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"Der einzige Spieler, bei dem ich jemals gedacht habe ...": Warum Javi Guerra an die größten Vereinsikonen Valencias erinnert

Josep Bosch trägt das Trikot, das er so oft voller Begeisterung aus dem Schrank holt. Ein rotes Sportshirt von Adidas, scheinbar schlicht, mit dem geliebten Logo auf der Brust.

Es ist das Emblem von UD Puçol. Nur die größten Fußballfans werden den Namen je gehört haben. Puçol ist ein Amateurverein aus der Region Valencia. Wie das Logo aussieht, können sich die meisten Fans jedoch gut vorstellen: eine Fledermaus, die auf dem Dach des Vereinswappens sitzt. Die Fledermaus ist das Wahrzeichen der Stadt Valencia. Warum das so ist, darüber gibt es verschiedene Theorien. Einige glauben an einen historisch bedeutsamen Ursprung. Im Jahr 1238 eroberte König Jakob I. von Aragón die Stadt nach einem brutalen Krieg gegen die sarazenischen Herrscher zurück.

  • Als sich eine Fledermaus auf seiner Siegesflagge niederließ, sah Jakob I. dies als gutes Omen. Seitdem ist die Fledermaus das Symbol Valencias. Andere haben eine etwas einfachere Erklärung: Fledermäuse kommen in dieser Region nämlich einfach häufig vor.

    Zurück ins Jahr 2023. Heute hat Bosch, Jugendtrainer von Puçol, einen wichtigen Termin. Das Medienteam des großen Bruders Valencia CF kommt zu Besuch. Er bekommt sein Mikrofon angeheftet und schon bald leuchten die Augen des 31-Jährigen.

    "Ich bin schon seit meinem sechzehnten Lebensjahr Trainer. Aber er ist der einzige Spieler, bei dem ich jemals gedacht habe: Wenn dieser Junge es nicht zum Profifußballer schafft, dann schafft es niemand", erzählt er stolz den Medienleuten.

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  • Javi GuerraGetty Images

    Javi Guerra: Mit dem Opa per Zug nach Villarreal

    Bosch spricht von Javi Guerra. In Puçol ist man stolz auf den Fußballer, der als Kind auch lange Tennis gespielt hat. Er kam 2003 in dem winzigen Dorf Gilet mit nur 3800 Einwohnern zur Welt. Als fünfjähriger Junge begann er bei Puçol mit dem Fußballspielen, auch wenn es dafür keine offiziellen Belege gibt.

    "Ich war nicht angemeldet”, erinnert sich der Mittelfeldspieler im Gespräch mit Club del Deportista. "Weil ich jünger war und mit älteren Spielern spielte." Lange trägt er daher auch nicht das rot-weiße Trikot von Puçol.

    "Ich hatte einen Klassenkameraden, dessen Vater Trainer bei Villarreal war. Eines Tages sah er mich spielen und muss etwas in mir gesehen haben, denn er beschloss, mich mit nach Villarreal zu nehmen, um dort Tests zu absolvieren. Ich bestand und begann dort zu spielen."

    Für den jungen Guerra und seine Familie ist es nicht einfach. Zum Glück springt sein Großvater ein und fährt jeden Tag die fünfzig Kilometer lange Strecke zwischen Puçol und Villarreal und zurück. "Anfangs hatte er keinen Führerschein, also mussten wir mit dem Zug fahren", erzählt das Talent Jahre später Marca.

    "Ich zog mich um und tauschte in den Toiletten meine Schuluniform gegen meine Trainingskleidung. Das sind Erinnerungen, die ich heute sehr schätze. Mein Großvater war überhaupt kein Fußballfan, bis ich anfing zu spielen. Seitdem verfolgt er alles, nur um mich zu sehen. Der einzige Nachteil: Jetzt muss ich mir das alles zu Hause anhören."

  • Guerra trifft ... und das Mestalla explodiert

    Opa wird dann auch mächtig stolz zugeschaut haben, wie sein Enkel am 16. April 2023 seine ersten Minuten für die erste Mannschaft von Valencia spielte, die 2019 fast eine Million Euro bezahlt hatte, um Guerra von Villarreal wegzulocken.

    Elf Tage später sollte er seine Familie noch stolzer machen. Nägelkauend verfolgen sie das Spiel zwischen Valencia und Real Valladolid, das 1:1 zu enden scheint. Das nützt dem kriselnden Verein aber nichts. Als sie sehen, dass der vierte Offizielle die Auswechseltafel holt, springen sie auf. Die Nummer 36 leuchtet grün auf: erneut ein Einsatz für Guerra.

    Der Youngster tut dann wenige Minuten später das, was sie insgeheim schon gehofft hatten. Mit einem tollen Antritt entkommt er seinem direkten Gegenspieler und schießt den Ball mit dem schwächeren linken Fuß genau in die Ecke: 2:1! Das Mestalla-Stadion explodiert förmlich und mittendrin ist Javi Guerra.

  • Junger Kader lebt vom Verkauf seiner Supertalente

    Das Tor ist dringend nötig. Zu Beginn dieses Jahrhunderts war Valencia das Fußball-Aushängeschild Spaniens. Inzwischen kämpft die ehemalige Großmacht ums Überleben. In der vergangenen Saison gelang dies erst nach einer fantastischen Rückrunde: Zur Winterpause noch waren Los Ches als Tabellen-19. der sichere Abstiegskandidat.

    Interessant: Valencia hat den jüngsten Kader aller Vereine in den fünf besten Ligen Europas. Das Durchschnittsalter aller Spieler beträgt 23,99 Jahre, und die Mannschaft strotzt nur so vor Talent. Yarek Gasiorowski und Cristhian Mosquera haben den Klub bereits Richtung Eindhoven und Arsenal verlassen. Guerra ist der nächste, der dem finanziell angeschlagenen Valencia einen schönen Gewinn einbringen könnte.

  • David SilvaGetty Images

    "Riese" Guerra: Ein untypischer Valencianer

    Das Tor gegen Real Valladolid ist typisch für Guerra. Er liebt es, ins Eins-gegen-Eins zu gehen. Im Vergleich zu allen anderen Spielern auf seiner Position in den fünf besten Ligen gehört er zu den fünfzehn Prozent der Mittelfeldspieler, die die meisten erfolgreichen Dribblings verzeichnen.

    In Bezug auf progressive Carries, eine Statistik, die erfasst, wie oft Spieler den Ball mindestens zehn Meter nach vorne treiben, schneidet Guerra bemerkenswert gut ab. Auch defensiv ist der Box-to-Box-Mittelfeldspieler sehr aktiv. Guerra ist einer von nur sechs U23-Mittelfeldspielern in Europa, die mehr als 50 Tackles und 50 Take-ons verbuchen konnten.

    Früher war Valencia bekannt dafür, kleine, sehr agile Mittelfeldspieler hervorzubringen. David Silva, Juan Mata und Isco sind drei seiner illustren Vorgänger, die sich alle im letzten Jahrzehnt auf der höchsten Bühne bewährt haben.

    Guerra fällt nicht in diese Kategorie der feinfühlig und kreativ spielenden Mittelfeldspieler. Obwohl er als Spanier natürlich über eine hervorragende Technik verfügt, ist er mit seiner imposanten Größe von 1,87 m ein ganz anderes Kaliber.

    Guerra ist ein Athlet. Ein dynamischer Mittelfeldspieler, der nach vorne drängt und in den Strafraum will. Seine Laufstärke ist daher, wenig überraschend, auch eine seiner größten Qualitäten. Er ist körperlich stark, gut im Pressing und will vor allem so schnell wie möglich in den gegnerischen Strafraum kommen.

  • Bosch über Guerra: "Ein Freistoß war ein sicheres Tor"

    Außerhalb des Spielfelds ist Guerra ein betont ruhiger Typ. "Ich bin einfach ein normaler Junge, der gerne normale Dinge mit seinen Freunden und seiner Familie unternimmt“, beschreibt er sich selbst. "Die Leute sagen, ich sei sehr zurückhalten, aber wenn ich viel Selbstvertrauen habe, mache ich gerne Witze."

    Mit seiner Beidfüßigkeit hat er eine zusätzliche Waffe. Und dann vielleicht die größte Stärke des Laufwunders: sein Schuss. Bosch erkannte dies bereits in seiner Jugend bei Puçol. "Ein Freistoß war ein garantiertes Tor", erinnert er sich an den fünfjährigen Guerra. "Aber ein Elfmeter? Da war das Maximum ein Schuss an die Latte. Er schoss immer viel zu hart."

    Auch die aktuellen Daten belegen: Guerra liebt es zu schießen. Der Box-to-Box-Mittelfeldspieler schießt durchschnittlich 1,64 Mal pro 90 Minuten und gehört damit zu den aktivsten Spielern auf seiner Position. Obwohl Guerra in der ersten Hälfte der vergangenen Saison von der Krise Valencias betroffen war, wirkt die Verpflichtung von Carlos Corberán Wunder.

  • Carlo Ancelotti, Carlos CorberanGetty Images

    Das Wunder von Valencia

    Die Mannschaft befindet sich bis dahin in einer miserablen Form, steht auf Platz 19 der Tabelle und ist auf dem besten Weg zum ersten Abstieg seit 40 Jahren. Unter Corberán, der nach der Winterpause sein Debüt gibt, ändert sich alles. Real Madrid, der FC Barcelona und Atlético Madrid sind zwar noch zu stark, aber ansonsten verliert Valencia nur noch zweimal.

    Die schwächelnde Mannschaft findet zu ihrer Moral und Form zurück, gewinnt 9 von 21 Spielen – vor der Winterpause waren es nur 2 von 17 – und scheint sogar kurzzeitig um die europäischen Plätze mitzuspielen. "Corberán hat mir Freiheit und Selbstvertrauen gegeben. Er hat mir sehr gut getan”, lobt Guerra den 42-jährigen Trainer bei Cadena SER .

    Valencia distanziert sich schnell vom neunzehnten Platz und beendet die Saison schließlich sehr verdient auf Rang zwölf: Das Wunder ist geschehen. "Er hat eine unglaubliche Veränderung bewirkt”, lautet daher Guerras Fazit. "Seit er Trainer ist, erzielen wir Ergebnisse, mit denen wir um die Champions-League-Plätze kämpfen."

    Auch Guerra hat individuell eine großartige zweite Saisonhälfte hinter sich. Er spielt fast jedes Spiel über 90 Minuten und ist mit drei Toren und zwei Vorlagen wichtig für seine Mannschaft. Am Ende des Fußballjahres gibt es für ihn noch ein schönes Sahnehäubchen: die U21-Europameisterschaft mit der spanischen Nationalmannschaft.

    Auch dort hinterlässt der Mann, der dort sein 18., 19., 20. und 21. Länderspiel bestreitet, wieder einen hervorragenden Eindruck. Im Gruppenspiel gegen die Slowakei wird Guerra zum Mann des Spiels gekürt. Im Viertelfinale ist gegen den späteren Turniersieger England allerdings Endstation. Guerras einer Treffer ist beim 1:3 nur Makulatur.

  • Europa jagt Guerra, doch der will am liebsten bleiben

    Aber Guerra hat sich auf der Weltbühne präsentiert. Kein Wunder also, dass er mit verschiedenen ausländischen Topklubs in Verbindung gebracht wird. Gerade berichteten verschiedene Medien bereits über das konkrete Interesse der AC Mailand. Die Rossoneri sollen 20 Millionen Euro für den Mittelfeldspieler bereitstellen, aber Valencia hofft auf 30.

    Noch hartnäckiger sind die Gerüchte über einen Wechsel zu Manchester United, das weiterhin intensiv auf der Suche nach einem neuen Mittelfeldspieler ist. Aston-Villa-Manager Unai Emery würde seinen Landsmann außerdem gerne in die Premier League holen. Im vergangenen Sommer stand Guerra bereits kurz vor einem Wechsel zu Atlético Madrid.

    Es war eine hektische Zeit für den Youngster. "Es wurde beschlossen, dass ich bei Valencia bleiben würde, und ehrlich gesagt war ich darüber froh”, wird er im Juni von La Sexta zitiert. "Ob Atléti diesen Sommer wieder anruft? Sag niemals nie, aber ich möchte bei Valencia bleiben. Das ist meine Priorität. Wenn nichts Verrücktes passiert, bleibe ich hier."

    Es bleibt jedoch abzuwarten, ob nicht doch etwas Verrücktes passiert. Valencia kann die vielen Millionen gut gebrauchen, und in der Premier League geht man nicht so streng mit Geld um. Auch wenn Großvater Guerra hofft, dass sein geliebter Enkel einfach in der Nähe seines Zuhauses weiter Fußball spielt.