4



