CHEMA ANDRES STUTTGARTIMAGO / Sportfoto Rudel

Er ist zu gut für Plan A und erlebt einen "Traum": Wird Chema Andres vom VfB Stuttgart für Real Madrid zum absoluten Transfercoup?

Dass er selbst so schnell Leidtragender der hohen Qualität des neuen Youngsters werden würde, hätte Atakan Karazor sicherlich nicht gedacht, als er Anfang August schon nach den ersten Eindrücken von Chema Andres schwärmte: "Ein sehr ballsicherer Junge, das passt zu unserem Spielstil", sagte der Kapitän des VfB und betonte, dass Angelo Stiller und er sich freuen würden, "wenn wir da auf unserer Position jemanden haben, der uns als Back-Up und Konkurrenz dient."

Dass Chema aber schon auf Anhieb viel mehr als nur ein Back-Up ist, hatte man beim VfB nicht erwartet, als man das große Talent im Sommer für drei Millionen Euro Ablöse von Real Madrid loseiste. Plan A sah eigentlich vor, den 20-Jährigen in seinem ersten Jahr erst einmal weiterzuentwickeln und an das neue Niveau in der Bundesliga heranzuführen, ihn eben im Schatten von Karazor und Stiller wachsen zu lassen. Damit er Letzteren, der bekanntlich bei so manchem europäischen Topklub auf dem Zettel steht, möglicherweise ab der nächsten Saison im Stuttgarter Mittelfeldzentrum beerben kann.

  • Chema glänzt und ist "außergewöhnlich gut"

    Doch für Plan A ist Chema schlichtweg schon zu gut. Erstmals für Schlagzeilen sorgte er bei seinem Bundesliga-Debüt, als er Ende August eine Viertelstunde nach seiner Einwechslung das 1:0-Siegtor gegen Borussia Mönchengladbach erzielte. Knapp drei Wochen später stand Chema dann erstmals so richtig im Fokus: Bei seiner Startelf-Premiere für den VfB verdrängte er beim Heimspiel gegen den FC St. Pauli nämlich nicht irgendeinen Spieler aus der Anfangsformation, sondern Kapitän Karazor. Ein gefühltes Novum im Schwabenland.

    Denn auf seinen Kapitän hatte Stuttgarts Trainer Sebastian Hoeneß in den vergangenen zwei Jahren so gut wie nie freiwillig verzichtet, zuvor tat er das zuletzt Anfang Dezember 2024 im DFB-Pokalspiel beim damaligen Zweitligisten Jahn Regensburg.

    Doch weil Karazor wie die gesamte VfB-Mannschaft nicht wirklich gut in die Saison kam, hatte Hoeneß gegen St. Pauli den Mut, ihm Chema vorzuziehen. "Aufgrund der Tatsache, dass wir grundsätzlich einfach Impulse geben wollten", erklärte der Coach seine Entscheidung, die er nicht bereut haben dürfte. Denn Chema kam mit dem Druck, anstelle des Kapitäns von Beginn an zu spielen, bestens zurecht. Stuttgarts Sportvorstand Fabian Wohlgemuth bezeichnete die Leistung des Neuzugangs hinterher als "außergewöhnlich gut".

    Chema glänzte mit seinen Qualitäten, die bei einem zentralen Mittelfeldspieler aus Spanien nicht überraschen: Technisch hervorragend ausgebildet, ballsicher, pressingresistent und mit dem Gespür für die zum jeweiligen Spielmoment passenden Pässe ausgestattet. Ergänzend dazu bringt er mit 1,90 Meter Körpergröße viel Physis auf den Platz und verfügt über großes Organisationstalent. 

    Chema tritt bereits erstaunlich reif auf, strahlt mit dirigierenden Anweisungen an die Kollegen eine in seinem Alter nicht selbstverständliche Souveränität aus. "Sprechen, gestikulieren und Richtungen aufzeigen geben mir Sicherheit und Ruhe. So bin ich direkt aktiv und konzentriert im Spiel", erklärt er dem kicker. Seine Kommandos bringt er dabei so rüber, dass sie von erfahreneren, arrivierteren Spielern nicht als unnötig aufmüpfig empfunden, sondern unterstützt werden. "Sprich, Chema! Ob auf Spanisch, Englisch oder Deutsch - sprich! Wir verstehen dich schon", habe Innenverteidiger Jeff Chabot ihn ermutigt. "Das hilft mir enorm."

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    VfB Stuttgart: Chemas Reife erstaunt auch Hoeneß

    Derweil fällt bei Chema ein optisches Detail auf, für das auch sein berühmter Landsmann Rodri von Manchester City zuweilen bekannt ist: Das Trikot sitzt beim Stuttgarter Shootingstar stets akkurat in der Hose. Vergleiche zum Ballon-d'Or-Gewinner von 2024 ruft aber natürlich allen voran die ähnliche Spielweise hervor: "Das ist geil! Solche Spieler feier' ich, schaue auf die auf", kommentierte Mittelfeldkonkurrent Karazor die Rodri-Vergleiche euphorisch. "Wenn Chema mit denen verglichen wird, ist das auch für uns gut."

    Zuletzt gegen Heidenheim liefen Karazor und Chema erstmals gemeinsam vom Anpfiff weg auf der Doppelsechs auf und stellten beim 1:0-Sieg unter Beweis, dass auch das künftig eine Option sein kann. Für Chema war es bereits der vierte Startelf-Einsatz, in vier der letzten fünf Partien durfte er beginnen und konnte jeweils überzeugen. Erstaunlich früh befindet er sich auf bestem Wege, ein Eckpfeiler beim VfB zu werden.

    "Er ist gerade erst angekommen, ist noch jung und hat noch nicht so viele Minuten auf Top-Niveau gespielt", sagte Hoeneß jüngst zur rasanten Entwicklung des spanischen U21-Nationalspielers und kalkuliert auch Rückschläge mit ein: "Er ist sehr reif, er ist fokussiert und schon sehr klar. Das hilft ihm auch, große Formschwankungen zu vermeiden. Aber die soll er haben dürfen. Das Grundniveau, das er als 20-Jähriger mitbringt, ist schon hoch."

    Wie schnell es Chema gelungen ist, bei einem etablierten Bundesligisten Fuß zu fassen, ist tatsächlich imposant. Schließlich kam er zwar vom großen Real Madrid, für dessen A-Team standen vor dem Wechsel nach Stuttgart aber erst drei Kurzeinsätze zu Buche. In den Kader schaffte er es vergangene Saison immer wieder mal, spielen durfte er aber fast ausschließlich für Reals Zweitvertretung in der dritten spanischen Liga. Der Sprung von dort auf Bundesliga-Level glückte Chema zumindest von außen betrachtet ziemlich mühelos.

    Bei der Eingewöhnung außerhalb des Platzes hilft sein älterer Bruder, der mit nach Stuttgart gezogen ist und mit dem er sich in der neuen Heimat eine Wohnung teilt. Die letzten sieben Jahre hatte er in Madrid verbracht, mit 13 war er von UD Levante in Reals Nachwuchsabteilung gewechselt und musste seinen Geburtsort Valencia in Richtung spanischer Hauptstadt verlassen: "Das war anfangs schon schwierig", betont Chema im Rückblick. "Ich bin erstmals ohne meine Eltern in eine fremde Stadt gezogen. Aber am Ende bin ich überglücklich und sehr dankbar, dass ich diesen Schritt gewagt und die fußballerische Ausbildung bei Real erfahren habe."

  • Chema AndresGetty

    Chema schwärmt von seinem Start beim VfB - doch Real Madrid ist der große Traum

    Trotz der wenigen Einsätze soll Chema bei Real schon unter Ex-Trainer Carlo Ancelotti hoch im Kurs gestanden haben. Der Italiener, mittlerweile brasilianischer Nationalcoach, "mochte Chema sehr, weil er bei uns genau dasselbe sehr gut gemacht hat, was ihn bei Reals zweiter Mannschaft ausgezeichnet hat", verriet der ehemalige Real-Profi Jesus Vallejo kürzlich der Bild. "Von Chema sind viele Angriffe ausgegangen. Zudem hatte er ein sehr gutes Stellungsspiel und war aufgrund seiner Größe schon stark in den Luftduellen. Ich erinnere mich auch, dass er bei Standards richtig gefährlich war."

    Seit Sommer steht nun bekanntlich Xabi Alonso bei den Königlichen an der Seitenlinie. Unwahrscheinlich, dass sich unter ihm etwas an der königlichen Wertschätzung für das Eigengewächs geändert hat. Alonso nahm Chema mit zur Klub-WM und kennt ihn schon lange, trainierte ihn einst in Reals U14. "Ich konnte ein Jahr mit ihm zusammenarbeiten. Er ist ein sehr kompletter Trainer, der Spieler auf vielfältige Art und Weise weiterentwickeln kann", sagte Chema über Alonso.

    Obwohl man ihn nach Stuttgart abgegeben hat und trotz bis 2030 datiertem Vertrag im Schwabenland, hat Real Chema keinesfalls aus den Augen verloren. Nicht umsonst haben sich die Königlichen eine Rückkaufoption gesichert, mittels derer man das Mittelfeldjuwel im Sommer 2026 laut Bild für 13,5 Millionen Euro zurückholen könnte. Die spanische Zeitung As berichtete zuletzt, dass Real darüber tatsächlich nachdenke und Chema einer von zwei Kandidaten für die gesuchte Verstärkung im Mittelfeldzentrum sei.

    Chema wäre sicherlich nicht abgeneigt, sollte Real so schnell schon wieder anklopfen. "Natürlich ist Real Madrid ein Traum für jeden Spieler, und ich hoffe, eines Tages zurückzukehren. Schließlich weiß jeder, dass es der größte Verein im Weltfußball ist", sagte er jüngst bei Radioestadio Noche. Unüberlegt will der Durchstarter seine Zelte in Stuttgart aber keinesfalls rasch wieder abbrechen. 

    Zwar sei Real "der Ort, an dem jeder sein möchte". Chema ist sich aber bewusst, dass er das, was er sich von dem Wechsel zum VfB erhoffte, erst einmal nachhaltig schaffen will: Möglichst viel auf möglichst hohem Niveau spielen, um den nächsten Schritt in seiner Karriere gehen zu können. "Ich musste mich weiterentwickeln, spielen und Erfahrungen sammeln. Und Stuttgart hat mir all das gegeben", betont er und ist selbst überrascht davon, wie schnell er die Verantwortlichen beim VfB davon überzeugen konnte, von ihrem Plan A mit ihm abzurücken: "Ich bin persönlich und sportlich in einem meiner glücklichsten Momente, weil ich es nicht erwartet hatte, dass mein Start in Deutschland so laufen würde. Es ist ein Traum!"