Max Eberl Bayern 2025Imago

Der Fall Nick Woltemade zeigt es wieder deutlich: Der FC Bayern sollte sich in Transferfragen ausgerechnet am FC Liverpool ein Beispiel nehmen

Der FC Bayern möchte einen 23 Jahre alten Stürmer vom VfB Stuttgart verpflichten, der als Zukunftshoffnung der deutschen Nationalmannschaft gilt. Uli Hoeneß nennt den potenziellen Neuzugang einen "sehr interessanten Spieler“ und kann sich dabei ein Grinsen nicht verkneifen. Auf die Frage, ob der FC Bayern das nötige Kleingeld für den Transfer besitze, antwortet Hoeneß lässig mit "Ja", wenig später zwinkert er vergnügt in die Kamera. Es ist der 24. Mai 2009. Zwei Tage nach Hoeneß‘ Doppelpass-Auftritt gibt der FC Bayern München offiziell die Verpflichtung von Mario Gomez für rund 30 Millionen Euro bekannt.

16 Jahre später wollen die Bayern wieder einen 23 Jahre alten Angreifer vom VfB Stuttgart verpflichten, und wieder machen sie aus ihrem Interesse keinen Hehl. Doch die Zeiten haben sich geändert. Gingen die Münchner damals erst in die Offensive, als im Hintergrund alles längst geklärt war, ist diesmal keineswegs klar, ob Nick Woltemade wirklich nach München wechseln wird. Für viel Trubel sorgt der mögliche Transfer aber schon jetzt. Der FC Bayern hat sich im Umgang mit der Öffentlichkeit zuletzt wiederholt selbst in die Bredouille gebracht. Und das ist keineswegs nur die Schuld der viel gescholtenen Medien und Experten.

  • Unabhängig davon, ob der Transfer von Woltemade zum FC Bayern letztlich vollzogen wird oder nicht, ob der Stürmer sich in München als Volltreffer erweisen oder eher in die Fußstapfen von Jan Schlaudraff und Nils Petersen treten würde - eines lässt sich bereits festhalten: Geräuschlos geht auch dieser Wechsel oder (Nicht-Wechsel) nicht über die Bühne.

    Nach der Niederlage bei der Klub-WM gegen Benfica hatte Sportdirektor Christoph Freund den Stuttgarter erstaunlich offensiv als "sehr, sehr interessanten Spieler" bezeichnet. Seitdem verging kein Tag ohne Woltemade-Neuigkeiten, neben der Meldung der angeblichen Einigung mit dem Spieler und Experten-Aussagen der üblichen Verdächtigen Lothar Matthäus und Dietmar Hamann meldeten sich auch Sportvorstand Max Eberl ("Man kann ja gar nicht mehr im Verdeckten arbeiten") und natürlich Hoeneß selbst zu Wort, der mit Lieblingsfeind Matthäus obendrein noch einen Kleinkrieg vom Zaun brach. Über die Ablösesumme wird bereits munter diskutiert, von 30 über 80 bis zu 100 Millionen Euro ist alles dabei.

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  • Florian Wirtz Liverpool 2025-26Getty Images

    Liverpool zeigt, wie es geht

    Dass ein Millionen-Transfer entgegen Eberls Aussagen auch anders laufen kann, hat zuletzt – sehr zum Leidwesen der Münchner – der FC Liverpool demonstriert. Während Vater und Berater Hans Wirtz angeblich bereits Stammgast am Tegernsee war und Manchester City als der einzige noch verbliebene Konkurrent galt, feilte der Premier-League-Champion heimlich an dem Millionen-Deal.

    Selbst als der Wechsel an die Anfield Road dann doch nach außen drang – und die Münchner die Wirtz-Absage zähneknirschend bestätigten – kam von der Insel weiterhin wochenlang nichts, bis das Top-Talent schließlich in einem kurzen Vorstellungsvideo präsentiert wurde. Ähnlich diskret verfuhren die Reds auch bei Jeremie Frimpong, der geräuschlos die Nachfolge von Trent Alexander-Arnold antrat (über dessen wohl schon lange feststehenden Wechsel nach Madrid übrigens auch die Real-Verantwortlichen bis zur Bekanntgabe nie öffentlich sprachen).

    Bei den Roten aus München dagegen ticken die Uhren noch immer anders. Schon bei der Trainersuche im vergangenen Sommer wurden von unterschiedlichen Akteuren (Hainer, Hoeneß, Freund, Eberl) fleißig Wasserstandsmeldungen abgegeben, was damals sogar von Karl-Heinz Rummenigge (selbstverständlich öffentlich!) kritisiert wurde. Auch bei Leroy Sane wiederholte sich dasselbe Spiel. Dabei ist es keineswegs immer nur der Social-Media-Skeptiker vom Tegernsee, der gerne mal vorprescht. Auch Sportvorstand Max Eberl hat in dieser Hinsicht wiederholt keine sonderlich gute Figur abgegeben.

  • Eberl prescht oft vor - und muss dann zurückrudern

    Da wäre etwa das Thema Leroy Sane, dessen Verbleib laut Eberl schon so gut wie fix war, dessen Beraterwechsel dann aber am selben Tag öffentlich wurde und der künftig bekanntlich in Istanbul spielt. Oder die Causa Thomas Müller, als sich Eberl im Doppelpass – deutlich weniger breitbeinig als Hoeneß 2009 – kleinlaut für sein Vorpreschen entschuldigen musste. Und auch im Fall Woltemade hat sich Eberl wieder erstaunlich deutlich geäußert. Anstatt höflich abzublocken oder eine der bewährten Floskeln von sich zu geben, diskutierte er mit Reportern die Frage, ob denn der junge Stuttgarter 80 Millionen Euro wert sei oder nicht.

    Man mag den Verantwortlichen des Rekordmeisters zugute halten, dass sie keine 0815-Antworten geben, sondern ehrlich Stellung nehmen wollen. Und es lässt sich nicht leugnen, dass der Transfer-Journalismus – wie sowohl Hoeneß als auch Eberl kritisieren – deutlich schnelllebiger geworden ist. Manchmal aber stellt sich schon die Frage, ob es aus Sicht der Bosse nicht klüger wäre, auch einfach mal wenig bis nichts zu sagen. Wie das geht, macht Trainer Vincent Kompany vor, der sich dafür ausgerechnet vom Ehrenpräsidenten ein Lob verdiente. "Was ihn besonders auszeichnet, ist seine Ruhe, seine Intelligenz, wie er mit den Medien umgeht: Er lässt sich nicht provozieren", schwärmte Hoeneß über den jungen Coach.

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    Bayern gelang früher auch der eine oder andere Überraschungs-Coup

    Auch wenn der FCB schon immer besonders im Visier der Medien war: In der Vergangenheit waren die Münchner durchaus in der Lage, auch mal Deals im Hintergrund klarzumachen. So blieben etwa die Verpflichtungen der Star-Trainer Jürgen Klinsmann 2008 oder Pep Guardiola 2013 bis zum Tag der Bekanntgabe der Öffentlichkeit verborgen, ähnlich lief es auch bei der Verpflichtung des damals als kommender Superstar geltenden Renato Sanches 2016 oder der Rückkehr von Mats Hummels 2019.

    Für jeden Klub ist das normalerweise die Herangehensweise, die man sich wünscht. Nicht lange reden, sondern nur bekanntgeben (am besten mit Wow-Effekt), das ist die Idealvorstellung - auch der Bayern. Wie es der damalige TV-Experte Udo Lattek bei Hoeneß‘ Doppelpass-Auftritt kurz vor dem Gomez-Transfer 2009 erklärte: "Wenn der Uli schon so was vorträgt, dann muss das schon in relativ trockenen Tüchern sein."

    Denn klar ist: Wenn ein Transfer nach offensiven öffentlichen Äußerungen dann doch nicht zustande kommt, steht man am Ende blöd da. Und die Verhandlungsposition stärkt es auch nicht gerade, wenn der abgebende Verein aus der Presse schon weiß, dass die Gegenseite den Spieler unbedingt haben möchte, bevor die beiden Klubs überhaupt miteinander geredet haben. Günstiger wird ein Transfer dadurch mit Sicherheit nicht.

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    Woltemade wäre ein klassischer Bayern-Transfer

    Früher war allerdings auch die Fallhöhe weniger groß: In den 2000ern und 2010er Jahren hatten die Münchner das Quasi-Monopol auf vielversprechende Bundesligaspieler, gerade mit deutschem Pass. Ob Ballack, Frings, Klose, Gomez oder Götze: Wenn der Rekordmeister rief, kamen sie alle. Auch wenn keine Ausstiegsklausel vorhanden war, richtig quer stellten sich die abgebenden Vereine selten. Der Woltemade-Transfer wäre in dieser Hinsicht ein nahezu klassischer Bayern-Transfer. Und auch die Herangehensweise, den Spieler mit einem hohen Gehalt zu locken, wirkt nicht neu.

    Sollten die Stuttgarter allerdings wirklich stur bleiben und auf den übertriebenen Forderungen für den vor einem Jahr noch ablösefrei aus Bremen verpflichteten Woltemade verharren, sähe der FC Bayern und besonders Eberl nach dem Medientheater der letzten Tage nicht gut aus. Denn nachdem schon im vergangenen Sommer die geplanten Verkäufe und Zugänge nicht so klappten wie geplant und auch in diesem Jahr die Aktivitäten in beide Richtungen (Williams, Palhinha…) eher zäh verlaufen, würde dem Sportvorstand die Verpflichtung der neuen deutschen Sturmhoffnung sicherlich guttun.

    Sollte nicht einmal dieser 'klassische Bayern-Transfer' klappen, wäre das ein weiterer Rückschlag für Eberl – und das würde wohl auch bei seinem kritischen Vor-vor-vor-vor-Vorgänger für weiteren Unmut sorgen.