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Der "schlechteste Fußballer der gesamten Liga" und ein Vorzeige-Provokateur sind mittendrin: Das ist der irrsinnigste Titelkampf Europas

Zur Einstimmung ein Blick auf den vergangenen Sonntag. Die Ausgangslage: Ajax Amsterdam führt die Tabelle der niederländischen Eredivisie drei Spieltage vor Saisonende mit vier Punkten Vorsprung auf die PSV Eindhoven an.

  • PSV kann um 14.30 Uhr im Topspiel gegen den Tabellendritten Feyenoord Rotterdam vorlegen - und gerät bereits nach zehn Minuten mit 0:2 in Rückstand. Beim Public Viewing vor der Johan-Cruyff-Arena in Amsterdam herrscht Partystimmung. Pyro brennt, die Fans singen: "Champions olé, olé!" Sollte PSV tatsächlich verlieren und Ajax um 16.45 Uhr gegen das Mittelklasse-Team von NEC Nijmegen gewinnen, wäre der Meistertitel perfekt.

    Als die Ajax-Spieler bereits im Stadion weilen, nimmt das Drama seinen Lauf. Mit einem beeindruckenden Kraftakt dreht PSV in der zweiten Halbzeit das Spiel gegen Feyenoord. Noa Lang trifft erst zum Ausgleich und (nach einem wegen Abseits aberkannten vermeintlichen Siegtor in der zweiten Minute der Nachspielzeit) schließlich in der 90.+9 zum regulären 3:2.

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    PSV-Held Noa Lang: "Es liegt in meiner Natur, zu provozieren"

    Ausgerechnet Noa Lang! Lang kam in Rotterdam zur Welt, spielte als Kind für Feyenoord, sympathisierte aber seit jeher mit Ajax. Im Alter von 14 Jahren wechselte er tatsächlich zu seinem Herzensklub, bekam bei der Profimannschaft aber später nie eine echte Chance. An diesem Sonntag wischt er seinen beiden Ex-Klubs gleichzeitig einen aus.

    Wie immer im De Kuip wird Lang ausgepfiffen und beleidigt. Nach seinem Ausgleichstor, bei dem der deutsche Keeper Timon Wellenreuther - einst beim FC Schalke 04 - keinen guten Eindruck macht, springt Lang auf die Werbebande, präsentiert sich den wütenden Feyenoord-Fans mit ausgebreiteten Armen und empfängt einen Bierbecher-Hagel.

    "Wer die merkwürdigsten Dinge über meine Mutter und meine Familie sagt, kann auch ein bisschen Provokation von mir vertragen", verkündete der 25-Jährige anschließend zufrieden. "Es liegt in meiner Natur, zu provozieren." Einen Platzverweis für Feyenoords Givairo Read und eine Rudelbildung hat die Schlussphase übrigens auch noch zu bieten.

    Wenige Minuten später beginnt das Spiel in Amsterdam. Ajax' Vorsprung ist auf einen Punkt dahingeschmolzen. Ajax müht sich in der ersten Halbzeit und wird zur Pause beim Stand von 0:0 ausgepfiffen. "Als es lange Zeit 0:0 stand, wurden wir nervös", sagte Kapitän Jordan Henderson anschließend. In Minute 59 geht Nijmegen in Führung und schießt Ajax anschließend mit 3:0 ab. Plötzlich jubeln die Fans ihrer Mannschaft wieder aufmunternd zu. Stürmer Wout Weghorst muss mit den Tränen kämpfen. Der Titelkampf ist offener denn je.

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    Daniele Rugani, der "schlechteste Fußballer der gesamten Eredivisie"

    In die Kritik geriet anschließend vor allem der italienische Verteidiger Daniele Rugani. Nach einer weiteren schwachen Vorstellung musste die Leihgabe von Juventus Turin bereits in der 59. Minute runter. Kurioserweise fiel das erste Gegentor ausgerechnet in der ersten Aktion nach seiner Auswechslung.

    Laut De Telegraaf hätten einige Ajax-Spieler Trainer Francesco Farioli vorab dazu gedrängt, seinen Landsmann nicht aufzustellen - doch er ignorierte die Bitten. TV-Experte und Ex-Nationalspieler Wim Kieft nannte Rugani anschließend den "schlechtesten Fußballer der gesamten Eredivisie" und sagte: "Der kann überhaupt nichts." Kiefts Kollegen Marco van Basten und Rafael van der Vaart äußerten sich ähnlich.

    Der erst 36-jährige "Nagelsmann Italiens" Farioli sorgte mit seinen Personalentscheidungen schon seit seiner Ankunft vergangenen Sommer für Diskussionen. Vor der Saison machte er den mittlerweile 41-jährigen Remko Pasveer zum Stammkeeper und sortierte gleich sieben Spieler aus, darunter prominente Verpflichtungen der Vorsaison wie Borna Sosa und mit dem 19-jährigen Silvano Vos ein vielversprechendes Eigengewächs.

    Teure Neuzugänge kamen unterdessen kaum, weshalb Ajax ein Transferplus von 57 Millionen Euro verzeichnete. Nach der historisch desolaten Saison 2023/24 mit Blamagen, Skandalen und Fan-Krawallen befürchtete man schon das nächste Horrorjahr.

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  • FBL-EUR-C1-PSV-ARSENALAFP

    Ajax machte aus sechs Punkten Rückstand acht Punkte Vorsprung

    Tatsächlich startete der Rekordmeister aber gut in die Saison. In der Europa-League-Qualifikation gelang ein epischer 13:12-Sieg im Elfmeterschießen gegen Panathinaikos Athen, in der Eredivisie gewann Ajax immerhin acht der ersten zehn Spielen. Das Problem: Titelverteidiger PSV holte zehn Siege mit einem sagenhaften Torverhältnis von 35:6. Unter Trainer Peter Bosz spielte PSV spektakulären Ajax-Fußball. Im Gegensatz zu Ajax. Fariolis Spielweise wurde schon als "Neo-Catenaccio" verunglimpft.

    Zum Jahreswechsel lag PSV an der Tabellenspitze sechs Punkte vor Ajax, dann brach Boszs Mannschaft ein. Wie einst bei Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen entwickelte sich die Defensive zur Achillesferse seines spektakulären Systems. Während PSV im Januar und Februar nur ein Ligasieg gelang, gewann Ajax plötzlich zehn Spiele hintereinander. Aus sechs Punkten Rückstand wurden acht Punkte Vorsprung.

    Ajax-Trainer Farioli setzte alles auf die Meisterschaft - und schenkte dafür die Europa League ab. Nach einer 1:2-Pleite im Achtelfinal-Hinspiel gegen Eintracht Frankfurt änderte er seine Startelf beim Rückspiel auf zehn Positionen und bot eine B-Elf auf. Im Sturm spielte der 18-jährige Don-Angelo Konadu, der in der Eredivisie bis dahin exakt eine Minute aufgelaufen war. Die Quittung: 1:4, ausgeschieden.

  • Ivan Perisic

    Ajax' Einbruch, Eindhovens Wiederauferstehung

    Eindhoven erlebte unterdessen eine magische Champions-League-Nacht: Nach einer Hinspielniederlage schaltete PSV in der heimischen Arena Juventus Turin nach Verlängerung aus. Eine überragende Leistung zeigte dabei der 36-jährige Veteran Ivan Perisic, einst beim FC Bayern und Borussia Dortmund. Insgesamt verzeichnet Perisic bereits 26 Scorerpunkte.

    In der Champions League scheiterte die PSV anschließend zwar deutlich am FC Arsenal, in der Eredivisie erlebte sie aber eine unverhoffte Wiederauferstehung und verkürzte den Rückstand auf Ajax in den vergangenen drei Spielen von acht Punkte auf einen. Am Mittwoch steigt der vorletzte Spieltag, das große Finale dann am Sonntag um 14.30 Uhr.

    Ajax hat mit dem FC Groningen und Twente Enschede nominell das etwas schwerere Restprogramm, PSV trifft noch auf Heracles Almelo und Sparta Rotterdam. Twente ist schon sicher für die Europapokal-Playoffs qualifiziert, die anderen drei Mannschaften haben kurioserweise allesamt 38 Punkte und kämpfen noch um die internationalen Startplätze. Ajax oder PSV, wer jubelt am Ende? Die Buchmacher sehen beide praktisch gleichauf.

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