Seit Anfang April absolvierte der FC Bayern 14 Pflichtspiele zwischen Augsburg, Mailand und Atlanta. Nur ein einziger Spieler stand in jeder dieser 14 Partien in der Startelf: Josip Stanisic. Das ist an sich schon mal beachtlich, zählt das 25-jährige Eigengewächs doch ganz grundsätzlich nicht zu den berühmten Stars der Mannschaft.
Getty Images SportDer perfekte Rollenspieler! Er hätte dem FC Bayern München einen Transferflop ersparen können
Noch beachtlicher macht diese Statistik der Fakt, dass Stanisic bei diesen Einsätzen zwar zwei verschiedene Positionen bekleidete - darunter aber nicht seine vermeintliche Paradeposition. Der Rechtsverteidiger (darf man ihn so überhaupt noch nennen?) spielte mal links hinten und mal zentral. Je nachdem, wo er gerade am meisten gebraucht wurde. Qualitätsunterschiede waren - beachtlich Teil drei - kaum zu erkennen.
"Was Flanken angeht, ist es mit dem rechten Fuß einfacher als mit dem linken", sagte Stanisic bei der Klub-WM. Spricht für rechts. "Ich spiele aber auch gerne als Linksverteidiger, weil ich dort etwas aktiver sein kann." In die Mitte ziehen und abschließen. Links hinten also auch super. "Als Innenverteidiger hat man defensiv mehr Verantwortung." Klingt wichtig, top. Wo es ihm am liebsten ist? Zusammenfassung: ziemlich egal.
Die Klub-WM verlief für den FC Bayern insgesamt eher ernüchternd. Viertelfinal-Aus gegen Paris Saint-Germain, schwere Verletzung von Jamal Musiala. Abgesehen vom wiedererstarkten Manuel Neuer und dem auffälligen Rechtsverteidiger Konrad Laimer war Stanisic eine der wenigen positiven Münchner Erscheinungen des Turniers. Gewissermaßen schloss Stanisic in den USA seine insgesamt doch recht unverhoffte Entwicklung zum perfekten Rollenspieler des FC Bayern ab.
Getty ImagesJosip Stanisic galt beim FC Bayern nie als Toptalent
Im Nachwuchsbereich galt der gebürtige Münchner nie als absolutes Toptalent. 2020 gewann er im Alter von 20 Jahren mit der Reserve zwar die historische Drittliga-Meisterschaft, hatte dabei aber keinen Stammplatz. Von allen Spielern dieser Mannschaft habe ihn Stanisics Entwicklung "am meisten überrascht", sagte der damalige Torschützenkönig Kwasi Wriedt neulich bei SPOX.
Jamal Musiala stürmte rasant zu den Profis und von dort in die Weltspitze. Angelo Stiller, Malik Tillman oder Joshua Zirkzee standen damals alle mehr im Fokus, bekamen in München aber keine echte Chance und setzten sich später andernorts durch. Stanisic jedoch blieb und entwickelte sich beim FC Bayern unaufgeregt und geduldig immer weiter.
Bereits in den Spielzeiten 2021/22 und 2022/23 kam er halbwegs regelmäßig für die Profis zum Einsatz. Als im Frühling 2023 mal wieder eine Verletzungs-Epidemie ausgebrochen war, stand Stanisic plötzlich im Champions-League-Achtelfinale gegen Paris Saint-Germain in der Startelf und schaltete Kylian Mbappe in beeindruckender Manier aus.
Eigentlich ein perfektes Bewerbungsschreiben für weitere Chancen. Gerade weil es den FC Bayern schon damals massiv nach Eigengewächsen in der Profimannschaft dürstete. Nach neuen Identifikationsfiguren, nach neuen Thomas Müllers. Auch die Bosse wiederholten diesen Wunsch mantraartig und tun das bis heute. Statt aber Stanisic zu vertrauen, verlieh ihn der FC Bayern im darauffolgenden Sommer lieber an Bayer Leverkusen. Die Münchner dürften diesen Schritt noch bereut haben, Stanisic selbst wohl eher nicht.
So hätte sich der FC Bayern die Boey-Verpflichtung sparen können
Im Januar 2024 herrschte beim FC Bayern plötzlich Personalnot in der Abwehr, woraufhin Eric Dier per Leihe kam und Sacha Boey für 30 Millionen Euro fest von Galatasaray Istanbul. Hätte man direkt auf Stanisic gesetzt, hätte man sich wohl mindestens Boeys kostspielige Verpflichtung erspart. Boey floppte und gilt längst als Verkaufskandidat. Stanisic gewann derweil mit Leverkusen das Double und kehrte anschließend mit neuem Stellenwert zurück.
Nach dem ersten Pflichtspieleinsatz erlitt er im Training aber einen Außenbandriss im rechten Knie und verpasste die ganze Hinrunde. Anschließend offenbarte er zunächst Anpassungsschwierigkeiten, bei seinen ersten Spielen nach dem Comeback wackelte er wiederholt. Bald aber stabilisierte er sich auf grundsolidem Niveau ohne krasse Ausreißer nach oben oder unten. Keine eklatanten Patzer, keine Gala-Auftritte.
So erkämpfte sich Stanisic seinen flexiblen Stammplatz, profitierte dabei aber selbstredend von den Verletzungsproblemen seiner Kollegen. Sowohl Linksverteidiger Alphonso Davies als auch die Innenverteidiger Dayot Upamecano und Min-Jae Kim sowie Allrounder Hiroki Ito fielen lange aus. Nur rechts hinten wurde Stanisic zuletzt kaum gebraucht, weil sich dort der ähnlich unaufgeregte Laimer mit konstant guten Leistungen festspielte. Auf seiner Paradeposition sammelte Stanisic unterdessen immerhin bei der kroatischen Nationalmannschaft Spielpraxis.
Was aber, wenn alle fit sind? Davies dürfte links gesetzt sein, Upamecano und Neuzugang Jonathan Tah gelten als erste Wahl in der Innenverteidigung. Womöglich kommt es dann doch zum Duell mit Laimer rechts hinten. Aber Fußball ist bekanntlich ein Verletzungssport. Irgendeiner fällt ja irgendwie immer aus, gerade beim chronisch verletzungsanfälligen FC Bayern. Spätestens dann braucht es verlässliche Rollenspieler wie Stanisic.

