Uli Hoeneß 2024Getty Images

"Er hatte erstmal eine Linie reingezogen auf der Toilette": Der womöglich wildeste Transfer in der Geschichte des FC Bayern

Roque Santa Cruz hat in seinem Leben viele Auszeichnungen gewonnen. Mit dem FC Bayern unter anderem fünf Meistertitel und 2001 die Champions League, mit Manchester City 2011 den FA Cup, dazu einen Haufen Trophäen in seiner Heimat Paraguay. Die Sportfreunde Stiller widmeten ihm das Lied "Ich, Roque", in dem er die entscheidenden Worte sogar selbst einspricht. Die Welt kürte ihn zum heißesten Fußballer der WM 2006 und Konami druckte ihn auf das Cover des Videospiels Pro Evolution 6.

Vergangene Woche knackte Santa Cruz im Trikot von Libertad Asunción die sagenhafte Marke von 1000 Pflichtspielen als Fußballprofi - im Alter von 43 Jahren. Nach vielen Stationen in Europa und einer Stippvisite in Mexiko war Santa Cruz 2016 in seine Heimatstadt zurückgekehrt. An den Ort also, von wo ihn der FC Bayern München einst nach Deutschland geholt hatte - unter wilden Umständen.

Die Geschichte beginnt bei der U20-Weltmeisterschaft im Frühling 1999 in Nigeria. In der Gruppenphase traf Deutschland auf Paraguay. Das direkte Duell gewann die deutsche Auswahl zwar, verpasste anders als Paraguay aber den Sprung in die K.o.-Runde. So wurde der FC Bayern auf den damals 18-jährigen Stürmer aufmerksam. Nach dem Turnier brachen Manager Uli Hoeneß und Vizepräsident Karl-Heinz Rummenigge nach Paraguay auf, um Santa Cruz live zu beobachten und im Idealfall direkt zu verpflichten.

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    Bulldoggen, Pumpguns und Koks: Die Verhandlungen in Asunción

    "Erst haben wir ihn uns bei einem Spiel angeschaut", berichtete Hoeneß vergangenen Sommer bei einem Talk in Seligenporten. "Nach 25 Minuten haben wir gesagt: Wir gehen jetzt Essen, den kaufen wir. Zur Halbzeit sind wir gegangen." Nun galt es, den Transfer zu realisieren. Dafür brauchte es die Zustimmung von zwei Parteien: dem paraguayischen Verband sowie Santa Cruz' damaligem Klub Olimpia Asunción.

    Teil 1 war eine leichte Übung. "Am Abend hatten wir eine Einladung beim Verbandspräsidenten von Paraguay, das war der Volksheld dort", erzählte Hoeneß. "Wir klingeln, zwei Bulldoggen und zwei Männer mit Pumpguns haben aufgemacht. Von denen wurden wir hinein begleitet. Dort haben die vom Verband gesagt: Ja, können wir uns vorstellen."

    Teil 2 am darauffolgenden Tag mit dem Olimpia-Präsidenten gestaltete sich komplizierter. "In seinem Wohnzimmer waren zehn Journalisten. Wir konnten gar nicht in Ruhe reden. Es war immer ein Rein und Raus", berichtete Hoeneß. "Er war nass geschwitzt, ging jede viertel bis halbe Stunde raus und kam mit einem frischen Hemd zurück. Was hat er gemacht? Er hatte erstmal eine Linie reingezogen auf der Toilette."

    Zwei Stunden und somit vier bis acht Hemden lang wurde mit dem berauschten Präsidenten verhandelt, am Ende blieb ein Problem: Hoeneß und Rummenigge wollten in D-Mark zahlen, ihr Gegenüber verlangte Dollar. "Ich habe irgendwann gesagt: zehn Millionen D-Mark und keinen Cent mehr", erzählte Hoeneß. Absage, no deal, Abreise. "Wir waren 500 Meter weg vom Haus, dann raste er hinter uns her, hat einen halben Herzinfarkt gehabt und uns zurückgeholt. So haben wir die zehn Millionen D-Mark durchgebracht."

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  • Hoeneß, RummeniggeImago

    Bestechung am Flughafen: Hoeneß und KHR essen in Buenos Aires

    Für den FC Bayern war das damals eine beträchtliche Summe. Santa Cruz avancierte zum bis dato zweitteuersten Neuzugang der Klubgeschichte. Einzig Giovane Élber hatte bei seinem Wechsel vom VfB Stuttgart nach München zwei Jahre zuvor etwas mehr gekostet.

    Kein Wunder, dass die Verpflichtung in einem entsprechenden Rahmen gewürdigt werden sollte. Asunción hat jedoch kaum etwas zu bieten, genau wie übrigens ganz Paraguay - in Sachen Sehenswürdigkeiten und Unterhaltungsmöglichkeiten ein großes Loch im Herzen Südamerikas.

    "Die Stadt hat uns nicht so gut gefallen, wir wollten aber unbedingt noch schön essen gehen", erzählte Hoeneß. Was tun? "Es gab eh keinen Direktflug von Asunción nach München, also wollten wir nach Buenos Aires." Zwei Stunden Flugzeit für ein schönes Abendessen.

    Am Flughafen von Asunción angekommen folgte die schlechte Nachricht. "Die Maschine ist leider schon beim Fertigmachen", sei dem deutschen Duo laut Hoeneß mitgeteilt worden. "Dann habe ich 200, 300 Dollar hingelegt - ja, vielleicht geht es doch. Wir rasten zum Ausgang. Ich auf einmal: Halt! Muskelfaserriss. Karl-Heinz hat mich mit letzter Kraft in das Flugzeug geschleppt. Aber am Abend sind wir schön in Buenos Aires essen gegangen."

  • Hoeneß, Santa CruzImago

    FC Bayern: Santa Cruz pflegte eine besondere Beziehung zu Hoeneß

    Womöglich war Hoeneß' Muskelfaserriss am Flughafen von Asunción ein schlechtes Omen: Santa Cruz sollten während seiner acht Jahre in München nämlich hartnäckige Verletzungsprobleme plagen. Letztlich gelangen ihm immerhin 51 Tore in 238 Einsätzen. Abgesehen von diesem Beitrag auf dem Weg zur 1000-Spiele-Marke und den Titeln blieb Santa Cruz von seiner Zeit beim FC Bayern auch eine besondere Verbindung zu Hoeneß.

    "Er war wie ein Vater für mich", berichtete Santa Cruz später bei Sport1, zeitweise residierte er sogar in Hoeneß' Wohnung. "Er hat mir in der Anfangszeit bei Bayern nicht nur geholfen, damit ich auch mental stärker werde, sondern ich habe bei ihm auch viel über das Leben gelernt. Ich musste im Kopf stark sein, weil ich so besser mit meinen Verletzungen umgehen konnte."

    Seine Verletzungsprobleme in jungen Jahren hatten aber auch positive Auswirkungen, vielleicht ermöglichten sie erst seine lange Karriere. "Dadurch habe ich früh gelernt, extrem auf meinen Körper aufzupassen", erklärte Santa Cruz der Bild. "Nach den Einheiten gehe ich entweder ins Gym oder zum Physiotherapeuten, mache auch sehr oft Dehnübungen. Diese Gewohnheiten machen langfristig den Unterschied."

    Wenn es irgendwann doch mal vorbei sein sollte, will er dem Vernehmen nach Sportdirektor von Libertad werden, das ist übrigens der große Lokalrivale seines Jugendklubs Olimpia. Ob Santa Cruz seine Talente dann unter gesitteteren Umständen verkauft?

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  • Roque Santa Cruz Getty

    Roque Sante Cruz: Seine Karrierestationen

    Zeitraum

    Klub

    1998 bis 1999

    Olimpia Asunción (Paraguay)

    1999 bis 2007

    FC Bayern (Deutschland)

    2007 bis 2009

    Blackburn Rovers (England)

    2009 bis 2011

    Manchester City (England)

    2011

    Blackburn Rovers (England)

    2011 bis 2012

    Betis Sevilla (Spanien)

    2012 bis 2015

    FC Malaga (Spanien)

    2015

    Cruz Azul (Mexiko

    2015 bis 2016

    FC Malaga (Spanien)

    2016

    Cruz Azul (Mexiko

    2016 bis 2022

    Olimpia Asunción (Paraguay)

    seit 2022

    Libertad Asunción (Paraguay)

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