Erling Haaland ist überragend - und doch weit weg von Lionel Messis bester Saison

Erling Haaland ist ein Phänomen. Das kann niemand bestreiten. Manchester City wusste, dass sie einen Top-Stürmer bekommen würden, als sie Borussia Dortmund im letzten Sommer 60 Millionen Euro für den Norweger zahlten - aber sie hätten nie gedacht, dass er so unfassbar gut sein würde.

Haaland erzielte am Sonntag gegen Fulham sein wettbewerbsübergreifend 50. Tor für City. Es war sein 34. in der Premier League, womit er den bisherigen Saisonrekord von Andy Cole und Alan Shearer einstellte. Am Mittwochabend gegen West Ham ließ er dann Premier-League-Tor Nummer 35 folgen.

Und Citys Torjäger wird zweifellos noch einige weitere Treffer erzielen, bevor die Saison zu Ende ist. Denn die Mannschaft von Pep Guardiola ist immer noch auf der Jagd nach dem Triple. Trotzdem ist es extrem unwahrscheinlich, dass er an den Rekord für die meisten Tore in allen Wettbewerben in einer einzigen Saison in einer der großen europäischen Ligen herankommen wird. Diese Leistung hat immer noch ein gewisser Lionel Messi inne, der in der Saison 2011/12 73 Tore für Barcelona erzielte.

Guardiola war zu dieser Zeit Trainer von Barça und hatte eine einfache Botschaft für die Fußballwelt, die versuchte, Messis Leistung zu verstehen. "Schreiben Sie nicht über ihn, versuchen Sie nicht, ihn zu beschreiben. Schaut ihm einfach nur zu", schwärmte er.

Messis individuelle Leistungen in jenem Jahr werden nie übertroffen werden.

Haaland verdient all das Lob, das ihm in Manchester zuteil wird, aber Messi war damals auf einem anderen Planeten.

GOAL blickt auf die beste Saison des argentinischen Magiers zurück.

  • Messi-2011Getty

    Ein Blick auf die Zahlen

    In nur 60 Einsätzen erzielte Messi in der Saison 2011/12 unglaubliche 73 Tore, 62 davon mit seinem starken linken Fuß.

    Acht Treffer erzielte er mit dem rechten, drei Kopfbälle vervollständigten seine rekordverdächtige Ausbeute. Auf dem Feld stand er dabei insgesamt 5221 Minuten.

    Im Durchschnitt erzielte der argentinische Nationalspieler also alle 71,5 Minuten einen Treffer für Barça, 53 davon aus dem Spiel heraus.

    Messi verwandelte zudem 14 Elfmeter und versenkte auch drei Freistöße im Netz. Die übrigen Tore erzielte er als Abnehmer von Standard-Situationen.

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  • Messi-Real-Madrid-Barca-2011-SupercopaGetty

    Unglaublicher Start in der Supercopa

    Gleich im ersten Spiel der Saison, im Hinspiel der Supercopa de España gegen den Erzrivalen Real Madrid, gelang Messi ein wichtiger Treffer.

    Nachdem er Pepe abgeschüttelt hatte, um in den Strafraum zu gelangen, schob er den Ball unter Iker Casillas hindurch zur 2:1-Führung im Santiago Bernabéu ein.

    Madrid kämpfte sich allerdings zurück und schoss das 2:2-Unentschieden. Doch im Rückspiel gab es ein noch größeres Feuerwerk Messis.

    Beim 3:2-Sieg Barças im Camp Nou erzielte Messi gleich zwei Treffer. Den ersten per Schlenzer und drei Minuten vor dem Ende sorgte er mit einem fulminanten Volleyschuss für den Endstand - und den Gewinn des ersten Titels der Saison. Es sollte nicht der letzte bleiben.

  • Messi-Barcelona-2011Getty

    Gefürchtet von Atlético

    Mit einem 5:0 gegen Villarreal und einem 8:0 gegen Osasuna im Camp Nou setzte der FC Barcelona schon früh in der Saison ein Zeichen im Titelrennen in La Liga.

    Gegen Osasuna gelang Messi der erste seiner neun (!) Hattricks in dieser Saison. Seinen zweiten Dreierpack schnürte der damals 24-Jährige, als Atlético Madrid Ende September in Katalonien zu Gast war.

    Nachdem Barça bereits mit 2:0 in Führung gegangen war, stand Messi im Mittelpunkt des Geschehens und baute den Vorsprung mit einer unglaublichen Einzelleistung kurz vor der Pause aus, als er im Slalom an vier Atlético-Verteidigern vorbeizog und den Ball am kurzen Pfosten im Tor unterbrachte.

    Nach einem weiteren schwindelerregenden Solo erzielte er das 4:0 und überlistete in der 90. Minute Thibaut Courtois, um seinen Hattrick perfekt zu machen - und einen Abend zum Vergessen für den Atlético-Torhüter abzurunden.

  • Messi-Racing-2011Getty

    Vier Ballberührungen - und die Racing-Defensive ist k.-o.

    Als Racing Santander im Oktober ins Camp Nou kam, hatte Messi bereits 14 Saisontore erzielt.

    Barça gewann an diesem Abend souverän mit 3:0 und Messi eröffnete das Spiel mit einem Tor, das seine Genialität noch einmal unterstrich.

    Andrés Iniesta erhielt den Ball an der Strafraumgrenze und legte ihn dem heranstürmenden Messi auf, der mit seiner ersten Ballberührung vier Verteidiger aus dem Spiel nahm.

    Mit einer weiteren Ballberührung legte er sich die Kugel dann zurecht, umkurvte den Racing-Keeper und schob ins leere Tor ein.

    Vier geniale Ballkontakte in Nullkommanichts.

  • Messi-Neymar-Barcelona-Santos-2011Getty

    Das Finale der Klub-WM

    Das Finale der FIFA Klub-WM 2011 wurde auf das Duell zwischen Messi und Neymar zugespitzt. Der Brasilianer hatte nach einem fulminanten Karrierestart bei Santos bereits das Interesse von Barcelona und Real Madrid auf sich gezogen.

    Doch Neymar konnte nicht ahnen, wie groß der Klassenunterschied zwischen den beiden Teams an diesem Abend sein wird.

    Guardiolas Mannschaft dominierte die erste Halbzeit nach Belieben, und Messi eröffnete den Torreigen nach einem Pass von Xavi bereits nach 17 Minuten mit einem frechen Chip.

    Später traf Xavi selbst, Cesc Fabregas setzte noch einen drauf und Messi besorgte in der Schlussphase den Endstand.

    Nach einem Pass von Dani Alves hatte der damals dreifache Ballon-d'Or-Gewinner zwar einen schwächeren ersten Kontakt, konnte den Ball aber dennoch ins Tor schieben. Messi und Barça erteilten Neymar eine Lektion in Sachen Fußball, die er nie mehr vergessen sollte.

    Neymar und Messi spielten später im Camp Nou zusammen. Und auch jetzt laufen sie bei Paris Saint-Germain wieder gemeinsam auf. Ihr Verhältnis ist eng - wenngleich es natürlich nicht an das aus Barça-Zeiten heranreicht.

  • Messi-Malaga-BarcaGetty

    Der schönste Hattrick aller Zeiten?

    Im Januar ging es für die Katalanen nach Malaga, mit dem Selbstvertrauen eines 2:1-Sieges im Viertelfinal-Hinspiel der Copa del Rey bei Real Madrid.

    In Malaga sorgte Messi mit einem spektakulären Auftritt für einen 4:1-Sieg, bei dem er einen weiteren Hattrick erzielte. Doch dieser wird wohl für immer der beste seiner Karriere bleiben.

    Nach einer torlosen ersten halben Stunde brauchten die Gäste eine Initialzündung. Und wie üblich war es Messi, der das Spiel dann an sich riss. Mit einem präzisen Pass auf Iniesta öffnete er die Lücke in Malagas Abwehr und lief weiter, bis der Spanier den Ball zu Adriano weiterleitete.

    Der Brasilianer schlug eine perfekt getimte Flanke auf Messi, der mit einem fulminanten Kopfball in die untere Ecke des Tores traf - und damit die Kritiker verstummen ließ, die oft behaupteten, dass er aufgrund seiner Größe von nur 1,70 Meter in der Luft keine Gefahr darstelle.

    Alexis Sanchez erhöhte die Barça-Führung kurz nach der Pause, bevor Messi erneut für einen genialen Moment sorgte: Er startete 40 Meter vor dem Tor, um drei Malaga-Verteidiger genüsslich auszudribbeln und den Ball in aller Ruhe zu versenken.

    Messi entschied das Spiel letztlich mit einer noch spektakuläreren Einzelleistung: Erst ging er einem Tackling des früheren Bayern-Spielers Martin Demichelis geschickt aus dem Weg und blieb trotzdem auf den Beinen. Dann zeigte er erneut seinen enormen Speed und seine perfekte Ballbehandlung, als er in den Strafraum von Malaga eindrang und den letzten Verteidiger mit einer blitzschnellen Finte umkurvte, bevor er den Ball am Torwart vorbeischob - all das fast mit einer einzigen flüssigen Bewegung.

  • Messi-Barcelona-Atletico-2012Getty

    Die Chance nutzen

    Messi hat in seiner Karriere eine ganze Reihe von herausragenden Freistoßtoren erzielt, aber das vielleicht schönste von allen versenkte er am 26. Februar 2012 im Vicente Calderon.

    Beim Stand von 1:1 drohte Barcelona gegen Atlético, zwei wichtige Punkte im Titelrennen liegen zu lassen.

    Doch nach einem Foul an der Strafraumgrenze bot sich die Gelegenheit für Xavi, den folgenden Freistoß im Tor unterzubringen.

    Dann stellte Messi sein feines Gespür unter Beweis. Atlético-Keeper Courtois stand am ersten Pfosten und versuchte, seine Mauer zu platzieren. Bevor Xavi überhaupt zum Schuss anlaufen konnte, nutzte Messi die Chance.

    Während die Hälfte der Atlético-Spieler im Strafraum noch immer nicht auf die Freistoß-Schützen achtete, machte Messi einen großen Schritt nach vorne und zirkelte einen wunderbaren Schuss durch die Lücke ins Netz, die Courtois offen gelassen hatte. Selbst wenn der Torhüter bereit gewesen wäre, hätte er den Ball wahrscheinlich nicht gehabt.

  • Messi-Leverkusen-2012Getty

    Geschichte schreiben gegen Bayer Leverkusen

    Erling Haaland war erst der dritte Spieler in der Geschichte der Champions League, der fünf Tore in einem einzigen Spiel erzielte, beim 7:0-Sieg im Achtelfinal-Hinspiel gegen RB Leipzig.

    Auch Luiz Adriano gelang dieses Kunststück 2014 für Schachtjor Donezk. Und es ist nicht allzu schwer zu erraten, wer es zwei Jahre zuvor als Erster geschafft hatte.

    In der Saison 2011/12 traf Barcelona im Achtelfinale der Champions League auf Bayer Leverkusen und gewann das Hinspiel in Deutschland mit 3:1.

    Auch im Camp Nou konnten sich die Katalanen keine Unachtsamkeiten leisten - und so versuchte Messi von Beginn an, den Viertelfinal-Einzug klarzumachen.

    Sein erstes Tor erzielte er mit einem herrlichen Schlenzer in der 25. Minute, und mit zwei weiteren Treffern kurz vor der Halbzeit machte er seinen lupenreinen Hattrick perfekt. Beide Treffer waren außerirdisch.

    Messis viertes Tor war ein einfacher Abschluss aus kurzer Distanz, aber sein letztes Tor des Abends war ein weiterer Knaller: Er überwand Bayer-Keeper Bernd Leno von außerhalb des Strafraums.

    In dieser Phase der Saison machte Messi so ziemlich jede Mannschaft, die gegen Barça antrat, zum Gespött der Medien.

  • Messi-Ronaldo-2012Getty

    Cristiano Ronaldo übertreffen

    Trotz Messis unglaublichen Toren war Barcelonas letzte Saison unter Trainer Pep Guardiola die am wenigsten erfolgreiche.

    Real Madrid beendete die Saison in LaLiga mit neun Punkten Vorsprung auf die Blaugrana und einem Rekord von 100 Punkten. Der ewige Pragmatiker Jose Mourinho machte die Blancos außerdem zur besten Offensive der Liga (121 Tore).

    Cristiano Ronaldo erzielte 46 davon und hatte am Ende der Saison 60 Tore in allen Wettbewerben auf dem Konto, wurde aber trotzdem von seinem argentinischen Dauerrivalen in den Schatten gestellt.

    Messi stellte mit seinen 50 Toren einen Liga-Rekord auf, der wohl nie gebrochen werden wird.

    Außerdem kam er in dieser Saison in 60 Spielen auf 102 Torbeteiligungen - 27 mehr als Ronaldo.

    Die Katalanen waren auch in den direkten Duellen besser als Real. Von den sechs Begegnungen gewannen sie drei und verloren nur eine.

    Nach dem Gewinn der Supercopa konnten Messi und Co. die Mourinho-Mannschaft auch auf dem Weg zum Gewinn der Copa del Rey bezwingen, was ihnen nach dem Erfolg bei der Klub-WM ein eher kleines Triple bescherte.

    Auch wenn Ronaldo in LaLiga erfolgreicher war, gab es keinen Zweifel daran, dass Messi in dieser Saison der beste Spieler der Welt war.

  • Messi-Busquets-Barca-2012Getty

    Auch ein meisterhafter Vorlagengeber

    Messis beste Saison bestand aber nicht nur aus Toren. Er gab auch 29 Assists für seine Teamkollegen, was bis heute der zweithöchste Wert in den fünf europäischen Top-Ligen ist (neben Juan Mata für Chelsea 2013/14).

    Die Barcelona-Legende lieferte 0,5 Assists pro 90 Minuten, 16 davon in LaLiga, womit er einen weiteren Rekord aufstellte.

    Diese Spielmacherqualitäten sind es, die Messi von anderen Spielern abheben. Ja, er hat einen unübertroffenen Torriecher, aber er sieht auch Passwege, die kein anderer sieht, und hat die technischen Fähigkeiten, die Bälle dann perfekt zu spielen.

    Mit zunehmendem Alter hat sich Messi etwas tiefer fallen lassen, um das Spieltempo zu diktieren, was ihm geholfen hat, seine Top-Karriere auf höchstem Niveau zu verlängern - im Gegensatz zu Ronaldo.

    Die Saison 2011/12 war für Messi deshalb so bemerkenswert, weil er zum ultimativen Allround-Spieler wurde. Er spielte auch in Barça-Mannschaften, die weitaus besser waren. Aber in diesem Jahr gewannen sie trotzdem ein kleines Titel-Triple, weil Messi in der Lage war, ein Niveau zu erreichen, das im Fußball zuvor undenkbar gewesen war.

    Auch in der darauffolgenden Saison konnte Messi seine Top-Leistungen wiederholen und er erzielte schließlich im Kalenderjahr 2012 91 Tore für Barça und Argentinien, womit er den bisherigen Rekord von Gerd Müller übertraf.

    Für Erling Haaland wird es schlicht und einfach unmöglich sein, dieses Niveau einmal zu erreichen. Wir müssen aufhören, jeden tollen Spieler mit Lionel Messi zu vergleichen. Denn es wird nie wieder einen wie ihn geben.