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"Es ist eine Ehre, für ihn zu spielen": Folgt eine Sturmlegende bei Atletico Madrid auf Diego Simeone?

Kaum zu glauben aber wahr: Bei Atletico Madrid mehren sich die Zweifel am ewigen Diego Simeone. Sein Status als Vereinslegende ist bereits in Stein gemeißelt, doch trotz der enormen Kaderveränderungen und Ausgaben stimmen die Ergebnisse seit fast einem Jahr nicht. Die zweite Sommer-Transferoffensive in Folge hat den Druck auf Simeone erhöht, den ersten großen Titel seit dem sensationellen Gewinn der Meisterschaft 2020/21 zu holen. Der Druck, den sich der Argentinier vor allem selbst macht, wächst offensichtlich. Der Saisonstart in LaLiga ist mit nur einem Sieg aus fünf Spielen misslungen, nach dem 1:1 bei Real Mallorca am Sonntag krebsen die Rojiblancos nur auf dem zwölften Tabellenplatz herum.

Könnte es tatsächlich passieren, dass Simeone von sich aus zurücktritt, wenn die schwachen Resultate anhalten? Oder kann nur der Verein der legendären Amtszeit ein Ende setzen? Laut Simeones ehemaligem Co-Trainer German Burgos gebe es in beiden Fällen nur einen logischen Nachfolger. "Fernando Torres", sagte der Argentinier im Interview mit der spanischen Marca, "er ist bereit dafür."

  • Fernando Torres als Trainer? Das schien lange unmöglich

    Am 25. Juli 2021 verkündete Atletico Madrid voller Freude: "El Nino ist nach Hause gekommen." Nach zwei Perioden während seiner Karriere als Spieler hatte Torres die U19 der Rojiblancos übernommen - als Trainer.

    Zunächst war er als Assistent gelistet worden, weil er noch nicht alle erforderlichen Lizenzen der UEFA erworben hatte. Torres war einer der berühmtesten und erfolgreichsten Söhne von Atleti, ein Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, der zu einem der besten Stürmer der Welt geworden war. 

    Doch eine Karriere als Trainer schien bei ihm nicht auf der Hand zu liegen. Sein ehemaliger Berater Jose Antonio Martin Peton sagte damals im Interview mit der spanischen Relevo: "Wenn Sie mich gefragt hätten, ob ich mir jemals vorstellen könnte, dass Fernando Trainer wird, hätte ich gesagt: 'Denken Sie nicht einmal daran – das ist einfach unmöglich.'"

    Auch Torres selbst gab zu, dass er nicht zu den Spielern gehörte, die schon immer vorhatten, nach ihrer Karriere Trainer zu werden. Als Jugendlicher habe er nie groß darüber nachgedacht, was er während des Trainings gelernt hatte. Erst als er älter wurde, habe er bewusster trainiert und die Übungen hinterfragt.

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  • SS Lazio v Atletico Madrid - UEFA Youth League 2023/24Getty Images Sport

    Fernando Torres: Trainer statt Bodybuilder

    Torres schien nach seiner Spieler-Karriere eher Bodybuilder oder Geschäftsmann statt Coach zu werden. Nach seinem Rücktritt im August 2019 gründete er die Fitnessstudio-Kette Nine Fitness, nachdem er diverse Wirtschaftskurse besucht hatte.

    Die Chance, zu Atlético zurückzukehren, war für ihn jedoch unwiderstehlich – zumal er dort mit seinem ehemaligen Jugendmannschaftskollegen Ricardo Ortega zusammenarbeiten konnte. "Das ist eine spannende Herausforderung, die vor mir liegt", sagte Torres, "und wir werden alles geben, um unserem Verein weiterhin zu dienen."

    Ihre harte Arbeit führte zu beeindruckenden Resultaten: Atlético Juvenil gewann zwei Meistertitel und eine Copa de Campeones und erreichte das Final Four der Youth League 2021/22. 2024 wurde der Spanier dann als Trainer der zweiten Mannschaft ausgewählt, die in der 3. Liga spielt.

  • Coach Torres leistet gute Arbeit in der 3. Liga

    Torres wusste bei seinem Amtsantritt, dass die Leitung der Reserve der Rojiblancos eine kniffligere Aufgabe war als die Betreuung der U19. Er hatte mehr Verantwortung und Druck – doch das war der Welt- und Europameister natürlich gewohnt. Obwohl Atletico Madrileno am letzten Spieltag der Saison die Playoffs der Primera Federacion – Gruppe 2 zum möglichen Aufstieg in die 2. Liga verpasste, waren die Bosse mit der Arbeit Torres’ zu zufrieden, dass sie ihm am 30. Mai einen neuen Zweijahresvertrag anboten.

    "Ich bin sehr glücklich, meine Entwicklung als Trainer bei dem Verein meines Lebens fortsetzen zu können", sagte Torres nach der Unterzeichnung seines Vertrags bis 2027. "Ich bin dankbar für diese Chance und freue mich auf den Beginn dieser neuen Etappe. Unabhängig von den Ergebnissen gibt es viel Selbstkritik. Ich möchte die Mannschaft weiter an die Art von Fußball heranführen, an die ich glaube."

     

  • Fernando Torres' Spielstil: Ein bisschen von allem

    Torres' bevorzugter Spielstil ist etwas schwer zu definieren, da der Spanier wert auf taktische Flexibilität legt – was kaum verwundert, da er unter verschiedenen Trainern mit sehr unterschiedlichen Fußballphilosophien gespielt hat. Wie eine Quelle aus dem Umfeld von Torres gegenüber GOAL erklärte: "Er hat von allem etwas. Er hat ein bisschen von der Motivation, die Simeone hat, ein bisschen von der Beziehung zu den Spielern, die [Luis] Aragones hatte, ein bisschen von der taktischen Denkweise von [Rafa] Benitez und den Druck, den man auf eine Mannschaft ausüben muss, den [Jose] Mourinho hatte."

    Wie die meisten modernen Trainer weist Torres seine Spieler an, den Ball so schnell wie möglich und so weit vorne wie möglich zurückzugewinnen - er steht für Pressing. Wenn das jedoch nicht fruchtet, zieht sich sein Team schnell zurück und stellt auf eine 5-3-2-Formation um. Taktisch kann sich das jedoch ändern - beispielsweise, wenn sein Team zurückliegt.

    Torres Anforderungen an die Spieler: Sie müssen ihr Herz auf dem Platz lassen und versuchen, schnell zu spielen. Auch Konter sind ein taktisches Mittel. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Torres ein großer Bewunderer von Jürgen Klopps Liverpool war. Vielleicht landet er sogar eines Tages bei dem Verein, für den er in dreieinhalb Jahren 65 Tore erzielte.

  • Club Atletico de Madrid - Training & Press ConferenceGetty Images Sport

    Simeone: Torres verkörpert alles, wofür Atletico steht

    Bei Atleti scheint derzeit das Gefühl vorzuherrschen, dass Torres als Nachfolger von Simeone vorgesehen ist. 2027 laufen die Verträge beider Trainer aus – dann wäre ein reibungsloser Übergang möglich. Ihr bisheriges Verhältnis war bisher jedoch nicht gerade gut. Interessanterweise hatten sich die beiden während Torres' zweiter Periode als Spieler bei den Rojiblancos aufgrund mangelnder Spielzeit zerstritten.

    Torres erklärte in der Amazon-Prime-Dokumentation über Atleti: "Simeone war mein Idol, dann mein Teamkollege und dann mein Trainer – ich verstehe, dass das eine unangenehme Situation für ihn gewesen sein muss."

    Simeone derweil hat immer betont, dass er nie persönliche Probleme mit Torres gehabt habe, dieser "verkörpere alles, wofür wir stehen".

  • Torres als Atletico-Cheftrainer: Wohl nur eine Frage der Zeit

    Dass Torres genau wie Simeone eine Vereinslegende als Spieler war, hat ihm sicherlich dabei geholfen, den Übergang vom Spieler zum Trainer zu schaffen. Pablo Barrios, der unter Torres einst in der U19 spielte und es zu den Profis schaffte, sagte: "Wenn er dir etwas sagt, ist das nicht dasselbe, als wenn es jemand anderes sagt. Er ist Fernando Torres, und es ist eine Ehre, für ihn zu spielen."

    Der ehemalige Kapitän der Jugendmannschaft, David Navarro, sagte im Interview mit Relevo, dass, wenn Torres sprach, "Stille im Umkleideraum herrschte und die ganze Mannschaft zuhörte. Diese Atmosphäre lässt sich nicht in Worte fassen." Natürlich ist es eine Sache, solchen Respekt von jungen Spielern zu erhalten – doch wird das auch bei erfahrenen Profis der Fall sein, wenn el Nino Anweisungen gibt? Er streift wie Simeone an der Seitenlinie umher hat durch seinen muskelbepackten Körper eine imposante Präsenz. Diejenigen, die ihn kennen, schwärmen auch von seiner akribischen Liebe zum Detail.

    Torres hat sich in seinem Haus ein Büro eingerichtet, "um sich auf Spiele vorzubereiten und Gegner zu analysieren". Er schilderte: "Ich habe viel von Benitez, (Carlo) Ancelotti, Mourinho und zuletzt Simeone gelernt, weil sie alle unterschiedliche Stärken hatten", verriet Torres kürzlich in einem Interview für sein  Unternehmen 'Nine Fitness': "Aber sie alle haben etwas gemeinsam: absolute Hingabe für das, was sie tun. Ohne absolute Hingabe kann man nicht die Nummer eins sein."

    Und genau deshalb dürfte Torres eines Tages bei Atletico Madrid auf Vereinslegende Simeone folgen.