FC Augsburg v FC Bayern München - BundesligaGetty Images Sport

Die Abwehrprobleme des FC Bayern München: Ereilt Jonathan Tah das Schicksal eines prominenten Vorgängers?

Ein bisschen spielt Jonathan Tah auch um seinen Ruf. Bevor er in den vergangenen zwei Spielzeiten mit Bayer 04 Leverkusen durchgestartet ist, haftete ihm das Klischee an, nicht beständig genug zu sein. Zwar galt der Innenverteidiger stets als talentiert genug, um sich für die höchsten Aufgaben zu qualifizieren. Doch dieser Durchbruch gelang ihm streng genommen noch nicht.

Erst im Alter von 29 Jahren stellt sich der gebürtige Hamburger der Herausforderung beim FC Bayern München und somit bei einem der absoluten Topklubs in Europa. Die ersten Wochen laufen durchwachsen – schafft Tah beim Rekordmeister, was namhaften Vorgängern nicht gelang?

  • Warum die Münchner ihn geholt haben, liegt auf der Hand: Tah war nicht nur ablösefrei, er erfüllt dazu noch mehrere Kriterien aus dem Uli-Hoeneß-Handbuch für perfekte Transfers.

    Denn der ehemalige Leverkusener ist nicht nur deutscher Nationalspieler, sondern auch erfahren und auf mehreren Ebenen ein echter Führungsspieler. Wer sich mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt hat, dürfte kaum verwundert darüber gewesen sein, dass Tah es direkt in den Mannschaftsrat des FC Bayern geschafft hat.

    Neben dem Platz gibt er kluge, nüchterne und grundsympathische Interviews – ohne dabei langweilig zu wirken. Auf dem Platz kommuniziert er viel mit seinen Mitspielern, übernimmt Verantwortung und hat ein gutes Gespür für das, was als nächstes passiert.

    Tah wirkt intelligent, was auch anhand seiner Karriereentscheidungen nachzuvollziehen ist. Dass er spät den Weg zu einem Topklub angetreten ist, dürfte neben seiner Loyalität zu Leverkusen auch damit zu tun haben, dass ihm der letzte Schritt zu einem Top-Verteidiger in der Bundesliga lange nicht gelingen wollte.

    Nun aber sieht er sich selbst weit genug. An einem Punkt, an dem er diese Herausforderung braucht, um weiter zu wachsen und sich auf hohem Niveau zu stabilisieren.

  • Werbung
  • FBL-GER-SUPERCUP-STUTTGART-BAYERN MUNICHAFP

    Jonathan Tah: Komplizierter Saisonstart

    Die ersten Wochen beim FC Bayern liefen ordentlich an. Mit guten Leistungen wie beim Bundesligaauftakt gegen RB Leipzig oder über weite Strecken im Supercup gegen den VfB Stuttgart. Aber eben auch mit schwierigen Momenten wie in Wiesbaden im Pokal oder zuletzt in Augsburg.

    Für Tah ist es taktisch eine große Umstellung. In Leverkusen war er meist Teil einer Dreierkette und konnte sich so auf seine Stärken im Stellungsspiel fokussieren. Leverkusen verteidigte unter Xabi Alonso in der Vertikalen nicht ganz so gestreckt wie die Bayern, sicherte die tiefen Positionen großzügig ab, verzichtete dafür aber auch auf den maximalen Druck im Angriffsdrittel.

    Tah kam das unter anderem deshalb zugute, weil er nicht der wendigste und trotz guter Grundgeschwindigkeit auch nicht der schnellste Innenverteidiger ist. Er löst viel mit Auge und mit Antizipation. Kam ein langer Ball des Gegners, ließ er sich meist etwas fallen. Bewegte sich ein Gegenspieler ins Mittelfeld, übergab er ihn oder wägte ab, ob es wirklich notwendig ist, die eigene Position zu verlassen.

    In München muss er weniger abwägen. Seine Rolle ist relativ klar und eindeutig: Aggressives Verteidigen und der Gegenspieler wird notfalls bis tief ins Mittelfeld verfolgt, wenn eine Übergabe nicht möglich ist. Mit dem mannorientierten Pressing tut sich Tah aber noch schwer.

  • Jonathan Tah auch in der Nationalmannschaft mit Problemen

    Mit einer geringen Stichprobe von nur vier Pflichtspielen lässt sich kaum festmachen, woran es genau liegt. An einem vermeintlichen Tempodefizit sollte man sich in der Debatte jedoch noch nicht zu sehr aufhalten. Seine schlechtesten Momente hatte er bisher aufgrund von Positionierungsfehlern – also eigentlich in genau dem Bereich, in dem er in Leverkusen besonders stark war.

    Gegen Wiesbaden orientierte er sich sowohl bei der Flanke, als er das Abseits aufhob, als auch beim langen Ball zu spät, um die Situationen noch reparieren zu können. Auch in Augsburg war das Problem eher, dass er den Kontakt zu seinem Gegenspieler etwas verlor.

    Untypisch für den Tah, der sich in den letzten Jahren zu Recht in die Nationalmannschaft spielte, weil er konstant auf hohem Niveau verteidigte. Weil er anders als Antonio Rüdiger beispielsweise weniger spektakulär, dafür aber beständiger und kompromissloser verteidigte. Weil er mit seiner souveränen Art und Weise Ruhe in die Defensive brachte.

    Im Moment wackelt diese Bewertung wieder etwas. Beim Debakel des DFB-Teams in Bratislava gegen die Slowakei (0:2) gelang es Tah nicht, für Stabilität zu sorgen. Im Gegenteil: Er wirkte er ebenso verunsichert wie seine Mitspieler, machte teils Fehler, die man von ihm lange nicht gesehen hat. Dafür wurde er von Bundestrainer Julian Nagelsmann gegen Nordirland auf die Bank gesetzt.

  • Wie geht es jetzt weiter? Richtungsweisendes Jahr für Jonathan Tah

    Dramatisch ist die Situation für ihn noch lange nicht. Dafür hat er sein Standing in Deutschland in den vergangenen Jahren zu sehr verbessern können. Dass auch erfahrene Spieler bei einer derartigen Umstellung im taktischen Bereich und einem Wechsel zu einem großen Klub Anpassungsprobleme haben können, ist nicht verwunderlich.

    Andererseits ist Tah ein ähnlicher Spielertyp wie andere Innenverteidiger, die sich zuletzt nicht so richtig beim FC Bayern durchsetzen konnten. Neben Eric Dier, dem Vincent Kompany lange nicht vertraute, ist hier vor allem Matthijs de Ligt zu nennen, dessen Abgang auf zwei Aspekte zurückzuführen ist: Kompany befand ihn als zu langsam und träge für seine hohe Abwehrkette und den Verantwortlichen dürfte er zu aufmüpfig gewesen sein.

    De Ligt sprach gern mal in Interviews über seine Situation und über Unzufriedenheiten. Intern galt er ebenfalls als jemand, der seine Meinung klar äußert. Tah fiel in seiner Karriere nur selten damit auf, öffentlich Ärger zu machen. Aber auch er ist selbstbewusst genug, um sich in Position zu bringen, wenn er das Gefühl hat, das tun zu müssen.

    Wichtiger aber ist, dass er als Innenverteidiger durchaus Ähnlichkeiten zu de Ligt aufweist. Ob ihm seine leicht höhere Endgeschwindigkeit dabei hilft, ein ähnliches Schicksal zu vermeiden, bleibt abzuwarten. In manchem Laufduell sah er bisher etwas alt aus.

    Und doch besteht intern weiterhin die Hoffnung, dass sich die Probleme schnell lösen werden. Tah ist anpassungs- und lernfähig, hat in seiner Karriere schon oft bewiesen, dass er nach Abgesängen auf sich zurückkehren kann. Mit Blick auf die WM 2026 und seinen langjährigen Ruf als unbeständiges, ewiges Talent wird diese Saison aber sicherlich eine für ihn entscheidende sein.