Chelsea FC v SL Benfica - UEFA Champions League 2025/26 League Phase MD2Getty Images Sport

Er hat schon einen bitteren Spitzenamen: Jamie Gittens erlebt nächstes Tief nach Mega-Transfer vom BVB zum FC Chelsea

Es ist nicht einmal ein Jahr her, da war Jamie Gittens der große Hoffnungsträger von Borussia Dortmund. In einer Mannschaft, in der kaum etwas funktionierte, glänzte der damals 20 Jahre alte Flügelspieler als einer der wenigen Lichtblicke.

Besonders in der Champions League konnte er mit fünf Scorerpunkten in den ersten fünf Einsätzen überzeugen (vier Tore, ein Assist). Auch in der Liga sorgte er mit seinen Tempo-Dribblings für Aufsehen und war mehrfach erfolgreich, so auch beim 1:1-Unentschieden im Top-Spiel gegen den FC Bayern München. "Ich finde, dass er einen Riesenschritt gemacht hat", sagte der damalige Trainer Nuri Sahin Anfang Dezember 2024.

  • Im Oktober 2025 hingegen sieht die Welt ganz anders aus. Gittens hat inzwischen erneut einen Schritt gemacht, den von ihm ersehnten und dem Vernehmen nach auch nachdrücklich geforderten, zu einem Top-Klub in die Premier League. Er wechselte im Sommer nach langem Hin und Her für eine Ablösesumme von rund 65 Millionen Euro zum FC Chelsea und unterschrieb dort einen Vertrag bis 2032.

    Dort jedoch ist der inzwischen 21 Jahre alte Linksaußen, der wie früher Klub-Legende Didier Drogba die Nummer 11 trägt, bisher noch nicht so richtig angekommen. In sieben Pflichtspielen kam er in dieser Saison zum Einsatz. In der Startelf stand er dabei nur zweimal und wurde nach schwachen Leistungen jeweils schon kurz nach der Halbzeitpause ausgewechselt. Auch bei seinen Joker-Auftritten gelang ihm nicht allzu viel, auf ein Tor oder eine Torvorlage wartet er noch.

    Auf den Zuschauerrängen sorgten die Gittens-Ballverluste bereits für Murren, und auch dem Spott in den "Sozialen Netzwerken" sieht er sich mittlerweile ausgesetzt. Denn er zählt nun – wie auch Liverpools Rekord-Einkauf Florian Wirtz – zum sogenannten "007-Club" - in Anlehnung an den von Ian Fleming ersonnenen britischen Geheimagenten James Bond. Damit werden in England seit einigen Jahren Offensivspieler aufs Korn genommen, die trotz hoher Erwartungen in ihren ersten sieben Spielen keine Scorerpunkte sammeln können.

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  • RB Leipzig v Borussia Dortmund - BundesligaGetty Images Sport

    Der BVB hat mit dem Gittens-Verkauf alles richtig gemacht

    Eine Riesen-Überraschung ist es allerdings nicht, dass Gittens in der Premier League bisher keine Bäume ausreißt. Schließlich hatte er bereits im zweiten Halbjahr der vergangenen Spielzeit längst nicht mehr an den guten Start anknüpfen können. Unter Sahin-Nachfolger Niko Kovac hatte er einen deutlich schwereren Stand. Der Engländer konnte sich seine Defensiv-Defizite und halbherzigen Rückwärtsbewegungen nicht mehr leisten, suchte im System ohne klassische Flügelspieler vergeblich seinen Platz und war oft nur noch zweite Wahl. Von Mitte Januar bis zum Saisonende erzielte er nur noch einen einzigen Treffer. An seiner damaligen Situation hat sich also nach dem Wechsel gar nicht so viel verändert.

    Aus BVB-Sicht kann man sagen: alles richtig gemacht. Die Schwarzgelben hatten Gittens noch als Nachwuchsspieler von Manchester City verpflichtet und mussten damals lediglich eine Ausbildungsentschädigung zahlen. Nun hat der BVB eine Stange Geld eingenommen für einen Spieler, der in Dortmund unter Kovac, der langfristig bleiben soll, nicht mehr über die Joker-Rolle hinauskam – und für den man ein Jahr später wohl kaum noch eine derart hohe Summe hätte einstreichen können.

    Und auch Trainer Niko Kovac, der sich für seinen Umgang mit Gittens gerade am Anfang noch einiger Kritik ausgesetzt sah, kann sich nach dem starken Endspurt in der vergangenen Spielzeit und dem guten Saisonstart bisher darin bestätigt sehen, eher auf Spieler zu setzen, die ihren Defensiv-Aufgaben konsequenter nachkommen.

  • Ist Chelsea der richtige Klub für die sportliche Entwicklung?

    Aus sportlicher Perspektive des Spielers war der Wechsel bisher dagegen kein Fortschritt. Und ob er mit Chelsea, einem Klub, der seit Jahren für sein wildes Hin- und Hergeschiebe von Spielern bekannt ist und bei dem zudem große Konkurrenz in der Offensive herrscht, die richtige Wahl getroffen hat, darf zumindest bezweifelt werden. Mit Alejandro Garnacho, Pedro Neto, Estevao William oder dem aktuell verletzten Cole Palmer hat Gittens beim mäßig in die Saison gestarteten Klub-Weltmeister einige namhafte Offensivkräfte vor sich. An seinen auch beim BVB ersichtlichen Schwächen lässt sich ohne kontinuierliche Spielzeit nur schwer arbeiten.

    Für abschließende Urteile ist es freilich noch deutlich zu früh. Das findet auch Florent Malouda, der 2007 im Alter von 27 Jahren von Olympique Lyon zu den Blues wechselte und in seiner ersten Spielzeit ebenfalls deutlich kritisiert wurde. Denn in 32 Premier-League-Einsätzen gelangen ihm lediglich zwei Treffer und eine Vorlage. "Man darf sich davon nicht aus dem Konzept bringen lassen", sagte Malouda nun The Athletic. "Sie sind deine Fans und haben das Recht, ihre Gefühle auszudrücken."

  • FC Bayern Muenchen v Chelsea FC - UEFA Champions League FinalGetty Images Sport

    Ex-Chelsea-Profi Malouda hat einen Rat an Gittens

    Malouda etablierte sich trotz seiner Startschwierigkeiten bei den Blues und spielte sich in die Herzen der Anhänger. Er feierte mit dem Klub 2010 das Double aus Meisterschaft und FA Cup, sowie 2012 dank des Finalsiegs gegen den FC Bayern sogar den Gewinn der Champions League. "In jeder Transferperiode gab es Wechselgerüchte, aber ich habe immer darum gekämpft, dazubleiben und das Vertrauen der Fans zu gewinnen. Sie haben es mir zurückgegeben, weil sie gesehen haben, dass ich den Verein mit allem, was ich hatte, verteidigt habe."

    Sein Ratschlag an Gittens lautet: "Wenn du so jung bist und für einen Klub wie Chelsea spielst, musst du Selbstvertrauen entwickeln." Talent habe der Spieler genug. "Du muss furchtlos sein, das ist der einzige Weg."

    Allerdings räumt Malouda auch ein, dass Geduld nicht unbedingt die Stärke der englischen Klubs ist: "In anderen Ligen müssen die Vereine abwarten, wie sich ihre Neuverpflichtungen entwickeln. Weil in England so viel Geld vorhanden ist, haben sie dort die Möglichkeit, im nächsten Transferfenster schon wieder Dinge zu korrigieren." Allzu lang dürfe Gittens sich also nicht Zeit lassen, bis er in der Mannschaft ankomme. 

    Dass ein Spieler auch nach einem schwachen Start noch richtig bei seinem neuen Klub einschlagen kann, zeigt indes ein anderes Beispiel aus England: So wartete Arsenal-Legende Thierry Henry 1999 nach seinem Wechsel in die Premier League sieben Spiele lang vergeblich auf einen Scorerpunkt für seinen neuen Klub. Im achten Spiel gelang ihm sein erster Treffer – und später kamen noch 227 weitere hinzu.