Es kann so herrlich einfach sein! Wie das denn genau war mit seinem traumhaften Freistoß zum Endstand von 3:1 gegen Nordirland, wurde Florian Wirtz gefragt - und was ihm Joshua Kimmich davor eigentlich zugeflüstert habe. "Ehrlich gesagt weiß ich das gar nicht", erwiderte der 22-Jährige. "Da kamen zu viele Sprüche von der Seite. Irgendwas, irgendwelche Ideen. Ich wusste, dass ich es einfach probieren will, weil die Position gut war. Und dann habe ich es auch gemacht."
Getty/GOALEine einsame Aktion verhindert unangenehme Debatten! Deutschlands Millionen-Duo gibt Rätsel auf
Dieser traumhafte Freistoß, diese einsame Premium-Aktion, dürfte Wirtz vor äußerst unangenehmen Debatten bewahrt haben. Denn abgesehen davon enttäuschte er wie schon bei der 0:2-Pleite gegen die Slowakei am Donnerstag auch gegen Nordirland. Und übrigens auch wie beim Final Four der Nations League im Juni.
Gegen die Slowakei leitete Wirtz mit einem Ballverlust den Rückstand ein. Statt umgehend nachzusetzen, lieferte er sich anschließend lieber ein Wortgefecht mit seinem Gegenspieler Ondrej Duda. Insgesamt verlor Wirtz 21 Bälle, mehr als jeder andere Deutsche. Gegen die Slowakei setzte er immerhin vereinzelte offensive Akzente, gegen Nordirland blieben sie, abgesehen vom traumhaften Freistoß, fast gänzlich aus. Gerade in Abwesenheit seines verletzten Co-Zauberers Jamal Musiala hatte man sich deutlich mehr erhofft von Wirtz.
Enttäuschend verliefen zuvor auch seine ersten Auftritte für den FC Liverpool, der ihn im Sommer für 125 Millionen Euro von Bayer Leverkusen verpflichtet hatte. Vier Spiele, ein Assist, erste kritische Stimmen in England und ein spezieller Willkommensgruß - so lautet seine bisherige Bilanz. Vergangenes Wochenende musste Wirtz bei Liverpools 1:0-Sieg gegen den FC Arsenal mit Oberschenkelproblemen vorzeitig runter. "Es war keine Verletzung, es war ein Willkommen in der Premier League", scherzte Trainer Arne Slot.
Ob er denn schon angekommen sei in seiner neuen Heimat? "Ich glaube, es braucht vielleicht noch ein paar Spiele ", gab Wirtz nach dem Nordirland-Spiel zu. "Es ist eine andere Liga, es ist ein anderer Fußball."
Getty ImagesNick Woltemade im DFB-Team: Pfiffe und erschreckende Statistiken
Diese Erfahrung dürfte alsbald auch Nick Woltemade machen. Der 23-Jährige wartet nach seinem 85 Millionen Euro teuren und vieldiskutierten Wechsel vom VfB Stuttgart kurz vor Ende der Transferphase noch auf sein Debüt für Newcastle United. Am Samstag beim Heimspiel gegen die Wolverhampton Wanderers könnte es soweit sein. Seine beiden jüngsten Auftritte im DFB-Trikot dürfte Woltemades neuer Arbeitgeber mit Besorgnis verfolgt haben.
Genau wie Wirtz machte auch Deutschlands zweiter Millionen-Export keinen guten Eindruck. Von Bundestrainer Julian Nagelsmann entgegen seiner eigentlichen Stärken als zentraler Solo-Stürmer aufgeboten, fehlte Woltemade sichtlich die Bindung zum Spiel - was diverse erschreckende Statistiken eindrucksvoll unterstreichen.
Gegen die Slowakei verzeichnete Woltemade 26, gegen Nordirland gar nur 16 Ballkontakte. Er spielte sechs Pässe, von denen vier ankamen - einer davon firmierte mit etwas Glück als Assist zu Serge Gnabrys 1:0. Anschließend vertändelte der 23-Jährige zwei vielversprechende Chancen leichtfertig, letztlich reichte es zu keinem einzigen Schuss. In Minute 61 wurde Woltemade unter Pfiffen der eigenen Fans ausgewechselt.
"Ich halte nichts davon. Er ist ein junger Spieler, der gerade eine schwierige Phase durchgemacht hat. Mit vielen Wechselthemen, hin und her", sagte Torschütze Nadiem Amiri. "Ich finde es schade - aber so ist der Fußball." Die Pfiffe waren der abschließende Tiefpunkt einer für Woltemade persönlich desillusionierenden Länderspielphase, bei der er die große Chance verpasste, sich in Abwesenheit seiner verletzten Rivalen Kai Havertz, Niclas Füllkrug und Tim Kleindienst für weitere Startelf-Einsätze in der Nationalmannschaft zu empfehlen.