MeyerGetty Images

"Das wäre schlimm!" Für einen einstigen DFB-Hoffnungsträger ist ein persönlicher Albtraum wahr geworden

"Es wäre schlimm, wenn man mich in Deutschland nicht mehr auf dem Schirm hat", sagte Max Meyer im Februar 2020 in einem Interview mit Sport1. Damals hatte man ihn hierzulande ganz sicher noch auf dem Schirm. Zum einen, weil sein schlagzeilenträchtiger Abschied vom FC Schalke 04 noch nicht ganz so lange her war. Zum anderen, weil er seinerzeit in der wohl besten Liga der Welt spielte, seine Brötchen beim englischen Erstligisten Crystal Palace verdiente.

Mittlerweile, fünfeinhalb Jahre später, hat sich seine schlimmste Befürchtung scheinbar bewahrheitet. Meyer dürfte zumindest für das Gros der deutschen Fußballfans komplett vom Radar verschwunden sein. Doch was ist aus dem "Weltklassespieler" Max Meyer geworden? 

Die Kurzfassung: ein Wandervogel. Seit er sich 2018 von Jugendverein Schalke verabschiedete, stehen sechs verschiedene Vereine in Meyers Vita, die Qualität der Ligen wurde dabei kontinuierlich schlechter. Und inzwischen spielt das einst gefeierte Talent - quasi unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit - seit gut einem Jahr auf Zypern.

  • Rückblick: Max Meyer war zu Beginn der 2010er Jahre eine der größten Zukunftshoffnungen des deutschen Fußballs. Bei der U17-EM 2012 führte der wendige und technisch hochbegabte Mittelfeldspieler die DFB-Auswahl bis ins Finale, wurde Torschützenkönig und bester Spieler des Turniers. Das Endspiel gegen die Niederlande ging zwar denkbar unglücklich nach Elfmeterschießen verloren, der heutige Manchester-City-Verteidiger Nathan Ake - damals Kapitän der Oranje-Talente - setzte aber zu einem Sonderlob an: "Meyer ist ihr unumstritten bester Spieler", betonte Ake nach der Partie: "Er ist schnell und sehr gefährlich. Mein Trainer hat mir gesagt, ich muss immer bei ihm bleiben, egal wo er auch hingeht, dann haben wir eine bessere Chance."

    Mit den Leistungen bei der U17-EM erarbeitete sich der damals 16-Jährige im Verein bei Schalke "einen anderen Stellenwert", wie Meyer im Interview mit dem als "GamerBrother" bekannten YouTuber Simon Schildgen erklärte. Er durfte fortan im Profitraining reinschnuppern, wohlgemerkt bei einem S04, das seinerzeit noch zu den Top-Teams in Deutschland gehörte. Mit 17 folgte das Bundesliga-Debüt im Auswärtsspiel bei Mainz 05, inklusive Assist nur wenige Minuten nach seiner Einwechslung. In der Saison 2013/14 avancierte Meyer kurz nach seinem 18. Geburtstag dann schon zum Stammspieler, war plötzlich Leistungsträger bei einem der damals besten Vereine Deutschlands. Alle Türen standen ihm offen.

    Ganz so rasant wie möglicherweise erträumt ging es in den folgenden Jahren dann zwar doch nicht weiter nach oben. Doch Meyer etablierte sich in der Bundesliga, wurde deutscher A-Nationalspieler. Im Mai 2014, gerade einmal 18 Jahre alt, debütierte er im Freundschaftsspiel gegen Polen für das DFB-Team. Danach war er zwei Jahre lang zunächst außen vor, empfahl sich aber über starke Leistungen bei Olympia 2016 für eine Rückkehr in die Mannschaft des damaligen Bundestrainers Joachim Löw. Bei Olympia war Meyer einer der besten deutschen Akteure auf dem Weg zur Silbermedaille, im letztlich nach Elfmeterschießen verlorenen Endspiel gegen Gastgeber Brasilien um Neymar traf der Techniker im Maracana zum 1:1.

    Kurz darauf folgte sein zweiter A-Länderspieleinsatz inklusive Tor bei einem 2:0 gegen Finnland. Es sollte sein letzter Treffer für das DFB-Team bleiben, lediglich zwei weitere Kurzeinsätze folgten. Letztmals nominiert wurde Meyer im November 2016. Damals war er gerade einmal 21 Jahre alt - doch seither ging es für das frühere Supertalent stetig bergab. Möglicherweise, so lässt sich durchaus vermuten, auch wegen fehlender Demut.

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  • GER ONLY Max Meyer APOELImago Images / Michal Fajt

    Max Meyers Karriere: Seit dem schlagzeilenträchtigen Abschied von Schalke ging es bergab

    Das treffendste und bekannteste Beispiel für diese Vermutung ist Meyers Abgang aus Gelsenkirchen. Anfang des Jahres 2018 wollte Schalke Meyers auslaufenden Vertrag verlängern, trat dafür mit zwei Angeboten an den Mittelfeldmann heran. 5,5 Millionen Euro Jahresgehalt sollen Meyer dabei zu wenig gewesen sein, er lehnte ab. Im Nachhinein betrachtet sicherlich eine Entscheidung, die seine Karriere negativ beeinflusst hat. Immerhin war er auf Schalke, das am Ende der Saison 2017/18 Vizemeister wurde, immer noch eine Säule gewesen. Der damalige S04-Trainer Domenico Tedesco hatte ihn von der Zehn etwas weiter nach hinten auf die Sechs gezogen, dort trumpfte Meyer konstant mit starken Leistungen auf.

    Doch die unklare Vertragssituation hatte auch sportliche Auswirkungen. Meyer fand sich plötzlich auf der Bank wieder, im Frühjahr 2018 platzte ihm dann der Kragen und er warf der Schalker Vereinsführung sogar Mobbing vor. "Von seinen persönlichen Angriffen bin ich enttäuscht und kann sie nicht nachvollziehen. Weil sie einfach nicht stimmen", reagierte Tedesco enttäuscht. Meyer wurde für die letzten Wochen der Saison 2017/18 suspendiert, konnte sich so nicht mehr für den WM-Kader 2018 empfehlen und auch die Suche nach einem neuen Verein dürfte das öffentliche Image als vermeintlicher Quertreiber sicherlich nicht positiv beeinflusst haben.

    Noch oben drauf kam dieses berühmte, angebliche Zitat von Meyers damaligem Berater Roger Wittmann in den Vertragsverhandlungen mit Schalke. Jener habe Meyer darin laut Christian Heidel, seinerzeit Manager bei den Knappen, als "Weltklassespieler" bezeichnet, "der in jeder europäischen Spitzenmannschaft Stammspieler sein wird". Eine sehr unglückliche und eben vor allem schlecht gealterte Aussage, für die Meyer nichts kann, die ihm danach aber stets anhaftete und das Bild eines sich überschätzenden Jungprofis schürte. Sicherlich nichts, dass einem jungen Fußballer das Leben auf und außerhalb des Platzes einfacher macht.

    Mit Crystal Palace schlug im Sommer 2018 dann zwar keine europäische Spitzenmannschaft zu, immerhin aber ein renommierter Verein aus der Premier League. Doch bei Palace verschwand der damals immer noch junge Meyer mehr und mehr aus dem Rampenlicht. Die erste Saison lief zwar schon nicht gut, aber zumindest spielte er regelmäßig. Das änderte sich in Spielzeit zwei, als er nur noch in wenigen Phasen auf längere Einsatzzeiten kam - und in Saison drei flog er dann plötzlich ganz aus dem Kader und absolvierte in der zweiten Jahreshälfte 2020 lediglich ein einziges Pflichtspiel. Und das auch noch für die U21. Ein erster wirklicher Karriere-Tiefpunkt war erreicht.

  • Meyer SchalkeGetty Images

    Max Meyer bei APOEL Nikosia: Enttäuschungen und ein kleiner Aufwärtstrend

    Besser wurde es für Meyer danach weder beim 1. FC Köln noch bei Fenerbahce in der Türkei oder bei Midtyjlland in Dänemark. Fener hatte Meyer in der Rückrunde 2021/22 an die Dänen verliehen und sortierte den Deutschen schnell aus, als er im Sommer 2022 zunächst zurückkehrte. Meyer musste in Istanbul separat mit der Gruppe jener Spieler trainieren, die den Verein verlassen sollten. Und es dauerte bis Ende August 2022, ehe er mit dem FC Luzern einen neuen Arbeitgeber fand.

    In der Schweiz erlebte er dann erstmals seit seinem Abschied von Schalke wieder nachhaltig ein wenig Hoffnung auf einen Umschwung. Er wurde schnell Stammspieler, fand wieder Rhythmus und spielte eine gute erste Saison mit Luzern, an deren Ende zwölf Tore und fünf Assists in 31 Einsätzen standen. "Es lief für mich vom ersten Tag an toll. Die Stadt ist überragend und ich fühle mich sehr wohl im Verein. Ich bin sofort gut aufgenommen worden vom Team und habe gleich viel Vertrauen vom Trainer gespürt", erklärte er seinen Leistungsaufschwung in der Schweiz bei Sport1. Gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung sprach er während seiner Luzern-Zeit auch über das "Weltklasse"-Etikett nach den Aussagen seines Ex-Beraters Wittmann: "Ich habe das Wort Weltklasse nie benutzt, ich habe mich nie so gesehen und würde so etwas ganz sicher nie über mich selber sagen", stellte er klar.

    Luzerns Trainer Mario Frick bezeichnete Meyer im Sommer 2023 im Gespräch mit der Schweizer Zeitung Blick als "wichtigsten Coach, den ich bis jetzt hatte". Er träumte von einer Rückkehr in die Bundesliga, auch die zweite Saison bei Luzern lief ordentlich. Aus einem weiteren Verbleib wurde allerdings nichts, weil Meyer zu lange zögerte, ein Angebot des FCL für einen neuen Vertrag anzunehmen. Und es gab auch einige Störfeuer: Zum Beispiel wurde Meyer nach einem blamablen Pokal-Aus gegen den damaligen Schweizer Drittligisten SR Delemont Anfang November 2023 wegen seiner schwachen Leistung die Kapitänsbinde entzogen, die er erst im Sommer zuvor übernommen hatte. Unter dieser knallharten Entscheidung litt wohl auch sein Verhältnis zu Trainer Frick, weshalb Meyer von einem Verbleib in Luzern letztlich nicht gänzlich überzeugt war.

    "Ich bin völlig offen, wo es hingeht. Es muss nicht unbedingt Deutschland sein. Ich lasse mich gerne überraschen", sagte Meyer im Frühsommer 2024 dem Blick über seine Zukunft. Statt möglicherweise Deutschland wurde es am Ende Zypern, Anfang Juli 2024 unterschrieb Meyer einen Zweijahresvertrag bei APOEL Nikosia.

    Nun sollte man das Niveau der zyprischen Liga auch nicht zu schlecht machen, schließlich hat Meister Pafos FC zuletzt immerhin Dynamo Kiew in der Champions-League-Qualifikation ausgeschaltet und kämpft nun in den Playoffs gegen Roter Stern Belgrad um den Einzug in die CL-Ligaphase. Doch vor einigen Jahren hätte sich Meyer mit Ende 20 ganz sicher nicht auf Zypern gesehen.

    Zu allem Übel begann das Abenteuer APOEL auch überhaupt nicht gut. Insgeheim hatte Meyer davon geträumt, mit Nikosia Champions League zu spielen. Doch APOEL scheiterte im Sommer 2024 in Runde 3 der CL-Quali an Slovan Bratislava, Meyer wurde beim 0:0 im Rückspiel nur für die letzten 20 Minuten eingewechselt. Wenig später vermasselte man dann auch noch die Europa-League-Teilnahme, weil man sich gegen FK RFS aus Lettland nicht durchsetzen konnte. So blieb Meyer als internationale Bühne in der vergangenen Saison lediglich die Conference League, in der er zudem kaum spielte.

    Ohnehin saß der ehemalige deutsche Nationalspieler in seinem ersten Halbjahr auf Zypern häufig nur auf der Bank. Nicht nur, dass er in Deutschland nicht mehr wahrgenommen wird, er war dabei zunächst nicht einmal Stammspieler - auch, weil ihn immer wieder kleinere Verletzungen ausbremsten. Immerhin: Seit seinem Tor beim 2:1-Derbysieg gegen Omonia Nikosia Anfang März ging es bergauf, Meyer war plötzlich gesetzt und stand in neun der zehn verbliebenen Ligaspiele bis Saisonende in der Startelf.

    Bitter ist aber sicherlich, dass Rekordmeister APOEL (29 Titel) 2024/25 letztlich mit fast 30 Punkten Rückstand auf Champion Pafos nur Fünfter wurde. Damit verpasste man das internationale Geschäft komplett, auf das Meyer bei seinem Wechsel nach Zypern ja eigentlich im obersten Regal Königsklasse gehofft hatte. Immerhin: Der Start in die neue Saison gelang mit einem 2:1-Auswärtssieg am Wochenende gegen Digenis Ipsona.

    Dennoch: Eine Liga, die in Deutschland so gut wie gar keine Beachtung findet, bleibt seine einzige Bühne. Und mit bald 30 Jahren steckt die Karriere des einst so hoffnungsvollen Jungstars möglicherweise final in einer Sackgasse fest.

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