Michael Ballack FC Bayern 2006Getty Images

Die Mutter aller ablösefreien Abgänge: Dem FC Bayern droht gleich mehrfach eine Pleite wie einst bei Michael Ballack

Beim FC Bayern beginne nun "die Zeit der Entscheidungen", kündigte Sportvorstand Max Eberl kurz nach Silvester an. Damit meinte er aber keine Titel-Entscheidungen, sondern Kader-Entscheidungen. Gleich sieben Verträge laufen im kommenden Sommer aus. Sieben Spieler könnten den Klub somit ablösefrei verlassen - und zwar nicht irgendwelche. Dem FC Bayern drohen Verluste in Millionenhöhe.

Dauerreservist Eric Dier bekommt wohl keinen neuen Vertrag. Der bereits 38-jährige Kapitän Manuel Neuer dürfte demnächst für ein weiteres Jahr unterschreiben. Teil des Pakets ist traditionell auch eine gleichzeitige Verlängerung mit seinem langjährigen Ersatzmann Sven Ulreich, der aber wohl von der Nummer zwei zur Nummer drei absteigen wird. Klub-Ikone Thomas Müller darf machen, was er will: noch ein Jahr als Spieler? Jugendtrainer? Management? Maskottchen?

Bleiben drei besonders knifflige Fälle: der vermeintliche Zukunfts-Kapitän Joshua Kimmich (29), der wiedererstarkte Alphonso Davies (24) und der seit viereinhalb Jahren konstant inkonstante Leroy Sané (28).

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    FC Bayern will mit Joshua Kimmich und Alphonso Davies verlängern

    Mit Kimmich und Davies will der FC Bayern unbedingt verlängern. Beide hielten sich zuletzt aber bedeckt, beide sind im besten Fußballeralter und europaweit begehrt. Kimmich locken vor allem seine Ex-Trainer Pep Guardiola (Manchester City) und Hansi Flick (FC Barcelona). Davies wird seit Monaten von Real Madrid - dem Meister der ablösefreien Verpflichtungen - umgarnt, es war sogar schon mal von einer längst erfolgten Einigung die Rede. Obwohl die Münchner eigentlich Gehaltskosten einsparen wollen, wird sich das mit den Verlängerungen der beiden nicht machen lassen.

    Sané will dem Vernehmen nach zwar gerne in München bleiben und würde dafür sogar Gehaltseinbußen hinnehmen. Neuesten Berichten der Sport Bild zufolge planen die Bosse aber aktuell keine Verlängerung. Sollte es tatsächlich zu einer sommerlichen Trennung kommen, wäre Sané der teuerste Neuzugang der Klubgeschichte, der München ablösefrei verlässt. 2020 zahlte der FC Bayern für ihn 49 Millionen Euro an Manchester City.

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  • David Alaba BayernGetty Images

    Alaba, Süle, Tolisso: Die Zeit der ablösefreien Abgänge

    Bisher hielt diesen unrühmlichen Rekord Corentin Tolisso: 2017 für 41,5 Millionen Euro von Olympique Lyon verpflichtet, 2022 gratis zu seinem Jugendklub zurückgekehrt. Damals entwickelten sich ablösefreie Abgänge zu einem großen Problem des FC Bayern. Gleichzeitig mit Tolisso verloren die Münchner Niklas Süle ablösefrei an Borussia Dortmund und bereits ein Jahr zuvor David Alaba an Real Madrid. Mit beiden wollte der FC Bayern verlängern.

    Die Vertragsgespräche mit Alaba verkamen im Herbst 2020 zur Posse. Sein berüchtigter Berater Pini Zahavi lehnte mehrere Angebote ab, woraufhin ihn Bayern-Patron Uli Hoeneß einen "geldgierigen Piranha" schimpfte. Aber auch intern schien Uneinigkeit zu herrschen: Sportvorstand Hasan Salihamidzic wollte Alaba explizit "kein Ultimatum" setzen. Anfang November zog Präsident Herbert Hainer aber live im BR das letzte Angebot zurück, weil man von Alaba "bis Ende Oktober" Klarheit haben wollte. Mit Javi Martínez und Jérôme Boateng verließen noch zwei weitere hochdekorierte Spieler den Klub ablösefrei. Auch wegen dieser Abgänge geriet Salihamidzic intern immer stärker in die Kritik. 2023 wurde er gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn schließlich entlassen.

    In den beiden darauffolgenden Sommern verloren die Münchner keine gestandenen Spieler ablösefrei. 2023 lediglich den Reservisten Daley Blind. Eric Maxim Choupo-Moting verlängerte seinen auslaufenden Vertrag im März unterdessen zu angeblich verdoppelten Bezügen um ein Jahr. Aus Sicht des FC Bayern ein Eigentor: Der damals bereits 33-jährige Stürmer verletzte sich kurz darauf und schoss bis zu seinem Vertragsende 2024 nur noch fünf Tore. Gleichzeitig mit Choupo-Moting verabschiedete sich 2024 auch Bouna Sarr. Aufgrund seines stattlichen Gehalts trotz sportlicher Bedeutungslosigkeit wurde seinem Vertragsende förmlich entgegengefiebert.

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    Michael Ballack: Die Mutter aller ablösefreien Abgänge

    Die Mutter aller ablösefreien Abgänge des FC Bayern ist Michael Ballack: Sein Wechsel zum FC Chelsea 2006 war sogar noch geräuschvoller als Alabas 15 Jahre später. Der FC Bayern wollte mit dem Capitano, der in München wegen Kahn übrigens gar nicht Capitano war, unbedingt für vier Jahre verlängern. Während Hoeneß und Rummenigge mit Ballacks Berater Michael Becker verhandelten, sondierte dieser fleißig den Markt.

    "Wir bedauern es, wie Ballack angeboten wird. Wenn man mitbekommt, welche Bemühungen Michaels Berater Dr. Becker unternimmt, um ihn bei anderen Klubs ins Gespräch zu bekommen, dann weiß man, was läuft", sagte Rummenigge der Bild. Becker müsse aber "wissen, dass der FC Bayern nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen ist. Wir sind ein ausgeschlafener Verein."

    Die Fans wandten sich im Zuge des Pokers von Ballack ab. Als Rummenigge bei der Jahreshauptversammlung im November die Trennung verkündete, brandete Jubel auf. In der restlichen Saison wurde Ballack regelmäßig ausgepfiffen. Mit "populistischen Aussagen" hätte die Vereinsführung versucht, "die Fans gegen mich aufzuwiegeln", beklagte Ballack. "Karl-Heinz Rummenigge hat sich hier besonders hervorgetan." Das wollte Hoeneß nicht auf sich sitzen lassen, zum Abschied sagte er: "Es war immer klar, dass es Michael nicht darum ging, eine neue Sprache oder eine neue Kultur kennenzulernen, sondern eine neue Währung."

    Dieser vermeintliche Wunsch Ballacks sollte sich beim von Roman Abramovich alimentierten FC Chelsea erfüllen. Ein Jahr später folgte ihm sein ehemaliger Münchner Kollege Claudio Pizarro ablösefrei nach London - auch ihn wollte der FC Bayern eigentlich halten. Anders als Ballack ging Pizarro aber nicht im Unfrieden und kehrte später sogar zurück. Zweimal.

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  • GFX GOAL Freund Eberl Kompany Getty Images / GOAL

    Nur nicht "als großer Verlierer" dastehen: Der Ehrenkodex des FC Bayern

    Nach Pizarros Abgang verloren die Münchner bis zur Causa Alaba viele Jahre lang keine Spieler mit echtem Weiterverkaufswert ablösefrei. Gratis gingen eigentlich nur gescheiterte Talente, Dauerreservisten oder Altstars. Zumindest den damals 33-jährigen Miroslav Klose wollten die Münchner 2011 vor dessen Wechsel zu Lazio Rom ganz gerne halten - aber nur für eine Saison und nicht wie von ihm gewünscht für zwei.

    Wer Verlängerungen verweigerte, wurde lieber ein Jahr vor Vertragsende verkauft - beispielsweise Toni Kroos (Real) oder Thiago (FC Liverpool). Eine Art Ehrenkodex sei das beim FC Bayern gewesen. So berichtete es Berater Volker Struth, der unter anderem auch Süle vertritt, in seinem Buch "Meine Spielzüge": "Sie bezahlten ihre großen Spieler generös, dafür erwarteten sie, dass diese Spieler einen Vereinswechsel allenfalls bei laufendem Vertrag anstreben, sodass der FC Bayern mit einer Ablöse entschädigt würde und, das war fast genauso wichtig, in der Öffentlichkeit nicht als großer Verlierer dastand."

    Genau das könnte im Jahr 2025 aber mal wieder passieren - und zwar dramatischer als je zuvor: Noch nie drohte der FC Bayern gleichzeitig so viele prominente Spieler ablösefrei zu verlieren wie nun.

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