Hall of fame Roberto Carlos

Der Spieler, dessen Tore Physiker erklären mussten: Roberto Carlos war der perfekte Außenverteidiger

Wer mit Roberto Carlos aufgewachsen ist, wer in diesem Fall die Gnade der frühen Geburt hatte, nur DIESEN EINEN FREISTOSS beim Tournoi de France 1997 im Dress der brasilianischen Nationalmannschaft gegen Frankreich zumindest am TV live zu erleben, der wird diesen Spieler und seine Fähigkeiten nie vergessen. 

Wer hingegen zu jung ist, um Roberto Carlos auf dem Platz spielen gesehen zu haben, der sollte sich immer und wieder diesen Freistoß ansehen, den später nur Physiker erklären konnten:

  • Roberto Carlos, damals 24 Jahre alt und praktisch nur aus Muskeln bestehend, wie er sich rund 35 Meter vor dem Tor den Ball zurechtlegt.
  • Robert Carlos, wie er noch mal 25 Meter zurückgeht und Anlauf nimmt.
  • Roberto Carlos, wie er mit seinen Nähmaschinenschritten anläuft und den Ball mit der Innenseite seines linken Fußes aufs Tor schießt.
  • Der Ball, wie er sich meterweit vom Tor entfernt, nur um dann plötzlich in irrer Geschwindigkeit doch wieder aufs Tor zu fliegen. 
  • Der französische Torwart Fabien Barthez, wie sich erst in die falsche Richtung orientiert und schließlich auch nur staunend zusehen kann, wie der Ball sich ins Tor dreht. 

Nie zuvor hatte ein Spieler so ein Tor geschossen, nie danach erzielte je ein Spieler wieder so ein Tor. Das Tor schien die Kräfte der Physik auszusetzen, doch tatsächlich konnte es nur dank einer physikalischen Gesetzmäßigkeit so fallen. Der so genannte "Magnus-Effekt" beschreibt die Kraft, die ein rotierender, runder Körper (in unserem Fall: der Ball) in einer Strömung erfährt. In unserem Fall: Roberto Carlos hatte so fest auf die Kugel gedroschen (der Ball erreichte 136 km/h) und ihm einen solch großen Seitwärtsdrall verschafft, dass die Luft auf einer Seite des Balls schneller vorbeiströmte als auf der anderen Seite. Die so genannte Magnus-Kraft drängte den Ball immer weiter weg vom Tor, die Stärke des Schusses und der anfängliche Drall ließen den Ball dann doch wieder aufs Tor fliegen. 

Und plötzlich wollten für eine gewisse Zeit alle Kinder wie Roberto Carlos schießen wollen. Plötzlich war die Position des Außenverteidigers populär. 

Aber einen wie Roberto Carlos gab es nie wieder. Nicht nur wegen dieses Treffers. 

  • Es gibt keinen anderen Roberto Carlos und es wird auch nie einen anderen geben

    Jeder große Champion oder jede Legende der Vergangenheit hatte in den folgenden Jahren seinen oder ihren phantomhaften Erben. Wir haben eine Flut von „dem neuen Dies” oder „dem neuen Das” erlebt. Manchmal waren diese Vergleiche recht angemessen, manchmal weniger. Aber wir haben noch nie von einem „neuen Roberto Carlos” gehört. Es gab weder vorher noch nachher nie einen Spieler, der auch an Roberto Carlos herankam. Nicht Paolo Maldini, trotz seiner Eleganz,  Philipp Lahm, trotz seiner unvergleichlichen Spiel-Intelligenz.

    Roberto Carlos war in seiner Einzigartigkeit wirklich unübertroffen. Er ist nicht reproduzierbar. Allein dieser Körper: 168 Zentimeter und 70 Kilogramm, gepaart mit einer fast übernatürlichen Explosivität. Gesegent mit einer sensationellen Muskulatur (man bedenke, dass seine Quadrizeps 66 und 68 Zentimeter maßen), die einen Körper stützt, der schon in jungen Jahren in der Lage war, 100 Meter in weniger als 11 Sekunden zu laufen.

    Ein Geschenk von Mutter Natur, nicht nur eine Frage des Trainings, das damals noch nicht so zielgerichtet und spezifisch war wie heute, lange vor einer Zeit, als Fußballer hochgezüchtete Maschinen sind, gemacht, um 70 Spiele pro Saison zu absolvieren. 

  • Werbung
  • Roberto Carlos Real Madrid Getty Images

    Roberto Carlos war nichts weniger als der perfekte Außenverteidiger. 

    Und wir sprechen hier nicht nur von dem Roberto Carlos mit den atemberaubenden Freistößen, den Tempodribblings und kraftvollen Pässen.

    Wir sprechen auch von der weniger auffälligen Version von Roberto Carlos, der nicht unbedingt auf YouTube zu sehen ist. Wir sprechen von Roberto Carlos mit seiner außergewöhnlichen taktischen Intelligenz und seiner Hingabe zum Verteidigen. Von seiner Einsatzbereitschaft und seiner Einstellung.

    Bei den Galacticos von Real Madrid war er vielleicht der einzige wirklich Unersetzbare. Er versetzte die gegnerischen Torhüter mit seinen Vorstößen, seinen Schüssen und seinen Freistößen in Angst und Schrecken. Er sprintete an die Grundlinie, um zu flanken, und kehrte dann zurück, um Konter zu verhindern. Er motivierte seine Mitspieler, zeigte Präsenz, Führungsqualitäten und Charisma.

  • Roberto Carlos sammelte Titel wie am Fließband

    Roberto Carlos ist nicht nur eine Ikone, er ist DIE Ikone. 

    Er hatte eine sensationelle Karriere. In Zahlen ausgedrückt, in Titeln: 4 spanische Meisterschaften, 3 Champions-League-Siege, zwei Interkontinental-Pokale, eine Weltmeisterschaft und zwei Triumphe bei der Copa America. 69 Tore im Trikot von Real Madrid, nur Hierro und Ramos waren noch erfolgreicher. 

    Zwei Jahre in Folge bester Verteidiger der Champions League und 2002 sogar Zweiter beim Ballon d'Or hinter seinem Teamkollegen und engen Freund Ronaldo. Vier Jahre später wurde er auch der nicht in Spanien geborene Spieler mit den meisten Einsätzen im Trikot von Real und überholte damit einen gewissen Alfredo Di Stefano. Ein geborener Gewinner und vielleicht einer der beständigsten und kontinuierlichsten Brasilianer der Geschchte, mit mindestens zehn Spielzeiten auf höchstem Niveau.

    Kurz gesagt: Roberto Carlos war Vorbild für alle, die mit dem Fußballspielen beginnen wollen und daher gehört er natürlich in unsere Hall of Fame des Fußballs. 

  • ENJOYED THIS STORY?

    Add GOAL.com as a preferred source on Google to see more of our reporting

0