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"Dieser Transfer ist eine Schande": Der Neustart von BVB-Millionenflop Nico Schulz bei einem türkischen Skandalklub

Man ist schnell bei der Hand, bei einem Profifußballer mit entsprechendem Karriereverlauf von einem Absturz zu sprechen. Zahlreiche Faktoren können dabei eine Rolle spielen, für die der Spieler manchmal auch nicht allzu viel kann.

Blickt man auf die vergangenen fünf Jahre in der Laufbahn von Nico Schulz, wäre der Begriff "Absturz" beinahe schon eine Verniedlichung der Umstände. Die gesellschaftliche Reputation des einstigen deutschen Nationalspielers (zwölf Länderspiele) hat dabei noch extremer gelitten als sein sportliches Schaffen.

  • Nico Schulz - Borussia DortmundGetty Images

    Nico Schulz verfolgt das Stigma des Frauenschlägers

    Grund dafür sind freilich die Vorwürfe häuslicher Gewalt. 2022 beschuldigte ihn seine Ex-Freundin der gefährlichen Körperverletzung, während sie mit dem gemeinsamen Kind schwanger war. Damals spielte Schulz noch für Borussia Dortmund, das drei Jahre zuvor stolze 25 Millionen Euro für ihn an die TSG Hoffenheim überwies.

    Erst im Februar des Vorjahres wurde das Verfahren eingestellt. Schulz hatte innerhalb von drei Monaten 150.000 Euro an fünf soziale Einrichtungen zu zahlen. Zudem leistete er im Rahmen eines außergerichtlichen Täter-Opfer-Ausgleichs Schadensersatz in nicht genannter Höhe an die Frau. Bei der Verhandlung vor dem Amtsgericht Dortmund gab Schulz über seinen Rechtsanwalt ein "bedauerliches Fehlverhalten" zu, die Auseinandersetzungen hätten allerdings "in dieser Weise nicht stattgefunden".

    Er ist damit nicht vorbestraft. Das Stigma des Frauenschlägers verfolgt Schulz aber seither, vermutlich wird er es auch nicht mehr los. Öffentlich hat sich der Linksverteidiger nie dazu positioniert, seit Jahren gab Schulz kein ausführliches Interview mehr.

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  • Danny RöhlSheffield Wednesday FC

    Nico Schulz stand vor einem Engagement bei Sheffield Wednesday

    Schon lange zuvor war seine Karriere mächtig ins Stocken geraten. Beim BVB, der ihm einen gut dotierten Fünfjahresvertrag gab, enttäuschte er auf ganzer Linie. Zu viele Verletzungen und seine Formschwäche ließen Schulz letztlich nur 61 Pflichtspiele (ein Tor, drei Vorlagen) absolvieren. Im Sommer 2023 wurde der Vertrag schließlich aufgelöst, Schulz bekam dafür dem Vernehmen nach eine Abfindung in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Für die Dortmunder ein einziges Millionengrab.

    Schulz durchlebte in der Folge ein Jahr der Vereinslosigkeit. Zwar tauchten hin und wieder Transfergerüchte über ihn auf, doch konkretisiert hatte sich nichts davon. Das war erst im vergangenen Februar der Fall, als er unter dem deutschen Trainer Danny Röhl beim damals abstiegsgefährdeten englischen Zweitligisten Sheffield Wednesday vorspielte.

    "Er hat seine Qualität gezeigt, obwohl er seit Monaten nicht mehr gespielt hat und hat gezeigt, dass er in guter Form ist. Wir sollten glücklich sein, wenn wir die Möglichkeit haben, einen solchen Spieler zu bekommen", sagte Röhl damals. Doch Schulz' Ruf war auch in England sofort ein Thema.

  • Nico Schulz und der skurrile Auftritt in Babelsberg

    Die "Sheffield Wednesday Women's Supporters Group" schrieb in einem offenen Brief an die Owls: "Jeden willkommen zu heißen, dem Gewalt gegen eine Frau vorgeworfen wird, normalisiert und legitimiert dieses Verhalten." Dieser Protest reichte aus, damit der Klub Abstand von einer Verpflichtung nahm.

    Ein paar Monate später tauchte Schulz beim Regionalligisten SV Babelsberg 03 auf. Dass er dort vier Wochen lang mittrainieren durfte, hatte er zwei speziellen Verbindungen zu verdanken: Schulz’ jüngerer Bruder Gian Luca spielte für den Klub, Trainer Andre Meyer kannte Schulz noch von seiner Zeit in der U17 von Hertha BSC.

    Skurril: Nur einen Tag, nachdem bekannt wurde, dass sich der 31-Jährige in Babelsberg fit hält, verkündete der Verein Anfang September das Ende der Zusammenarbeit. Zu keinem Zeitpunkt sei eine Verpflichtung von Schulz geplant gewesen, ließ man mitteilen. "Wir sind sportlich nicht auf Nico Schulz angewiesen und er nicht auf uns", hieß es. Bereits zuvor sagte Sportvorstand Paul Bachmeyer, Schulz "kickt einfach als Trainingsgast ein bisschen mit". Über seine brisante Vorgeschichte sei jeder im Bilde gewesen: "Der Trainer hat uns darüber informiert und auch den Mannschaftsrat einbezogen, der das abgesegnet hat."

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  • Nico Schulz kommt bei Skandalklub Ankaragücü unter

    Wenige Tage später war Schulz' Odyssee beendet. Er unterschrieb beim türkischen Zweitligisten Ankaragücü, in der vergangenen Saison aus der Süper Lig abgestiegen, einen Zweijahresvertrag. Kurz darauf heuerte mit Kenan Kocak ein deutscher Trainer an, der Ende des Jahres aber zum SV Sandhausen wechselte.

    Ankaragücü darf man angesichts der Ereignisse der vergangenen Jahre getrost als Skandalklub bezeichnen. Dem Verein wurden bereits mehrere Transfersperren auferlegt, im Dezember 2023 sorgte zudem Präsident Faruk Koca für einen landesweiten Aufschrei. Bei einem Spiel gegen Rizespor hatte Koca Schiedsrichter Halil Umut Meler auf dem Platz geschlagen.

    Die Süper Lig setzte daraufhin den Spielbetrieb aus, Koca trat einen Tag danach zurück und wurde später lebenslang gesperrt. Der Klub musste zwei Millionen Euro Strafe zahlen und fünf Heimspiele ohne Fans austragen. Im vergangenen November wurde zudem das Urteil gegen Koca gesprochen: Der langjährige Politiker wurde zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt.

  • Nico Schulz AnkaragücüAnkaragücü

    Nico Schulz: Nach 863 Tagen endlich wieder ein Pflichtspiel

    Der Transfer von Schulz sorgte unter den gebeutelten Anhängern für sehr gemischte Gefühle. Während einige angesichts seiner prominenten Vita Hoffnung schöpften, kritisierte eine Mehrzahl die moralische Dimension der Verpflichtung. Von "Dieser Transfer ist eine Schande" über "Wir schämen uns dafür" bis zu "Geh weg, Schulz" war in den Kommentarspalten unter der Verkündung des Deals alles dabei.

    863 Tage, nachdem er am 7. Mai 2022 für Dortmund gegen Fürth sein letztes Pflichtspiel bestritten hatte, debütierte Schulz schließlich für den Hauptstadtklub - und sah nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung eine Gelbe Karte. Davon folgten drei weitere in seinen ersten neun Partien, weshalb Schulz bereits eine Sperre absitzen musste.

    "Ich bin sehr zufrieden mit Nico. Ihm fehlen noch Spiele, er wird besser werden", sagte Kocak in der Anfangszeit. Mitte Oktober urteilte der Coach: "Nico Schulz ist ein Spieler auf höchstem Niveau. Er hat seit zwei, zweieinhalb Saisons keinen Fußball mehr gespielt. Es ist nicht möglich, dass er nach dieser langen Zeit sofort einsatzbereit ist."

  • Nico Schulz AnkaragücüAnkaragücü

    Der Marktwert von Nico Schulz fiel beträchtlich

    Nach nun 19 Spieltagen in der 1. Lig liest sich Schulz' Bilanz durchschnittlich: 13-mal kam er in Liga und Pokal zum Einsatz, 59 Minuten beträgt seine durchschnittliche Einsatzzeit. In acht Partien stand er in der Startelf, zweimal saß er über die gesamte Spieldauer auf der Bank.

    Auch die Leistungen von Schulz, der lediglich seinen Vornamen auf dem Rücken seines Trikots trägt, waren eher durchschnittlich. Er deutete zwar schon an, dass er noch genügend Qualität mitbringt, um dem Team im Kampf um den Aufstieg entscheidend weiterzuhelfen. Dann wieder waren Partien dabei, in denen nur wenig zusammenlief. Als er Ende November beim 0:1 im Derby gegen Genclerbirligi, das mit Ankaragücü das Stadion teilt und zuletzt sogar Interesse an Schulz bekundet haben soll, schwach spielte, schrieb ein User bei X sarkastisch: "Die Arbeiten für die Errichtung einer Statue von Nico Schulz haben begonnen."

    Eine Torvorlage weist die Statistik für Schulz aus, der zuletzt angeschlagen fehlte. Die Mannschaft und er werden sich im zweiten Saisonhalbjahr unter dem neuen Trainer Kemal Özdes steigern müssen, wenn es mit dem Wiederaufstieg klappen soll. Derzeit belegt man mit 27 Punkten den neunten Tabellenplatz, 14 Zähler sind es bis zur Spitze. Rang zwei, der auch noch zum direkten Aufstieg befähigt, ist sieben Punkte entfernt. Die Plätze drei bis sechs spielen nach der Saison untereinander einen weiteren Aufsteiger aus.

    Vermutlich kommt der erstmalige Auslandsaufenthalt in seiner Karriere Schulz zugute. In der Türkei ist er weit entfernt von den zuletzt schwierigen Jahren in Deutschland. Das Abenteuer Ankara könnte sich so noch rechtzeitig als guter sportlicher Neustart erweisen, bevor es für ihn zu spät wird. Dass er das Ende seiner Laufbahn jedoch krachend in den Sand gesetzt hat, diesen Umstand wird Schulz wohl nicht mehr umkehren können. Zur Verdeutlichung: Das Portal transfermarkt.de weist seinen Marktwert derzeit mit 425.000 Euro aus. Im Juni 2019 lag er noch bei 25 Millionen.

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