Champions-League-Finale in der heimischen Allianz Arena. Der FC Bayern führt mit 1:0 gegen den FC Chelsea. Es läuft die 88. Spielminute. Juan Mata legt sich den Ball für eine Ecke bereit. Die letzte Chance?
Getty Images"Dank der Narbe werde ich das nie vergessen": Als David Luiz die womöglich größte Tragödie des FC Bayern ankündigte
Im Strafraum herrscht großes Gedränge. Bastian Schweinsteiger deckt Chelseas brasilianischen Verteidiger David Luiz, da flüstert er ihm ins Ohr: "And now: Goal!" So erzählte es Schweinsteiger höchstselbst Jahre später in einer Dokumentation über sein Leben. Matas Flanke segelt in den Strafraum, Didier Drogba steigt zum Kopfball hoch. Goal.
Das Spiel geht in die Verlängerung. Dann ins Elfmeterschießen, wo sich Chelsea durchsetzt und dem FC Bayern den sicher geglaubten Titel entreißt. Noch vor dem in der Nachspielzeit verlorenen Champions-League-Endspiel 1999 gilt das Finale dahoam 2012 gemeinhin als größte Tragödie der Klub-Geschichte. Der damalige Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge nannte es später den "schlimmsten Moment" seiner Amtszeit.
13 Jahre ist das nun her, längst sind sämtliche Rechnungen beglichen. Die Münchner gewannen im darauffolgenden Jahr doch noch den heiß ersehnten Henkelpott und als Zugabe den UEFA-Supercup. Gegen Chelsea, im Elfmeterschießen. Womöglich wegen seines frechen Spruchs wurde Luiz von Schweinsteiger und Co. sogar noch ein zweites Mal böse gerächt. Der Innenverteidiger war Brasiliens Kapitän, als die deutsche Nationalmannschaft den WM-Gastgeber auf dem Weg zum Titel 2014 im Halbfinale mit 7:1 zerlegte. And now: Tears! Die Bilder des heulenden David Luiz gingen um die Welt.
David Luiz wechselte im Sommer zum FC Pafos
In den folgenden Jahren spielte Luiz für Paris Saint-Germain, abermals für Chelsea und für den FC Arsenal. 2021 wechselte er in seine Heimat zu Flamengo Rio de Janeiro. Mit dem größten Klubs Brasiliens gewann er die südamerikanische Königsklasse Copa Libertadores. Anfang dieses Jahres zog er dann zum kleineren Fortaleza EC weiter, ehe er im Sommer eine überraschende Rückkehr nach Europa wagte. Mit 38 Jahren und gewohnt lockiger, nun aber etwas luftigeren Haarpracht stellte ihn der FC Pafos als Neuzugang vor. "Die Legende ist da, die Zukunft ist jetzt", jubelte der zypriotische Meister und aktuelle Tabellenführer in einer Pressemitteilung.
Wie bitteschön kam dieser Wechsel zustande? Tatsächlich gibt es mehrere Verbindungen zwischen Luiz und der Führungsriege seines neuen Klubs. Pafos' spanischer Trainer Juan Carlos Carcedo arbeitete als Assistent von Unai Emery sowohl bei PSG als auch Arsenal kurzzeitig mit Luiz zusammen; der ungarisch-russisch-englische Vorstandsvorsitzende Roman Dubov kennt Luiz und dessen Berater seit Chelsea-Zeiten; der portugiesische Chefscout Rodolfo Vaz kam einst bei Benfica mit dem jungen Luiz in Kontakt.
"In den letzten Jahren haben wir mehrfach darüber gesprochen, ob David eines Tages für Pafos spielen könnte", sagte Vaz bei Transfermarkt. "In diesem Sommer haben sich endlich die richtigen Voraussetzungen dafür ergeben." Luiz unterschrieb bis 2027, dem Vernehmen nach kassiert er pro Jahr rund zwei Millionen Euro - und damit mehr als jeder in Zypern aktive Fußballer zuvor. Neben seiner Spieler-Tätigkeit will Luiz in Zypern seinen Trainerschein machen. Zumindest ein bisschen dürfte zudem ein Spruch gelten, der aktuell sein X-Profil ziert: "Enjoy the life!"
Getty ImagesDavid Luiz spielte das CL-Finale 2012 mit einem Muskelfaserriss durch
Während sich Luiz im Laufe des Augusts fit machte, besiegten seine neuen Kollegen Maccabi Tel Aviv, Dynamo Kiew und Roter Stern Belgrad und qualifizierten sich sensationell erstmals für die Champions League.
Nach zwei Einsätzen in der Meisterschaft stand Luiz am ersten Spieltag der Königsklasse gegen Olympiakos Piräus in der Startelf. Pafos erkämpfte in Unterzahl ein 0:0. Luiz musste aber bereits in Minute 33 mit muskulären Problemen runter. Am Wochenende beim 2:1-Sieg gegen Olympiakos Nikosia saß er über die volle Spielzeit auf der Bank. Ob es am Dienstag für einen Startelf-Einsatz gegen den FC Bayern reicht, ist noch offen.
2012 hätte Luiz diesbezüglich wohl keine Sekunde gezögert. Wie er später in einem BBC-Interview berichtete, spielte er gegen die Münchner mit einem Muskelfaserriss im Oberschenkel - und zwar 120 Minuten lang bis zum Elfmeterschießen, wo er gegen Manuel Neuer verwandelte, den letzten verbliebenen Münchner von damals. "Der Muskel hat bis heute ein großes Loch", verriet Luiz. "Dank der Narbe werde ich das nie vergessen."