John Bostock Tottenham Hotspur 2009Getty Images

Er lehnte einen Zehnjahresvertrag beim FC Barcelona ab und bekam später Morddrohungen: Wie ein englisches Rekordtalent in der fünften Liga landete - und nun vereinslos ist

Dieser Artikel erschien 2022 und wurde aktualisiert.

"Als ich 14 war, boten sie mir einen Zehnjahresvertrag an", erinnerte sich John Bostock einst im Gespräch mit der BBC: "Ronaldinho war zu dieser Zeit mein Lieblingsspieler und sie sendeten mir ein unterschriebenes Poster von ihm. Ich habe es immer noch zu Hause in London. Dort steht: 'Für John von Ronaldinho‘“.

Die Rede war in diesem Interview von keinem geringeren Klub als dem großen FC Barcelona. Die Vertragslaufzeit, das Poster seines Idols - die Katalanen schienen es ernst zu meinen. Doch Bostock lehnte ab. "Barcelona, Real Madrid, Inter, Manchester United, Chelsea, Liverpool - das Who is Who des europäischen Fußballs", zählte er die Klubs auf, die Schlange standen, um sich seine Dienste zu sichern - keiner davon erhielt den Zuschlag.

Heute zählt der 33-Jährige 16 Vereine zu seiner Vita. Statt möglicher großer Karriere in der spanischen Metropole befindet er sich aktuell auf der Suche nach einem neuen Abenteuer. Der zentrale Mittelfeldspieler hat eine wahrhafte Odyssee hinter sich.

  • John Bostock bei Crystal Palace: Fan, Nachwuchsstern, jüngster Debütant

    Im Alter von fünf Jahren schloss sich Bostock Crystal Palace an. Dem Verein, bei dem der gebürtige Londoner mit seiner Familie regelmäßig in der Kurve stand. Bostock galt als technisch begabt, athletisch und mit einem magischen linken Fuß ausgestattet. Schon früh wuchs er in puncto Talent über seine eigentliche Altersklasse hinaus. Ein Wunderkind des Jahrgangs 1992, das zahlreiche Top-Klubs auf den Plan rief.

    Bostock hatte die Qual der Wahl, doch er folgte seinem Herzen - und blieb schließlich bei den Eagles. Sein Gefühl zahlte sich schon bald aus: Mit gerade einmal 15 Jahren, neun Monaten und 14 Tagen gab er im Oktober 2007 sein Profidebüt in der zweitklassigen Championship gegen Watford und ist damit heute noch der jüngste Spieler der Vereinsgeschichte. Von der Fantribüne auf den Platz, ein Moment für die Ewigkeit.

    "Ich erinnere mich, dass ich zu jung war, um mich in der gleichen Umkleide wie meine Mitspieler umzuziehen, weil ich noch minderjährig war", verriet Bostock: "Ich habe die letzten 20 Minuten gespielt und dachte nur: 'Wow!' Ich habe dieses Team jahrelang spielen sehen, saß auf der Tribüne mit meiner kleinen Tüte Süßigkeiten. Es war ein surrealer Moment, einen, den ich nie vergessen werde."

    Zum großen Durchbruch bei Palace reichte es dennoch nicht, Bostock bestritt lediglich fünf Pflichtspiele für die Profis seines Heimatklubs. Seine Eltern und sein Berater überzeugten ihn schließlich davon, dass der nächste Schritt bei den Tottenham Hotspur liege, ausgerechnet einem Lokalrivalen von Palace.

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  • GER ONLY JOHN BOSTOCK CRYSTAL PALACE DEBÜT 2007imago images / Colorsport

    Morddrohungen, Dauerkartenentzug und Wechsel gegen seinen Willen: Bostock "bereut" Palace-Abschied

    Ein Wechsel, den er nach eigenen Aussagen vielleicht sogar mehr bereut, als die Absage an Barca. Dabei lag die Wahl seinerzeit gar nicht in seiner eigenen Hand. "Wenn ich ehrlich bin, hatte ich bei der Entscheidung nichts zu sagen. Ich war 15, habe das Papier auf dem Tisch gesehen und gesagt bekommen, dass ich es unterschreiben soll", betonte Bostock. Zwei Millionen Euro überwiesen die Spurs für die Dienste des damaligen Youngsters.

    Den Abschied von seinem Jugendverein wird er wohl genauso wenig vergessen, wie sein traumhaftes Debüt, denn was folgte, war ein heftiger Gegenwind. "Ich bekam Morddrohungen - Fans schrieben Dinge wie: 'Ich werde dies und jenes tun, wenn ich ihn auf der Straße sehe'", erinnerte sich Bostock: "Wir haben solch eine Reaktion nicht erwartet. Aber sie dachten, ich sei nur hinter dem Geld her." Auch der frühere Palace-Manager Simon Jordan ließ seinem Frust freien Lauf, drohte öffentlich damit, Bostocks Familie die Dauerkarten zu entziehen.

    "Ich war nur ein junger Mann, der versuchte, seine Träume zu verwirklichen", erklärte der einstige englische Juniorennationalspieler. Einer, der nach dem Maximum strebte und seinem brasilianischen Idol nacheifern wollte. Alles andere wäre eine Enttäuschung gewesen, so Bostock weiter: "Daran habe ich meine Identität festgemacht, und ich dachte, wenn ich das nicht schaffe, bin ich ein Versager."

  • John Bostock Tottenham Barcelona 2009Getty/GOAL

    Bostock: Erneuter Rekord bei den Spurs, Selbstzweifel, endlose Leihen

    An der White Hart Lane begann es für ihn ähnlich wie bei Palace: Mit 16 Jahren, neun Monaten und 22 Tagen trug er sich im November 2008 in der UEFA-Cup-Partie gegen Dinamo Zagreb erneut als jüngster Spieler der Klubhistorie in die Geschichtsbücher ein. Bei den Spurs spielte er an der Seite von Größen wie Gareth Bale oder Luka Modric. "Auf jeder Position gab es mindestens zwei Nationalspieler", blickte Bostock zurück.

    Die Konkurrenz war groß, mehr als drei Kurzeinsätze im Europapokal kamen nicht heraus. Die Verantwortlichen legten ihm nahe, sich erneut im Jugendbereich zu versuchen. Ein Nackenschlag für den ambitionierten Mittelfeldmann, der zugab, sich häufig zu sehr verstellt zu haben, um dem Hype um seine Person gerecht zu werden.

    Er habe angefangen, an sich zu zweifeln, seine Fähigkeiten zu hinterfragen und vor allem, der Meinung anderer zu viel Gewicht zuzusprechen. Was folgte, war eine schier unendliche Leihperiode.

    2009 führte sein Weg zunächst zum FC Brentford, danach zu Hull City, Sheffield Wednesday, Swindon Town und in die MLS nach Toronto. Bei keinem dieser Klubs konnte sich Bostock auf Dauer empfehlen. 2013 endete sein Vertrag bei den Spurs und er wechselte zu Royal Antwerpen in die zweite belgische Liga. Zwischenzeitlich habe er sogar daran gezweifelt, ob Fußball das Richtige für ihn sei.

    Auf Antwerpen folgten Oud-Heverlee Leuven, RC Lens, Bursaspor, Nottingham Forrest, Toulouse, die Doncaster Rovers, Notts County und schließlich der Fünftligist Solihull Moors, wo sein Vertrag im Juni endete. Bei keinem der Klubs blieb er länger als zwei Jahre.

  • John Bostock Notts County 2022-23Getty

    John Bostock ist aktuell auf Vereinssuche

    "Ich denke, es ist Teil des Lebens, dass man weiß, dass man bessere Entscheidungen hätte treffen können", resümierte Bostock. Im Laufe seiner Karriere hätten oftmals andere für ihn entschieden.

    Zahlreiche Vorschusslorbeeren, Top-Klub-Anfragen, Vereinsrekorde und deutlich mehr als ein Dutzend Vereine später ist Bostock aktuell ohne Verein. Seine bisherige Karriere sei "eine unangenehme Reise" gewesen. Aber eine, die "ich wahrscheinlich trotzdem nicht ändern würde."